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Biel

Wo die Zukunft der Industrie nistet

Nirgends können Ideen so rasch Realität werden wie im Switzerland Innovation Park Biel/Bienne – das sagt eine erfolgreiche Start-up-Gründerin. Ihrem Beispiel sollen viele folgen, wie ein erster Rundgang im neuen Gebäude zeigt.

Symbolischer Eröffnungsakt. copyright: matthias käser/bieler tagblatt

Tobias Graden

Wie wird eine Glasfaser gefertigt? Ganz grob gesagt geht das so: Ein weit oben aufgehängter Glasstab wird erhitzt. An seinem unteren Ende bildet sich ein Tropfen. Dieser bewegt sich zum Boden hin, einen dünnen Faden hinter sich herziehend. Das ergibt eine Glasfaser – so dünn, dass sie aufgewickelt werden kann, und gleichzeitig so präzis, dass sie nicht nur für die Datenübertragung, sondern auch für zahlreiche weitere Anwendungen genutzt werden kann, etwa in der Lasertechnik oder der Medizin.
Was einfach klingt, ist High-Tech. Es benötigt hochpräzise Anlagen und einen Faserziehturm. Einen solchen gibt es im Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIP BB). Er befindet sich an der östlichen Stirnseite der grossen Werkhalle und ist 18 Meter hoch, reicht also vom Boden bis zur Decke des Gebäudes. Noch ist er nicht betriebsfertig eingerichtet. Voraussichtlich im Oktober wird es so weit sein und Valerio Romano, der zuständige Forscher, wird die Einrichtung mit seinem Team nutzen können.

Für die Drohnen bereit
Der Faserziehturm war eines der Herzensprojekte von Felix Kunz, der die SIP BB AG bis vor kurzem in ihrer ersten Phase des Bestehens operativ geleitet hat. «Es war nicht einfach, den im Gebäude unterzubringen», sagt Kunz an der gestrigen offiziellen Eröffnung des Neubaus. Kunz erwähnt weitere Elemente dieses Baus: die Reinräume, den Drohnenlandeplatz auf dem Dach («wenn die Post mit der Drohne kommt, sind wir dafür bereit») oder die Solarzellen, die nicht nur Strom erzeugen, sondern die gleichzeitig für Analysen genutzt werden: «Unser Haus ist selber Teil der angewandten Forschung», sagt Kunz.
Beharrlichkeit habe es gebraucht bei der Realisierung des Neubaus, die Zusammenarbeit im ganzen Team – womit er alle Akteure in und um den SIP BB meint – und nicht zuletzt: «Einsatz, Einsatz, Einsatz.» Dass dieser in den letzten Jahren auf breiter Ebene geleistet worden ist, dafür steht dieser Bau sinnbildlich: Von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnungsfeier sind nicht einmal zweieinhalb Jahre vergangen, sowohl Zeitplan als auch Budget sind eingehalten worden. Als schwarz eloxiertes und doch leuchtendes Beispiel an Effizienz steht das Gebäude neben dem nach wie vor ungefüllten «Loch», wie Thomas Gfeller, Verwaltungsratspräsident der SIP BB AG, die nach wie vor stillgelegte Baustelle des Campus Technik der Berner Fachhochschule nennt.
Sebastian Wörwag, Rektor der BFH, mag allerdings nicht von einem «Loch» sprechen. Lieber sagt er, die Baugrube sei «ein grosser Spatenstich». Die unterschiedlichen Bedingungen für die beiden Bauwerke sind hinlänglich bekannt, und doch mischt sich in die Freude der Innovationspark-Eröffnung ein leises Bedauern, dass der SIP BB auf seinen künftigen Nachbarn noch ein paar Jahre warten muss.
Partner sind die Institutionen aber von Anfang an – die BFH war einer der ersten Aktionäre der SIP BB AG, und mit dem Swiss Battery Technology Center betreibt sie einen der Pfeiler im Innovationspark. Dieser befindet sich im dritten Stockwerk. Sieben Öfen stehen hier, mit ihnen lassen sich Batterien unter unterschiedlichsten Bedingungen testen. Zu den Kunden gehören beispielsweise Elektrovelo-Hersteller – sie wollen wissen, ob die Akkus ihrer Fahrräder halten, was ihre Fabrikanten versprechen. Der Bereich dürfte in den nächsten Jahren noch stark an Bedeutung gewinnen, wird doch der Markt für Batterieherstellung und –wiederverwertung in Europa und der Schweiz stark wachsen.

Menschen, Maschinen, Fläche
Was der SIP BB zu unternehmerischen Erfolgsgeschichten beitragen kann, zeigt das Beispiel von Ronja Müller-Bruhn. Die Gründerin von Stimit hat ihr Sart-up schon im früheren Innovationspark-Standort an der Aarbergstrasse eingerichtet. Stimit entwickelt nach Müller-Bruhns Angaben das weltweit erste nicht-invasive Verfahren, um das Zwerchfell von Patienten zu stimulieren, die über längere Zeit beatmet werden müssen. Denn wenn dieses nicht selber aktiv ist, verliert es schon nach drei Tagen die Hälfte seiner Leistungskraft. Die Gründerin ist alleine gestartet, mittlerweile ist das Team 15-köpfig und für die nächsten drei Jahre finanziert. Stimit hat mittlerweile das Interesse nationaler Medien und der internationalen Fachwelt geweckt, auch die Investoren kommen nicht mehr nur aus der Schweiz. «Es gibt keinen anderen Ort, an dem man so schnell Ideen Realität werden lassen kann», sagt Ronja Müller-Bruhn über den SIP BB. Ein Start-up könne sich zu Beginn nicht alles leisten, im SIP BB liessen sich bei Bedarf Ressourcen, die man selber nicht habe, dazumieten: Räumlichkeiten, Maschinen, aber auch Fachkräfte.
Damit ist umrissen, was den Gehalt des SIP BB ausmacht. Es ist nicht das Gebäude allein, es ist nicht allein die technische Infrastruktur darin, es sind nicht allein die Menschen darin – es ist die Kombination dieser drei Faktoren zusammen, die den Innovationspark zu einem solchen macht.
«Das alles dient nicht einem Selbstzweck», betont Verwaltungsratspräsident Thomas Gfeller, «unser Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Schweiz zu stärken.» Dass dies funktioniert und dass dafür ein Bedarf besteht, hat die SIP BB AG bereits am vorigen Standort gezeigt. Das Aktionariat besteht zu 90 Prozent aus Akteuren der Privatwirtschaft, vornehmlich sind es KMU aus der Region. Der Anschub aber kam von der öffentlichen Hand, das ist dem Verwaltungsratspräsidenten bewusst. Mit dem neuen, ungleich grösseren Gebäude habe man nun eine «viel grössere Schwungmasse», um die damit verbundene Verpflichtung zu erfüllen.

Wie an der ETH
Bereits sind 90 Prozent der Flächen vermietet. Es sollen stets auch kurzfristig Reserven verfügbar sein. Etwa für Unternehmen wie die Rollomatic SA in Le Landeron: Sie arbeitet im SIP BB im Bereich Industrie 4.0 und ist Aktionär, Partner und Mieter zugleich. Softwareingenieur Dario Della Corte vergleicht die Möglichkeiten in Biel gar mit jenen an der ETH Lausanne.
Denn auch dies macht den SIP BB aus: Die Zusammenarbeit von kleinen lokalen und grossen internationalen Akteuren im Dienst der gemeinsamen Sache. Das zeigt die hochmoderne Fertigungsstrasse, mit der in der zentralen Fertigungshalle Drohnen montiert werden und die als Demonstrationsobjekt für die Industrie 4.0 dient. An ihr arbeiten 50 Akteure zusammen, KMU aus der Region ebenso mit wie weltumspannende Konzerne wie Microsoft.
Das neue Gebäude steht, doch sein Inneres wird sich in den nächsten Jahren immer wieder wandeln. Innovation bedingt auch Mut zum Risiko – diesen hat die SIP BB AG bewiesen, als sie den Auftrag an das damals noch sehr junge Architekturbüro Waldrap AG aus Zürich vergeben hat. «Es war unser erster gewonnener Wettbewerb», verrät Architektin Renate Walter. Die Zusammenarbeit verlief nicht ohne Reibungen, wie aus den Ausführungen klar wird. «Für das viele Glas und die eloxierte Fassade haben wir gekämpft», so Walter. Wie dieser erste Rundgang zeigt: Der Einsatz aller Seiten hat sich gelohnt. Und er war zweifellos sehr gross, dieser Einsatz. Auch wenn Felix Kunz den ausdrücklich ausgesprochenen Dank von Thomas Gfeller gänzlich unprätentiös mit zwei Worten quittiert: «Scho guet.»
 

Stichwörter: Wirtschaft, Biel, Innovation, SIP BB

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