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World Skills

«Was, Sie als Frau?»

Diana Schlup aus Büren ist Coach und Expertin zugleich. Als einzige Frau im internationalen Team bewertet sie bereits zum dritten Mal in der Kategorie Carrosseriespenglerei junge Berufsleute.

Hat sich den Respekt erkämpft: Diana Schlup holte mit ihren Kandidaten zweimal Silber. Bild: Manuela Schnyder

Manuela Schnyder

Als erste Frau hat sie die Meisterprüfung der Carrosseriespengler abgelegt. Danach leitete sie sieben Jahre den Fachbereich Technik im Schweizer Carrosserieverband. Als Chefexpertin organisiert sie seit 2014 die regionalen Ausscheidungen und die Schweizer Meisterschaften für den Nachwuchs und reist mit den Talentiertesten an die Weltmeisterschaften. Mit Erfolg: Bereits zweimal holten ihre Kandidaten im internationalen Wettkampf Silber. «Die Chancen sind intakt, dass wir auch dieses Jahr eine Medaille holen können», sagt Diana Schlup, die schon früh genau wusste, was sie will.

Bereits in der vierten Klasse entschied sie sich für den Beruf ihres Vaters. «Ich liebte es, wenn ich mit meinem Papi in die Carrosserie mitdurfte», sagt die ehemalige Diessbacherin. Zwar habe sie anfänglich mehr kaputtgemacht als ihm geholfen. Doch das änderte sich bald. Zum Glück konnte sie dann auch im Betrieb, wo ihr Vater arbeitete, eine Lehre absolvieren. Sonst wäre es wohl schwierig gewesen, sagt sie. «Nicht viele Betriebe gaben zu dieser Zeit Frauen eine Chance, in den Beruf einzusteigen».

Intensive Vorbereitung

Dass die Berufsgattung Carrosseriespenglerei eine Männerdomäne ist, bekam die heute 38-Jährige schon früh zu spüren. Männliche Kollegen sagten, sie werde die Lehre sowieso nicht durchziehen. Als sie sich danach um einen Job in Lyss bewerben wollte, hiess es erst: «Was, Sie als Frau?» Und auch bei den Berufsweltmeisterschaften musste sie sich als einzige Frau im Expertenteam den Respekt erkämpfen. Einige der insgesamt 21 Nationenvertreter – die sie hier nicht nennen will – hätten sie ignoriert, wollten nicht mit ihr über die Bewertung diskutieren. Beim zweiten Mal leitete sie ein vierköpfiges Expertenteam, die Ausbeularbeiten der Kandidaten beurteilt. Ob sie diese Position inne habe, weil sie eine Frau sei, habe einer der anderen Experten gefragt. «Es gibt schon Traktoren von Männern», sagt sie dazu.

Heute sei das anders. Hatten ihr einige der Experten nach der Silbermedaille im 2015 in Sao Paolo nicht gratuliert, taten sie das dann bei der zweiten Silber-Medaille im Jahr 2017 in Abu Dhabi. Ein Experte hätte sie sogar angefragt, in seinem Land Schulungen zu geben. Das wiederum zeige, dass sich der Einsatz lohne.

Und dieser ist gross: Zusammengerechnet trainierten sie vier bis fünf Wochen, sagt Schlup, die Anfang Jahr gerade ihre eigene Firma in Büren gründete. Davor müsse sie die Aufgaben erst erarbeiten. Das sei vor allem in diesem Jahr schwierig gewesen, weil die Prüfungsdetails erst spät kommuniziert wurden. Dazu kommen die administrativen Dinge wie etwa Reglemente studieren, die Eignungstests für die Experten machen, die Materialliste schreiben und die Werkzeuge organisieren.

An den vier Wettkampftagen kann sie sich nur vor dem Start 15 Minuten mit dem Kandidaten absprechen, danach schlüpft sie in die Rolle der Expertin. Vor 21 Uhr gehe man nicht vom Platz, am letzten Tag werde es oft nach Mitternacht.

Asiaten trainieren anders

Neben den Kandidaten aus den nordischen Ländern und Deutschland kommt die Konkurrenz vor allem aus Asien. Dort würde der Nachwuchs meist über zwei Jahre sehr spezifisch auf die World Skills vorbereitet, erklärt Schlup. Die Schweizer Teilnehmer haben dagegen alle Berufslehren absolviert und sich erst in den letzten Monaten grösstenteils in der Freizeit speziell auf den Wettkampf vorbereitet.

Doch man dürfe nicht vergessen, dass sie aufgrund der vierjährigen Ausbildung einen grossen Rucksack an Wissen und Praxiserfahrung mitbringen. Gerade in diesem Jahr könne das von Vorteil sein, da erst spät zielgerichtet auf die Prüfungsaufgaben trainiert werden konnte.

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Ein Bieler Talent ist auch dabei

Auch ein Bieler wird sich an den World Skills mit den Besten seiner Kategorie messen. Florian Baumgartner tritt im Bereich Elektronik vor allem gegen die starke asiatische Konkurrenz aus China, Taiwan, Korea oder Japan an. Dafür trainiert er hart: Die Vorbereitungen habe er bereits im Januar begonnen, sagt der 22-Jährige. Seit Juni trainiere er aber intensiver. Acht Stunden pro Tag an fünf bis sechs Tagen pro Woche. Das alles, während seine Mitstudenten an der Hochschule für Technik in Rapperswil (HSR) für die Semesterprüfungen pauken. Er werde die Prüfungen nächstes Jahr nachholen. Die Erwartungen an ihn sind gross: 2017 holte Jannic Schären Silber, Mario Noseda holte 2015 Bronze und Silvan Melchior 2013 Gold. Auf diesem Niveau könne man sich praktisch keine Fehler erlauben, müsse den Lösungsweg früh erkennen, sagt er. Ein Vorteil sieht er im hiesigen Bildungssystem: In der Lehre sei man oft mit unerwarteten Problemen konfrontiert und müsse darauf reagieren. Das könne sich im Wettkampf auszahlen. msd

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Starkes Swiss-Team

Vom 22. – 27. August finden die 45. Berufsweltmeisterschaften World Skills statt. Sie werden alle zwei Jahre ausgetragen. Gastgeberstadt ist in diesem Jahr Kazan in Russland. Mehr als 1500 Teilnehmer aus über 60 Nationen werden in 56 
Berufen vertreten sein. Die Schweiz wird mit einem Team von 12 Frauen und 30 Männern in 40 Berufen mitkämpfen, begleitet von 43 Expertinnen und Experten. Die Schweiz gehört in vielen Bereichen zu den Favoriten: 2017 gewann das Swiss-Skills-Team in Abu Dhabi gleich elf Gold-, sechs Silber- und drei Bronzemedaillen und belegte als beste europäische Nation in der Nationenwertung Platz 2. msd

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