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Wie viele leere Wohnungen braucht es?

Die Zahl der leeren Wohnungen steigt und steigt. Das wird für Schweizer Vermieter immer problematischer – obwohl die Leerstandsquote in anderen Ländern viel höher ist.

Wohnungen im urbanen Raum sind begehrt. Bild: Plainpicture

Franziska Kohler

Stellen Sie sich vor, Sie suchen eine neue Wohnung. Auf den Preis müssen Sie dabei nicht achten – denn Sie dürfen ihn selber festlegen. Was zu gut klingt, um wahr zu sein, hat es im Oberwallis tatsächlich schon gegeben.

Dort kamen zwischen 2014 und 2016 in kurzer Zeit viele neue Wohnungen auf den Markt, der Leerstand stieg. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, lancierte die Hausverwaltung Privera bei drei neueren Liegenschaften einen besonderen Deal: Sie offerierte den Interessenten, den Nettomietzins in den ersten sechs Monaten selbst zu bestimmen, wenn sie einen Vertrag für mindestens 18 Monate unterschreiben. Die Massnahme habe gut funktioniert, sagt Marcel Frick, Leiter Vermietungsmanagement bei der Privera. Die Mieten seien «überraschend vernünftig» ausgefallen.

Nicht nur das Wallis hat ein Problem mit leeren Wohnungen. In der ganzen Schweiz steigt die Leerstandsquote seit einem Jahrzehnt. 72 300 Wohnungen und Häuser stehen laut dem neuen Bericht der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner momentan leer, 8000 mehr als letztes Jahr. 82 Prozent davon sind Mietwohnungen. Und trotzdem werden immer noch Wohnungen gebaut. Allein dieses Jahr kamen rund 53 000 neue dazu, also etwa gleich viele wie 2017.

Im letzten Jahr sind die durchschnittlichen Mietpreise der inserierten Wohnungen darum weiter gesunken, im Schnitt um 2,2 Prozent. Besonders deutlich war das Minus mit 5,1 Prozent in der Innerschweiz oder mit 4,1 Prozent im Kanton Genf. Sogar in der Stadt Zürich haben die Mieten um 3,8 Prozent nachgegeben. Allerdings: Im Vergleich zu 2008 sind sie hier immer noch mehr als 27 Prozent höher. In der Region Bern sind Wohnungen heute 0,8 Prozent billiger als vor einem Jahr, in der Nordwestschweiz 1,2 Prozent.

Über alle Häuser und Wohnungen hinweg liegt die Leerstandsquote aktuell bei 1,62 Prozent. Das ist der höchste Wert seit der Jahrtausendwende. Verglichen mit anderen Ländern ist er aber immer noch sehr tief. In Deutschland oder den USA sind mehr als 4 Prozent der Objekte unbesetzt. Panik bricht deswegen nicht aus.

Ein gewisser Leerstand sei nötig, damit der Markt funktioniere, sagt Robert Weinert von Wüest Partner. «Nur so sind Wohnungswechsel und Umbauarbeiten möglich.»

Trotzdem kommt der Bericht zum Schluss, dass der optimale Leerstand in der Schweiz eigentlich bei 1,3 Prozent liegen würde, also 0,3 Prozentpunkte tiefer als im Moment. Denn als die Quote 2015 bei den Erstwohnungen diesen Wert erreicht hatte, kam die Wende: Die Mieten begannen zu sinken, nachdem sie vorher mehr als 15 Jahre lang gestiegen waren.

Die optimale Quote ist laut der Studie in der Schweiz also tiefer als in anderen Ländern. Das liege an ihrer Kleinräumigkeit, sagt Weinert. «Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen – etwa in Bezug auf die Arbeitslosigkeit, das Einkommen oder den Wohlstand – sind relativ gering. Und damit auch der Druck, aus ökonomischen Gründen in eine andere Region umzuziehen.» Wegen der kurzen Distanzen könnten ausserdem viele zwischen Arbeits- und Wohnort pendeln.

So gross wie aktuell war der Graben zwischen tatsächlichem und optimalem Leerstand zuletzt Ende der 90er Jahre – also nach der grossen Immobilienkrise, in der die Hauspreise abstürzten und viele Investoren hohe Verluste hinnehmen mussten. Und er dürfte noch grösser werden. «Wir schätzen, dass der Leerstand nächstes Jahr nochmals ansteigt, auf gut 80000 Wohnungen», sagt Weinert. Er glaubt, dass kreative Anreize wie mietfreie Monate und Möbel-Gutscheine dann oft nicht mehr ausreichen werden, um Mieter zu locken.

Preisreduktionen bei ausgeschriebenen Wohnungen könnten dafür zunehmen. Bis jetzt sei das noch nicht die Regel, aber der Anteil an günstigen Wohnungen, die auf dem Markt inseriert werden, steige. «Das dürfte den Druck auf die Mieten der ausgeschriebenen Wohnungen weiter erhöhen.»

Allerdings: Ob es einen optimalen Leerstand für das ganze Land überhaupt gibt, ist umstritten. Denn die Unterschiede zwischen den Regionen sind enorm.


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Einfamilienhäuser bleiben sehr beliebt
Weil die Zinsen nach wie vor tief sind, ist die Nachfrage nach Wohneigentum ungebrochen hoch. Einfamilienhäuser sind im letzten Jahr 1,3 Prozent teurer geworden. Besonders hoch war der Preisanstieg mit 7 Prozent in der Region Bern und im Kanton Graubünden. Im Tessin gingen die Preise um 2,5 Prozent zurück, im Kanton Genf um 1,1 Prozent. Vor allem in den Kantonen Zug, Zürich, Basel-Stadt, Schwyz und Luzern übertreffe die Nachfrage nach Einfamilienhäusern das Angebot um ein Vielfaches, schreibt Wüest Partner.
Auch Eigentumswohnungen sind sehr begehrt. Trotzdem sind die inserierten Wohnungen letztes Jahr im Schnitt 2,6 Prozent billiger geworden. Das hängt laut dem Bericht mit dem Angebot zusammen. Es werden häufiger kleinere Wohnungen mit einem ansprechenden, aber nicht gehobenen Ausbaustandard angeboten. In der Stadt Zürich wurden die Wohnungen ganze 8 Prozent teurer – nachdem die Preise seit 2008 schon um 45 Prozent gestiegen sind. 2019 werden gemäss der Prognose vor allem die ausgeschriebenen Einfamilienhäuser  teurer werden, und zwar um 1,2 Prozent. Die Preise für Eigentumswohnungen stagnieren. fko
 

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