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Wie runde Ladys zu Chips werden

In der Chipsfabrik in Spreitenbach durchwandern Kartoffeln aus dem Seeland viele Stationen, bis sie in Säcke abgefüllt werden. Das BT hat den Weg von Kartoffeln der Sorte Lady Rosetta verfolgt.

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Lotti Teuscher

Ein paar tausend Ladys fahren sanft schaukelnd von Diessbach nach Spreitenbach. Der Gerber Fridu, ihr Chauffeur, nimmt vorsichtig die Kurven bis zur Autobahn, und wenn er bremsen muss, macht er das sanft. Ob den Ladys die Fahrt gefällt, bleibt offen. Denn Kartoffeln können nicht sprechen.

Ein paar Minuten zuvor in Diessbach. Es riecht nach feuchter Erde, in der Ferne brummt der Traktor vom Hofer Housi, dem Landwirt, der Kartoffeln für die Zweifel Pomy-Chips AG anbaut. Rund 20 Tonnen werden an diesem Morgen in einen Lastwagen der Marti AG mit Sitz in Kallnach verladen. Eine schweisstreibende Arbeit, Gerber Fridu muss kräftig zupacken. Dann startet er den Motor seines 40-Tönners.

Das lange Gefährt durch die Strassen der Dörfer zu manövrieren, erfordert Konzentration. Erst auf der Autobahn kann Gerber Fridu entspannen und plaudern. Noch hat es wenig Verkehr und vom Hochsitz des Fünfachsers kann er weit vorausschauen.

100 Tonnen an einem Tag
Seit 1999 fährt der Gerber Fridu Lastwagen, der Verkehr sei von Jahr zu Jahr hektischer geworden, sagt er: «Äs het niemer meh Zit.» Lastwagen würden nur noch als Verkehrshindernis wahrgenommen, «aber um acht Uhr müssen die Regale in den Geschäften voll sein.» Wie soll das gehen ohne die vielen Lastwagen?

Fünf Fuhren macht er heute, 100 Tonnen Kartoffeln wird er bis am Abend bei Zweifel abgeliefert haben. Vor Spreitenbach nimmt der Verkehr stark zu, Gerber Fridu muss jetzt aufpassen wie ein Häftlimacher. Denn die PW-Fahrer neigen zu riskanten Manövern, ihnen ist nicht bewusst, dass Lastwagen nicht so wendig sind wie Personenwagen.

«Der Genuss von Pommes-Chips hängt stark vom Wetter und den Temperaturen ab», sagt Christian Knobel, diplomierter Lebensmittelingenieur und Leiter Produktion bei der Zweifel AG. (So nah bei Zürich werden Vor- und Nachname wieder in der üblichen Reihenfolge genannt.) Am meisten Chips verkauft das Unternehmen im Sommer, wenn die Grillsaison beginnt. Im Dezember sorgen die vielen Vorweihnachtsaperos erneut für eine Spitze.

Drinnen, in der Fabrik, warten Kartoffeln der Sorte Lady Rosetta im schummrig-grünen Licht auf ihren Einsatz; das Licht verhindert, dass sie grün werden. Auf einem rüttelnden Laufband wird die gröbste Erde entfernt, in einem Wasserbad schwimmen die Ladys den Steinen unter ihnen davon.

Durch eine Leitung werden sie hochgepumpt in den Schäler: rotierende Trommeln mit einer rauen Innenseite. Grosse Kartoffeln werden halbiert. Eine ganz schön unsanfte Behandlung der Ladys.

Das Podest, auf dem die Schälerei steht, vibriert, aus den Trommeln dröhnt es, als würde ein Jet starten. «Lärmbereich: Ohrenschutz tragen», steht auf einer Tafel.

Kartoffeln, die zu Chips verarbeitet werden, sind extra zu diesem Zweck gezüchtet worden. In ihnen muss viel Stärke stecken, aber wenig Zucker. Denn im heissen Frittieröl bräunt der Zucker.

Geschält landen die Ladys nun auf einem Förderband. Nur in den Vertiefungen hat es noch Schale, aber das macht nichts: Wenn die Chips erst einmal fertig sind, wird man diese nicht mehr sehen.

Nun rattert Lady Rosetta über ein Band, in dessen Tiefen Messer lauern – je nach Stärkegehalt werden sie in unterschiedliche dünne Scheiben geschnitten. Alle zwei Stunden werden die Einwegmesser ausgewechselt. «Ziel ist, dass die Chips nach dem Frittieren immer gleich dick sind, denn nur dann ist das Mundgefühl immer dasselbe, sagt Christian Knobel.

Die Braunen fliegen
Duschen spülen die Stärke an der Oberfläche ab. «Sonst würde es rasch Ablagerungen in den Fritteusen geben», so Knobel. Und das wäre gar nicht gut: Das Reinigen einer Fritteuse dauert ganze elf Stunden. Danach werden die Scheibchen trockengeföhnt, jetzt sind die Ladys bereit für das Bad im 175 Grad heissen Frittieröl.

Wie es sich für Ladys gehört, landen sie nicht in einem billigen Öl, sondern in der Essenz von High-Oleic-Sonnenblumen: Aufgrund des hohen Anteils an einfach ungesättigter Fettsäure und des geringen Anteils mehrfach ungesättigter Fettsäuren hat es eine sehr hohe Hitzestabilität.

Ziel sind goldgelbe Chips, doch in einigen Kartoffeln ist der Zuckergehalt zu hoch, sie sind braun geworden. Deshalb landen sie nebeneinander auf einem Förderband und fahren durch eine Röhre, in deren Innern eine Kamera die Braunen identifiziert. Sekundenbruchteile später pustet sie ein gezielter Luftstrahl vom Band. Die Ladys, deren Schönheit die Maschine als ungenügend beurteilt, werden zu Viehfutter.

Favorit sind Paprika-Chips
Eine wahre Flutwelle wandert nun in den Würzbereich. Über 20 Tonnen Salz verbraucht die Zweifel AG pro Jahr; die Chips schmecken salzig. «Doch in ihnen steckt weniger Salz als im Brot oder in Cornflakes», sagt Christian Knobel. Das Geheimnis: Das Salz befindet sich auf der Oberfläche der Chips und schmeckt deshalb intensiver.

In einer Trommel, die sich dreht, wälzen sich die Ladys in Salz und Gewürzen. Paprika-Chips sind am beliebtesten, gefolgt von Nature. Spezialmischungen wie Chips mit Gartenkräutern und getrockneten Tomaten, mit Hamburger-Geschmack oder fettreduzierte, haben einen Anteil von etwa 20 Prozent. Obwohl Zweifel-Chips mit einem Marktanteil von 70 Prozent die beliebtesten Kartoffelscheibchen der Schweizerinnen und Schweizer sind, goutieren diese nicht jeden Geschmack: Vor Jahrzehnten wurden zum Beispiel Ketchup-Chips verschmäht.
Bislang wurde Lady Rosetta recht unsanft behandelt, doch das macht ihr nichts aus. Denn solange die Scheibchen warm und feucht sind, bleiben sie biegsam. Zerbrechlich werden sie erst, wenn sie trocken hinter den Ohren sind.

«Nur Kartoffeln»
Auf ihrem weiten Weg wandern sie nun zu einer Waage, die lediglich 0,1 Prozent Abweichung zum gewünschten Gewicht zulässt. Unterhalb der Waage befindet sich die Schlauchbeutelmaschine, die den Säckchen noch rasch das Datum sowie Namen und Wohnort des Bauern aufdruckt, der die Kartoffeln angebaut hat. Danach rieseln die Ladys in den Beutel.

Produktionsleiter Christian Knobel hat hie und da von den Chips gekostet. Zum ersten Mal, nachdem sie frisch frittiert waren, zum letzten Mal vor dem Verpacken. Ihm geht es nicht anders als allen anderen Fans von Zweifel-Chips: Er mag das Knacken im Mund und den Geschmack, der nach mehr verlangt.
Wenn er irgendwo eingeladen sei, bringe er immer ein paar Säckchen Chips mit, sagt Knobel und lacht: «Die Leute freuen sich jedes Mal, obwohl im Säckchen doch nur Kartoffeln sind.»

Das mag auch daran liegen, das fast jeder in seiner Kindheit Zweifel-Chips gegessen hat. Und immer während glücklicher Momente: an einem Familienfest, während des Grillierens, einer Schulreise oder am Strand.

 

Das Unternehmen  
• Pro Jahr verarbeitet Zweifel 22 bis 23 Millionen Kilogramm Kartoffeln zu rund 6,6 Millionen Kilogramm Pommes-Chips.
• Knapp vier Kilogramm Kartoffeln ergeben ein Kilogramm Chips.
• Verarbeitet werden 23 Tonnen Salz.
• In der Produktion beschäftigt Zweifel 100 Mitarbeiter, in der Logistik 75, insgesamt sind 370 Personen für das Unternehmen mit Sitz in Spreitenbach tätig.

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