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Industrie

Wie High-Tech das Abwasser lenkt

Die Stebatec in Brügg reguliert mit ihrer Software die Wassermenge in Kanalisationen, steuert Kläranlagen und produziert die Anlagen dazu. Zum 30-Jährigen lädt Kilian Hesse zum Tag der offenen Tür.

Die Geschäftsleitung der Stebatec feiert das 30-jährige Jubiläum: Heinrich Hesse, Dominic Bühler, Benjamin Mischler, Kilian Hesse (Geschäftsführer), Hanspeter Gafner (Gründer), Michael Hesse, Tanja Biland und Jonathan Brechbühl (v.l.). Bild: zvg

Manuela Schnyder

Damit die Gebiete unterhalb des Bielersees bei Hochwasser nicht überflutet werden, wird der Abfluss vom See in die Aare in Port geregelt: «Ultraschallsensoren messen am Wehr in Port die Fliessgeschwindigkeit und über die Höhe und den Querschnitt die Durchflussmenge. Das ist die Grundlage für die Seeregulierung», erklärt Kilian Hesse von der Stebatec in Brügg. Das Unternehmen hat vor drei Jahren seine Messanlagen am Wehr installiert, wo normalerweise rund 650 Kubik Wasser pro Sekunde abfliessen.

Das Messen und Regeln von grossen Wassermengen ist aber nur ein Teil des Kerngeschäfts des Unternehmens, das diese Woche Jubiläum feiert. Die Stebatec hat sich über die letzten 30 Jahre im gesamten Kreislauf des Wassermarkts starkgemacht.

So steuern, überwachen und optimieren die automatisierten Anlagen und Softwareprogramme der Stebatec die Wassermengen in den Kanalisationen, die Füllmenge in den Regenwasserbecken sowie den Zufluss und die Verarbeitung in die Kläranlagen: «Oft regnet es zum Beispiel lediglich am Bielerseeufer entlang und weniger in der Stadt Biel selbst. Dann muss man die Weiterleitmenge in der Kanalisation erhöhen, damit das Gemisch aus Abwasser und Regenwasser nicht unnötig überläuft und in den See fliesst, während die ARA noch Kapazität hätte», erklärt Kilian Hesse. Die Regulierung des Abwassernetzes sei nicht zuletzt auch beim diesjährigen Hochwasser herausfordernd gewesen.

Von der Softwaresteuerung ...

Entstanden ist das Unternehmen aus der ehemaligen Alpha Umwelttechnik AG. Die Nidauer Firma war führend in der Schweiz als Gesamtausrüster von Kläranlagen. Die Anlagen wurden damals vorwiegend mit elektromechanischen Steuerungen ausgerüstet. Der Leiter der Elektroabteilung des Unternehmens war Hanspeter Gafner. Der heute 70-Jährige machte sich 1990 jedoch selbstständig und entwickelte mit zwei Arbeitskollegen computerbasierte Steuerungen. Ein technologischer Fortschritt, mit dem die Systeme der Kläranlagen automatisiert werden konnten. «Der erste Kunde war die ARA in Meiringen. Danach kamen viele weitere und ein Grossteil der Berner- und Jura-Kläranlagen hinzu», erzählt Hanspeter Gafner.

Vor gut zehn Jahren hat sich der Gründer aus der operativen Leitung zurückgezogen und die Mehrheit der Aktien an seinen Zögling übergeben: «Er hat mich immer sehr gefördert», sagt dazu Kilian Hesse. Auch, als dieser es seinem Chef nach drei Jahren Anstellung gleichtat: Hesse löste damals seine Abteilung Mess- und Regeltechnik aus dem Unternehmen heraus und machte sich mit der Stebatec Messtechnik GmbH selbstständig.

«Die Steuer- und Leitsysteme sind eher ein Stammkundengeschäft, während die Abflussregler und Messgeräte Produkte sind, mit denen man schneller wachsen und die man anders vermarkten kann», erklärt Kilian Hesse die damalige Strategie.

Zudem konnte er erste Führungserfahrungen sammeln, bevor Automation und Messtechnik im Rahmen der Nachfolgeregelung wieder zur Stebatec AG zusammengeführt wurden und er die Gesamtleitung übernahm.

... zur künstlichen Intelligenz

War die Stebatec früher zu 90 Prozent im Bereich Abwasser tätig, sind es heute noch 70 Prozent. Seit letztem Jahr gehört auch die Burgdorfer Scheidegger Fernsteuerungen AG zum Unternehmen, die im Kanton Bern und Solothurn rund 150 Wasserversorgungen betreut.

Der ehemalige Patron der Firma ist im letzten Jahr verstorben. Die Nachfolger hatten das Unternehmen auf seinen Wunsch hin an die Stebatec übergeben: «Edwin Scheidegger war sehr innovativ, ein Entwickler, und hat ein beeindruckendes Werk hinterlassen», sagt Kilian Hesse. So habe er beispielsweise eine Gegendruck-Peltonturbine entwickelt, die aus dem überschüssigen Trinkwasser der Gemeinde Wengen in Lauterbrunnen Strom produziert. «Wir halten am Standort in Burgdorf fest und wollen den Betrieb in seinem Sinne weiterführen.»

Mit der Integration der Scheidegger Fernsteuerungen AG sind sieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazugestossen und der Umsatz ist von 10 auf 12 Millionen angewachsen. Insgesamt ist das Wachstum der Stebatec beachtlich: Zählte das Unternehmen vor zehn Jahren noch an die zehn Mitarbeiter, sind es heute rund 50, darunter Softwareentwickler, Ingenieure, Monteure und Projektleiter: «Wir haben viel in die Automatisierung der Herstellung investiert», erklärt Kilian Hesse. So viel, dass das Unternehmen Systeme auf den Markt gebracht hat, bei denen sogar die Automatisierung automatisiert wurde: «Viele Projekte erfordern keine individuellen Programmierungen mehr – man muss quasi nur noch die Schnittstellen und Komponenten eingeben.»

Zudem hat das Entwicklerteam mit finanzieller Unterstützung des Bundes eine Software programmiert, die mithilfe künstlicher Intelligenz und Wetterprognosedaten ein Kanalnetz steuern und optimieren kann. «Das System kann vorausrechnen, wo wie viel Wasser anfallen wird, und steuert die Durchflussregler entsprechend präventiv. Bei einem Kunden in Österreich konnte so bei einem kürzlichen Regenereignis verhindert werden, dass 180 Kubikmeter Abwasser in den Bach flossen.»

Anlässlich des 30-jährigen Bestehens lädt die Stebatec am Samstag von 10 bis 16 Uhr zum Tag der offenen Tür ein: «Wir haben zehn Posten eingerichtet. Einer davon ist das Hydrauliklabor, in dem die grossen Messgeräte und Durchflussregler getestet werden», erklärt Kilian Hesse.

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