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Jubiläum

Wo einst Riemen klatschten, rechnen heute Computer

Samuel Laubscher baute eine Fabrik, entwickelte maschinelle Drehbänke und sorgte für eine moderne Infrastruktur. Auch 175 Jahre später wird in Täuffelens Dorfmitte rege produziert.

Raphael Laubscher führt das Unternehmen in der sechsten Generation. Bild: Peter Samuel Jaggi

Manuela Habegger-Schnyder

Von der Hauptstrasse her lässt sich die wahre Dimension des Firmengeländes der Laubscher Präzision AG in Täuffelen gar nicht erkennen. Das Areal besteht heute aus zehn teils verwinkelten, eng zusammengebauten Gebäudekomplexen. Es mischen sich dabei alte, traditionsträchtige Produktionshallen mit neuen mehrere Millionen teuren Glaskonstruktionen, die tiefer in den Boden vorstossen als in die Höhe ragen. «Wir können hier im Dorfkern natürlich nicht beliebig hoch oder weiter in die Breite bauen», erklärt Geschäftsführer Raphael Laubscher.

Das Unternehmen ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen, in den Produktionshallen wurde es deshalb immer enger. Der nötige Platz für zwei neue Gebäude mit je drei säulenfreien Fabrikationshallen, die 2001 und 2014 fertig gebaut wurden, entstand unter anderem durch den Abbruch des Gasthofs Bären und älterer Fabrikationsgebäude. Die Produktionsfläche erstreckt sich damit heute auf nicht weniger als 22 500 Quadratmetern.

Einst mit der Fertigung von Uhrenschrauben gewachsen, werden dort neben Stifte oder Federgehäuse für die Uhrenindustrie heute vor allem auch Komponenten für Medizinprodukte wie beispielsweise Hör- und Operationsgeräte hergestellt. Das Unternehmen fertigt beispielsweise auch Membrane für Pumpen, die in Dieselmotoren eingesetzt werden, Drehteile für Bau- und Landwirtschaftsmaschinen oder für Flugzeuggetriebe der Pilatus-Flotte.

Als wichtiger Arbeitgeber und Initiator für moderne Infrastrukturen im Dorf war das Unternehmen von Beginn weg prägend für die Region. In diesem Jahr feiert das Unternehmen sein 175-jähriges Bestehen. Ein neues, hauseigenes Museum gibt nun Einblick in die Geschichte des Familienunternehmens.

Die Fabrik leuchtete am hellsten

Die Anfänge des Unternehmens wurzeln tief in der Bieler Uhrengeschichte. Samuel Laubscher, 1818 in Täuffelen geboren, hatte mit 27 Jahren mit den Uhrenschrauben in Heimarbeit im bernjurassischen Malleray angefangen. Fünf Jahre später zog er nach Täuffelen und baute dort eine eigene Fabrik. Zusammen mit einem Mechaniker namens Tschopp entwickelte er, getrieben von der Idee, seine Produktionsprozesse zu industrialisieren, den ersten mechanischen Drehautomaten. Später liess er mit seinen Nachkommen einen sogenannten Schlitz-Automaten patentieren, der eine Schraube mit Schlitz in einem einzigen Arbeitsgang entstehen lassen konnte.

Die Mechanisierung der Produktion rückte die Frage des Antriebs ins Zentrum. Für die Handdrehbänke hatte das vom Arbeiter bediente Fusspedal ausgereicht. Die Drehautomaten verlangten nun aber nach einem stetigen Antrieb. Im Bau des Hagneckkanals etwa zur gleichen Zeit, also in den 1880er Jahren, sah Samuel Laubscher das Potenzial für ein Stromkraftwerk. Der Hagneckkanal war damals allerdings noch sehr instabil und Erdrutsche waren häufig. Die Brücke bei Hagneck musste mehrmals neu aufgebaut werden. Als sich der Flusslauf aber stabilisierte, bewarb sich Samuel Laubscher um eine Konzession für den Bau eines Kraftwerks, bekam 1887 jedoch eine Absage.

Inzwischen hatten Laubschers sich eine Dampfmaschine angeschafft, die Idee eines Kraftwerks blieb jedoch. Nach dem Tod von Samuel Lauscher 1890 führten seine Söhne und der Schwiegersohn sein Engagement in der Sache weiter. Im Gemeinderat von Nidau fanden die Laubschers wichtige Verbündete. Sie gründeten einen Gemeindeverbund und überzeugten die Kantonsregierung, dass dieses Kraftwerk ein Projekt der öffentlichen Hand sein sollte. Nach Nidau und Täuffelen schlossen sich auch Hagneck, Biel, Erlach und La Neuveville dem Verbund an. Nach zähen Projektjahren und Finanzierungsschwierigkeiten konnte der Bau schliesslich realisiert werden. Das Kraftwerk nahm 1899 seinen Betrieb auf und Strom floss in die beiden neuen Elektromotoren der Firma Laubscher.

Mit der Fernleitung kam dann auch erstmals elektrisches Licht in die Fabrik und ins Dorf. «In der Fabrik leuchteten damals schon fast 90 Steh- und Hängelampen. Die vier bis sechs Strassenlampen in den Dörfern rundherum gingen dabei fast unter», erzählt Raphael Laubscher. Kurze Zeit später folgte die erste Telefonleitung von Biel nach Täuffelen und zwar ebenfalls ins Büro der Laubschers – mit der Rufnummer zwei.

In den Folgejahren hatte das Unternehmen viel in die nachgelagerten Prozesse und die Oberflächenbearbeitung investiert, wie Raphael Laubscher erzählt. Dazu gehört das Härten, Galvanisieren, Schleifen und Polieren der Drehteile. Die teils mikroskopisch kleinen Schrauben oder Stifte mit ihren Einkerbungen, Schlitzen und Löchern verbesserten sich in ihrer Festigkeit und Funktionalität laufend. Bis zu 25 Arbeitsschritte durchläuft ein Teilchen in den meist automatisierten Maschinen.

Laubschers laden ins Museum

Die Aufträge erhält die Firma heute zu einem grossen Anteil aus den drei Kerngebieten Schweiz, Deutschland und den USA, exportiert aber etwa auch nach Australien, Vietnam oder Russland. Die Umsätze sind auf 40 bis 50 Millionen Franken pro Jahr angewachsen. Der Medizinalbereich macht mittlerweile mehr als die Hälfte der Auftragsvolumen aus. Durch die Corona-Krise ist der Industriebetrieb auch deshalb gut durchgekommen: «Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich unser Geschäft mit der Medizinalbranche solid entwickelt, die grösseren Wachstumsraten sind aber auch dort ausgeblieben», sagt Raphael Laubscher. Der Umsatz aus diesem Segment konnten die Rückgänge in der Uhrenindustrie im letzten Jahr jedoch kompensieren. Zumindest im Bereich der Luxusuhren zögen die Aufträge seit letztem Sommer wieder an. Euphorie will der Geschäftsführer aber keine ausstrahlen: «Die Pandemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen sind noch zu stark präsent», sagt er.

Sorgen bereitet Raphel Laubscher der Fachkräftemangel: «Die Berufsbildung wird in der Gesellschaft zu wenig geschätzt. Die zunehmende Akademisierung im Land muss vermehrt hinterfragt werden», sagt er. Ohne gut ausgebildete Fachkräfte könnten die Unternehmen die Innovationen aus Forschung und Entwicklung nicht umsetzen. Man müsse zeigen, dass der Beruf des Produktions- und Polymechanikers auch dank Automatisierung und Digitalisierung interessanter geworden sei und gute Entwicklungsmöglichkeit biete. Das Unternehmen engagiert selber jährlich sechs Lernende, insgesamt sind es aktuell 20 Lernende, die ihre Ausbildung bei Laubschers absolvieren.

Dass Raphael Laubscher heute die Zügel des Unternehmens in der Hand hält, war nicht von langer Hand geplant. Erst vor zehn Jahren ist er schrittweise operativ ins Unternehmen eingestiegen: «Neben den fachlichen und persönlichen Voraussetzungen hat auch der Faktor Zufall mitgespielt. Zum Zeitpunkt der Nachfolgeregelung habe ich über eine berufliche Veränderung nachgedacht und innerhalb der Familie gab es für die Nachfolge kaum Alternativen», sagt der 55-Jährige. Mit ihm arbeiten heute noch fünf direkte Nachkommen im Unternehmen.

Im eigenen Museum lässt das Unternehmen in seine Firmengeschichte einblicken. Von den Anfängen bis zur heutigen Produktion erzählen antike Produktionsmaschinen, verschiedene Produktelinien und Illustrationen. So entwickelte und fertigte das Unternehmen einst auch Grammophonnadeln und Komponenten für die alten Mobiltelefone, für Magnetbänder oder Schreibmaschinen. Auch der erste von Samuel Laubscher zwischen 1870 und 1875 mitentwickelte mechanische Drehautomat ist zu bestaunen. Pandemiebedingt ist das Museum aktuell noch nicht öffentlich zugänglich.

 

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Die «umsichtigen» Firmenlenker

Adrian Hutzli, inwiefern hat die Firma Laubscher die Gemeinde geprägt?

Adrian Hutzli: Wenn man die Geschichte der Firma Laubscher kennt, so weiss man, dass die Generationen ausserordentlich prägend waren für die Gemeinde wie auch für die ganze Region. Zum einen aus technologischer Sicht. Dazu gehört die Beteiligung am Aufbau des Elektrizitätswerks am Hagneckkanal, an der ersten Bahnverbindung Biel – Täuffelen oder mit ihrer ersten Telefonleitung nach Biel. Zum anderen aus architektonischer Sicht: Die in diesem Jahrtausend gebauten Gebäude umrahmen den Dorfplatz von Täuffelen ideal. Als Ausbildner und Arbeitgeber trägt der Familienbetrieb zum gesellschaftlichen Wohl bei und sorgt für über 200 Familien für ein regelmässiges Einkommen.

Bislang produziert die Firma bewusst am Standort in Täuffelen. Welche Bedeutung hat das für die Gemeinde?

Über 20 Prozent der Arbeitnehmer wohnen in Täuffelen und tragen zum sozialen und gesellschaftlichen Leben bei. Die Firma unterstützt regelmässig Veranstaltungen und Vereine im Dorf und hilft somit beim Gelingen von manch gutem Vorhaben. Nicht zu vergessen ist auch die Tatsache, dass das lokale Gewerbe immer wieder von kleineren und grösseren Aufträgen profitieren kann.

Eine so grosse Industrie im Dorfkern, ist das für das Ortsbild nicht störend?

Was Ortbilder anbelangt, kann man geteilter Meinung sein. Was mich jedoch überzeugt, ist, wie umsichtig die Firmenlenker ihre Vorhaben jeweils mit der Gemeinde besprechen und auch helfen, das Ortsbild zu prägen. Aus meiner persönlichen Sicht ergänzen sich die modernen Bauten der Firma mit den Gebäuden der Altersresidenz und bilden auf der einen Seite der Hauptstrasse die «Moderne» ab, während auf der anderen Strassenseite die Geschichte des Dorfes mit Giebeldach-Häusern geprägt ist.

Gibt es überhaupt noch Platz, wenn das Unternehmen weiter wächst?

Ich würde die Frage mit «sinnvollen Platz» ergänzen. Platz haben wir sicher noch – da die Firma je länger je mehr kurze Produktionswege einhalten muss. Da wir in regelmässigem Austausch mit der Geschäftsführung sind, können wir langfristig planen und gemeinsam Möglichkeiten ausloten. Mir persönlich ist es ein grosses Anliegen, dass die Firma noch einige Generationen in Täuffelen bleiben und ihre Innovationen in die weite Welt liefern kann.

Ist die Abhängigkeit etwa von den grossen Steuereinnahmen durch die Firma Laubscher ein Klumpenrisiko?

Es gibt sicher Risiken, die nicht zu unterschätzen sind. Zum Beispiel wenn es den Verantwortlichen nicht mehr gelingt, in die «richtigen» Innovationen zu investieren und sie am Kunden vorbei zu produzieren. Wenn die Firma deswegen massiv schrumpfen würde, wären die Gebäude eine leblose Hülle – dieses Risiko schätze ich aktuell jedoch als gering ein. Ich wurde persönlich über die zukünftige Pläne der Firma informiert und bin der Meinung, dass sie auch weiterhin zu den weltbesten Lieferanten für Produzenten in den Branchen Medtech, Uhren und Industrie gehören wird.

Was wünschen Sie der Firma Laubscher für die Zukunft?

Neben erfolgreichen Innovationen und Entscheidungen immer wieder engagierte und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Interview: mha

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