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Uhrenbranche

«Wir vergessen 2020»

In diesem Jahr wieder an die Zahlen von 2019 herankommen: Das ist das Ziel von Nick Hayek, dem Konzernchef der Swatch Group. Die ersten Monate stimmen ihn zuversichtlich.

Nick Hayek mit der obligaten Zigarre an der gestrigen Bilanzkonferenz. Screenshot/tg
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Tobias Graden

Zigarre rauchen, das geht auch ohne Live-Publikum. Und so ist Nick Hayek, Konzernchef der Swatch Group, an der gestrigen Online-Bilanzkonferenz in seiner Lieblingspose zu sehen. Vor Ort im nach seinem Vater benannten Auditorium klicken beim Anzünden allerdings zum zweiten Mal keine Fotoapparate – aus den bekannten Gründen. Stattdessen sitzen auf den Stühlen Uhren-Attrappen mit bekannten Gesichtern drauf.

Flexible Fertigung
Einen Grund zu feiern gibt das Resultat des letzten Geschäftsjahrs allerdings bekanntlich nicht her. Selbst Thierry Kennel, als Finanzchef der Gruppe bekannt für betont sachliche Auftritte, spricht von einer «sehr herausfordernden» Zeit, der es mit «Kampfgeist, Kreativität und Innovationskraft» zu begegnen gelte. Gegen die Lockdowns auf der ganzen Welt hat das allerdings auch nicht geholfen, am Schluss resultierte erstmals seit 1984 ein Verlust (das BT berichtete).
Es dürfte Nick Hayek in diesem Jahr darum besonders wichtig gewesen sein aufzuzeigen, wofür der Konzern seine nach wie vor über 250 Millionen Franken Investitionen aufgewendet hat. Damiano Casafina, Chef des Uhrwerkherstellers ETA, gewährt einen Einblick in neue Prozesse bei der Proudktion komplexer Platinen: Während in traditionellen Fertigungslinien 52 Produktionsschritte nötig waren, kann nun ein Werkstück komplett in einer einzigen Aufspannung hergestellt werden. Das Konzept «Flexpro» bringt eine Reduktion der Produktionsfläche um 80 Prozent mit sich, die Durchlaufzeit sinxt extrem auf 13 Minuten, für die Industrialisierung eines Produkts sind nur noch zwölf Wochen statt ein Jahr nötig. Das ermöglicht hohe Agilität: Einzelne Modelle können anfangs in weniger hoher Stückzahl anlaufen, die Produktion lässt sich aber umgehend einer steigenden Nachfrage anpassen.
Nur eine Klammerbemerkung für die Führungsriege ist in diesem Zusammenhang, dass ETA die meisten Drittkunden angeschrieben und ihnen mitgeteilt hat, dass sie nicht mehr beliefer werden – ETA will seine Kapazitäten vor allem für Gruppenmarken nutzen. «Man nimmt von uns vor allem die Marken wahr», sagt Nick Hayek, «doch mehr als die Hälfte der Zeit beschäftigen wir uns mit solchen Industriefragen. Und wir tun dies alles in der Schweiz.» 2,6 Milliarden Franken habe der Konzern über die letzten zehn Jahr in seine industrielle Basis in der Schweiz investiert.

Smartwatch als Erfolg
Dazu gehört auch die Batteriefabrikation von Renata, für die Forschungsleiter Pascal Haering ähnliche Fortschritte in der Fertigung vorweisen kann. Eine Batterie von Renata steckt auch in der Tissot T-Touch Connect, die Hayek am Tag der Bilanzkonferenz trägt. Er trage die Uhr – es handelt sich um die erste eigentliche Smartwatch der Swatch Group mit einem eigens entwickelten Betriebssystem – seit Monaten und habe sie noch nie aufladen müssen, sagt der Uhrenpatron.
Warum das relevant ist? Weil es in die Gegenwart und die nähere und mittlere Zukunft des Uhrenkonzerns verweist – sie sieht laut Hayek deutlich besser aus als das Pandemiejahr 2020, und dafür steht unter anderem Tissot. Die T-Touch Connect sei ein Erfolg, sagt Hayek, dabei sei sie noch nicht einmal in allen Märkten lanciert. In China etwa gelangt die Uhr Mitte April auf den Markt, und Hayek verspricht sich einiges davon. Die Uhr ist kompatibel mit dem Betriebssystem von Huawei, was ein grosser Vorteil sei. Zudem werde die Technologie auch in Uhren anderer Marken eingesetzt werden, eine abgespeckte Version davon beispielsweise bei Swatch.

Online als Zusatzbusiness
Apropos Swatch: Hayek räumt ein, dass die Marke in der Pandemie wegen des ausbleibenden Tourismus und der damit verbundenen Flaute an den Flughäfen in der Pandemie am meisten gelitten habe: «E-Commerce kann die Spontankäufe in Tourismusregionen nicht ersetzen.» Doch: Wo die Läden offen seien, dort sei auch die Marke Swatch weiterhin stark. Für praktisch alle anderen Marken des Konzerns findet Hayek ohnehin schier nur Superlative. Flik Flak? Sehr gut, eine super Performance. Hamilton, Mido, Tissot? Eine unglaubliche Performance. Longines? Eine Superlokomotive, stark auch in China. Omega? Die Nachfrage übersteigt die Produktion, dabei werden die neuen Modelle wegen der Verschiebung des James-Bond-Films und der Olympischen Spiele erst noch kommen. Harry Winston? Super. Blancpain? Sensationell.
Forciert hat die Swatch Group im Jahr 2020 den Absatz über Online-Kanäle, jedenfalls für jene Marken, bei denen das Sinn macht. Insgesamt hat sich der Online-Umsatz im letzten Jahr verdoppelt, er macht mittlerweile 5,5 Prozent aus. Bei Swatch liegt er aber bereits bei 29 Prozent, bei Tissot bei 25 Prozent. Dabei erfolge keine Kannibalisierung des physischen Absatzkanals, sagt Nick Hayek: «Online ist zusätzliches Business.»

«1 plus 1 gleich 3»
Überhaupt zögen die Geschäfte wieder deutlich an. «Es sieht in den ersten beiden Monaten sehr gut aus», sagt Nick Hayek, selbst  in Ländern, die noch nicht ganz geöffnet sind; und auch der März stimme zuversichtlich. In England etwa verkaufe man derzeit drei Mal mehr als während des Lockdowns. Ziel des Konzerns ist es, in diesem Jahr wieder so nah wie möglich auf Vor-Pandemieniveau zu kommen, also die Zahlen von 2019 zu erreichen:«Wir vergessen 2020 als Vergleichsbasis.»
In den USA beispielsweise dürfte das erste Quartal dieses Jahres 15 Prozent über dem 2019er-Niveau liegen, und dabei ist der Tourismus noch kaum wieder angelaufen. Nick Hayek gibt sich darum zuversichtlich. Seine Gleichung für 2021 lautet:1 plus 1 gleich 3.
Den Geschäftsbericht 2020 finden Sie unterwww.bielertagblatt.ch/swatchgroup

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