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Gewerbe

Wieder in Fahrt gekommen

Verkehrte Coronawelt: Während die einen stark von den Einschränkungen betroffen sind, haben die anderen davon profitiert. Freuen kann sich darüber niemand: Denn eine lebendige Innenstadt hilft am Ende allen.

Die Bieler Innenstadt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten: Blick in die Nidaugasse. Bild: Reto Probst/a

Lukas Rau

Florian Thürler ist im Schuss. Der Coiffeur vom Ici Paris an der Zentralstrasse hat kaum Zeit, Fragen zu beantworten. «Wir erhalten so viele Anrufe momentan», sagt er. Der energiegeladene Welschbieler sagt, er sei mit seinem Geschäft gut aus dem zweiten Lockdown gestartet. «Wir konnten sofort weitermachen», sagt er. «Wir haben bemerkt, dass die Kundinnen und Kunden zu Beginn etwas unsicher waren, aber das hat sich gelegt.» Mit den Schutzmassnahmen komme man gut zurecht. «Einmal hat sogar die Polizei reingeschaut – es ist also alles in Ordnung», sagt er.

Thürlers Spezialität ist sein grosses Angebot an Perücken, er ist schon seit Jahrzehnten im Geschäft. Aber diese Situation war auch für ihn neu. Beklagen will er sich auf keinen Fall. «Ich denke oft an die Restaurants, die von den Massnahmen härter getroffen sind», sagt er. Und dann muss er weiter – in der einen Hand die Schere, in der anderen den Telefonhörer.

 

Glück im Unglück

Dass Gewerblerinnen und Gewerbler mit der Konkurrenz mitleiden, die stärker von den Einschränkungen betroffen ist, hört man in vielen Geschäften. Auch bei Therese Rihs, die seit 21 Jahren als Inhaberin das Keller-Tabak-Geschäft an der Bahnhofstrasse führt. Sie hatte das Privileg, dass sie während der Lockdowns nie schliessen musste. «Wir gelten im weitesten Sinne als Kiosk», erklärt sie. Auch die Umstände kamen ihr entgegen. «Es sind keine guten Zeiten, um mit dem Rauchen aufzuhören.» Ganz glücklich ist Rihs trotzdem nicht. «Ich bin gerne Geschäftsfrau und freue mich, wenn es gut läuft. Aber wenn ich sehe, wie andere momentan nicht arbeiten können, dann leide ich auch mit.»

Viele Einschränkungen kamen ihrem Geschäftslauf fast schon entgegen: Zum Beispiel auch, dass Ferienreisen ausfielen und viele Leute sich in den eigenen vier Wänden etwas gönnen wollten, hat geholfen: «Eine gute Zigarre oder eine Flasche Whisky waren schon gefragt. Wir haben bemerkt, dass mehr konsumiert wurde.»

Die Lage beim Bahnhof und die Migros nebenan hätten auch dafür gesorgt, dass Laufkundschaft kam. Sie habe auch bemerkt, dass Tabak für Wasserpfeifen gefragter war als auch schon, sagt Therese Rihs.

 

Bewusster einkaufen

Auch Eliane Eggli und Margrit Perrottet, die an der Rüschlistrasse den Secondhandshop La Surprise führen, haben eine Veränderung im Kundenverhalten festgestellt. «Wir haben den Eindruck, dass viele Leute sich in den letzten Monaten mit ihrem Einkaufsverhalten auseinandergesetzt haben», erklären die beiden. «Es wird bewusster eingekauft, aber auch vermehrt auf den Preis geschaut. Wenn die Ware gut ist, dann gibt man dafür aber auch gerne Geld aus.» Eggli und Perrottet führen La Surprise seit August 2017 als gemeinnützigen Verein und spenden Gewinne regelmässig an wohltätige Organisationen in der Region.

Während des Lockdowns waren sie selbstredend auch stark eingeschränkt. «Kontakt mit der Kundschaft haben wir über Telefon gehalten», sagt Eggli. «So konnten wir immerhin die wichtigsten Fragen beantworten.»

Eigentlich ist es im La Surprise üblich, die wärmeren Tage mit einem Frühlingsapero einzuläuten. Dieses Jahr ist das nicht möglich. Sollte sich die Situation ändern, sei das Team aber flexibel und bereit, die Kundschaft zu überraschen.

So unterschiedlich die Philosophien und Geschäftsfelder auch sind: Was die Gewerblerinnen und Gewerbler verbindet, ist die Hoffnung, dass die Einschränkungen bald nicht mehr nötig sind. Denn sie alle wissen: Damit es bei ihnen läuft, braucht es auch die anderen.

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