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Mindestlohninitiative

Wie viel ist Arbeit mindestens wert?

Auch von brutto 4000 Franken Lohn pro Monat bleibt nicht viel zum Leben, kaum ein Gegner der Mindestlohninitiative würde damit auskommen wollen, sagt Uwe Zahn. Dagegen kontert Fabian Engel: Das Anliegen torpediere das bewährte System von Sozialpartnerschaft und liberalem Arbeitsmarkt.

v.l.: Uwe Zahn und Fabian Engel.

Es geht um Menschen

Ein Stundenlohn von 22 Franken, umgerechnet auf Basis der 42-Stunden-Woche, entspricht knapp 3700 Franken Monatslohn. Bei 13 Monatslöhnen sind das 48 000 Franken im Jahr oder 4000 Franken Bruttolohn pro Kalendermonat. Davon gehen für Arbeitnehmerprämien der Sozialversicherungen, für die obligatorische Krankenkassenprämie, für die Wohnung und die Steuern mehr als die Hälfte weg und es bleiben 50 bis 60 Franken pro Tag für Verpflegung, Bekleidung, Transportkosten, Gesundheitspflege, Weiterbildung, Unterhaltung und Ferien.

Ist irgendeiner der Parlamentarier, die für die Ablehnung der Initiative gestimmt haben, oder ist irgendeiner der Unternehmer die sich gegen diesen Mindestlohn aussprechen, bereit, sich mit dem oben berechneten Mindestlohn abzufinden? Oder sich gar unter die rund 330 000 Menschen in der Schweiz zu begeben, die noch weniger verdienen? Nein? Warum nicht? Warum sollen dann diese Menschen mit einem ungenügenden Lohn leben? Sind sie weniger wert? Intelligente Unternehmer und Politiker sind sich bewusst, dass jede Art von Arbeit so entschädigt werden muss, dass ein Leben in Würde und ohne ständige Sorgen um die Finanzen geführt werden kann. Nur so ist es möglich, nachhaltig eine gute Leistung zu erbringen.

Alle anderen träumen vermutlich von Zuständen wie beispielsweise in Asien, wo Menschen unter unmenschlichen Umständen (z.B. Kleider in Bangladesch, iPhones in China) produzieren und hiesigen Unternehmen enorme Gewinne bescheren. Sie seien einfach daran erinnert, dass früher in China der Kaiser umgebracht werden durfte, wenn er nicht dafür sorgte, dass jede Person ihre tägliche Portion Reis hatte.

Also: Vorausdenken und Ja stimmen. Und nur noch Waren kaufen, die nicht mit Hungerlöhnen hergestellt wurden.

Info: Uwe Zahn ist Präsident der Baugeno Biel und VR-Präsident der Bauteilbörse Syphon AG

 

Überflüssige Zwängerei

Unsere Arbeitskräfte sind unser wichtigstes Kapital. Wollen wir auf dem Markt erfolgreich sein, ist der partnerschaftliche Umgang mit unserer Belegschaft der zentrale Pfeiler. Motiviertes und kompetentes Personal ist die beste Visitenkarte jedes Betriebes.

Darum setzen wir bei der Firma F. + H. Engel AG auf Offenheit, Vertrauen, Fairness und Respekt. Das familiäre Arbeitsumfeld ermöglicht es den Mitarbeitenden, Verantwortung zu übernehmen und sich dabei stets weiterzuentwickeln. Ein adäquates, auf unser Marktumfeld ausgerichtetes Lohnsystem ist dabei eine Selbstverständlichkeit.

Ein regulativer Eingriff des Staates, wie dies die Mindestlohninitiative vorsieht, ist überflüssig, fahrlässig und eine Zwängerei. Der Vorstoss torpediert nur ein bewährtes System. Dieses baut auf Sozialpartnerschaft und liberalen Arbeitsmarkt. Der Beweis dafür liegt auf der Hand: Wir sind eines der wohlhabendsten Länder mit rekordtiefer Arbeitslosigkeit.

Die Mindestlohninitiative hat aber noch viele weitere Schwachstellen. So wird den regionalen Gegebenheiten nicht Rechnung getragen. Branchen und Qualifikationen werden alle in den gleichen Topf geworfen. Schwächere werden aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und Teilzeitstellen verschwinden. Auch für junge Menschen werden falsche Anreize geschaffen.

Eine Ablehnung der Mindestlohninitiative ist wichtig und richtig und stärkt unseren Wirtschaftsstandort. Dies soll nicht als Freipass für «schwarze Schafe» verstanden werden. Unser System verfügt bereits heute über das richtige Instrumentarium, um gegen Missbrauch und Lohndumping vorzugehen.

Info: Fabian Engel ist Geschäftsleiter der F. + H. Engel AG und Präsident des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern, Sektion Biel-Seeland.

 

 

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