Sie sind hier

Abo

Unternehmen

Wenn der Währungseffekt die Marge frisst

Angesichts des Ukrainekriegs hat sich der Euro-Wechselkurs zum Franken für exportierende Firmen rapide verschlechtert. Bleibt der Wechselkurs so, verliert die regionale Industrie an Wettbewerbsfähigkeit. Wie schlimm ist die Lage?

Copyright: Matthias Käser / Bieler Tagblatt

Manuela Habegger-Schnyder

Schwankte der Wechselkurs von Euro zum Franken in den vergangenen Monaten noch zwischen 1.04 bis 1.06, rutschte das Währungspaar mit Ausbruch des Ukrainekriegs auf Parität: Ein Euro kostet aktuell nur noch rund einen Franken. Vor allem für die in den Euroraum exportierende Industrie ist ein stärkerer Franken gegenüber dem Euro nachteilig. Schweizer Produkte werden so für europäische Kunden teurer, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den ausländischen Mitbewerbern sinkt: «Bleibt der Kurs des Frankens zum Euro auf diesem Niveau, müssen wir mittelfristig die Preise erhöhen, während die japanische Konkurrenz zum Beispiel günstiger anbieten kann», erklärt Finanzchef Stéphane Pittet von der Tornos-Gruppe.

40 bis 50 Prozent liefert das Unternehmen in den Euroraum. Der Kursrutsch von 4 Prozent innerhalb von zwei Wochen nimmt dem Drehautomatenhersteller aus Moutier im Geschäft mit Europa aktuell einen grossen Teil der Marge weg. Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) kämpft ohnehin mit schwachen Margen. Branchenüblich sind um die fünf Prozent.

Gleichzeitig bleiben die Kosten des Unternehmens praktisch gleich hoch. Die Tornos-Gruppe produziert nämlich überwiegend in der Schweiz, zahlt Löhne in Schweizer Franken und bezieht den Grossteil der Materialien von Schweizer Lieferanten. Wertmässig wird rund 60 Prozent der Maschinen hierzulande hergestellt. «Wir haben zwar Werkstätten in Taiwan und China, dort wird aber vor allem zusammengebaut. Die komplexen Teile werden aus der Schweiz zugeliefert. Wir versuchen jetzt die Bestellungen, zu vernünftigen Kosten zu produzieren», sagt Pittet.

 

Hedging mit dem Einkauf

Aktuell weniger abgestraft werden Unternehmen, die nicht nur in den Euroraum verkaufen, sondern auch dort einkaufen. Mit dem schwachen Euro werden Importgüter jetzt billiger. Die Mikron mit Hauptsitz in Biel beispielsweise kauft einen Grossteil der Rohwaren im Euroraum ein und kann so den Margenverlust zumindest abfedern: «Wir haben diese Massnahmen schon in der Vergangenheit getroffen. Und wir versuchen auch die Produktion in der Schweiz so effizient wie möglich zu gestalten», sagt dazu Finanzchef Javier Perez.

Dass der Wechselkurs sinkt, ist für die betroffenen Firmen denn auch keine Überraschung. Die Währungen werden langfristig von der Inflationsentwicklung beeinflusst und die Teuerung entwickelt sich im Euroraum vor allem aufgrund der gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise viel stärker als in der Schweiz. In Deutschland liegt sie etwa bei 5 Prozent, in der Schweiz bei knapp 1,5 Prozent. «Wenn wir planen können, sind Währungsschwankungen weniger ein Problem», sagt etwa auch Stéphane Pittet von der Tornos-Gruppe. Die abrupten Verwerfungen am Währungsmarkt seien hingegen schlecht zu managen.

Eine Form, sich gegen Währungsrisiken abzusichern sind Finanzinstrumente: «Das haben wir teilweise auch gemacht. Bei so einem starken Kurssturz ist es jedoch schwierig, sich abzusichern, ausser man bindet sich langfristig. Und wir wollen nicht mit Währungen spekulieren», sagt er. In Panik ist die Tornos-Gruppe deswegen nicht: «Wir haben genügend Liquidität. Massgebend ist, wie lange die Währungssituation so bleibt. Ansonsten müssten wir die Preise erhöhen», sagt dazu Stéphane Pittet.

Derweil profitiert die Mikron, die Automatisierungs- und Fertigungssysteme vertreibt, auch davon, dass das Unternehmen typischerweise langfristige Projekte in den Büchern hat, die 6 bis 18 Monate dauern. «Wir haben aktuell Anzahlungen zu Bestellungen erhalten, die noch zu höheren Wechselkursen verbucht wurden. Längerfristig werden unsere Anlagen aber gegenüber dem Ausland teurer», sagt der Finanzexperte.

 

Auf die Dauer kommt es an

Fabian Engel, Präsident des Handels- und Industrievereins (HIV) Sektion Biel-Seeland sieht die Aussichten für die Schweizer Industrie eingetrübt, nicht nur wegen des starken Frankens, aber auch: «Der Krieg in der Ukraine weckt neue Befürchtungen», sagt er. Die Gefahr, dass das Vertrauen in den weiteren Wirtschaftsaufschwung leide und damit weniger Maschinen und andere Investitionsgüter nachgefragt würden, sei leider real.

Dazu kommt laut Engel, dass einzelne Unternehmen als Folge der Sanktionen nicht mehr liefern können oder auf ausstehende Forderungen im grossen Stil sitzen bleiben. Vor diesem Hintergrund verschlechtere der starke Franken die Aussichten für betroffenen Firmen im Moment zusätzlich: «Die Firmen können für ihre Produkte im Ausland nicht einfach rasch mehr verlangen, während gleichzeitig die Preise für Energieträger rapide steigen», sagt er. Es komme nun darauf an, wie lange die Situation andauere und ob die SNB wie in der Vergangenheit auch schon, ihr Hauptaugenmerk auf die Abschwächung der Währung lege und wieder vermehrt im Markt aktiv sei, was anzunehmen sei.

Wie Fabian Engel ebenfalls erklärt, ist ein starker Franken für die grossen Unternehmen tendenziell leichter zu verkraften als für die meisten KMUs, da grosse Exporteure heute oft in denjenigen Währungsräumen produzieren, in denen sie eben auch abrechnen.

 

Ein zusätzliches Problem

Fabian Engel, der in Biel mit der Engel AG einen Fachhandel für Stahl, Haustechnik und Eisen für die Bauwirtschaft betreibt, importiert viele Waren aus dem Ausland. Bei ihm ist ein stärkerer Franken also eher vorteilhaft, da die Kaufkraft steigt: «Der Währungseffekt kompensiert jedoch in keiner Weise die sehr schnell gestiegenen Produktionskosten», entgegnet er.

Laut Engel machen Stahllieferungen von Vor- und Fertigprodukten aus Russland, der Ukraine und Weissrussland in den Euroraum im Jahr rund 16 Prozent des Bedarfs oder rund 24 Millionen Tonnen aus. «Die Ukrainekrise hat zur Folge, dass die Stahl- und Metallpreise innerhalb Wochenfrist je nach Produktgruppe bis zu 20 Prozent gestiegen sind. Weitere Erhöhungen sind bereits angekündigt», sagt er. Viele Stahlwerke würden zur Zeit wegen der grossen Unsicherheit gar keine Angebote mehr abgeben. Zum anderen sei mittelfristig mit gröberen Versorgungsengpässen zu rechnen. Dies werde ebenfalls negative Auswirkungen auf die hiesige Industrie und das Baugewerbe haben.

Der starke Franken kommt für die Industrie also noch erschwerend hinzu: «Je nachdem wie lange die Krise dauert, kann dies die Rezessionstendenzen anfeuern», sagt Fabian Engel.

Stichwörter: Wirtschaft

Nachrichten zu Wirtschaft »