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Ausstellung

«Zu viert in einer Mansarde»

Die Gewerkschaft Unia erinnert in Biel an das einstige Saisonnierstatut. Anlass dafür sind aktuelle Diskussionen rund um die Einführung neuer Zuwanderungskontingente.

Bruno Biferi hat als Saisonnier auf dem Bau gearbeitet. Copyright: Anne-Camille Vaucher/Bieler Tagblatt

An der Ecke Nidaugasse / Dufourstrasse in Biel stossen die Passantinnen und Passanten auf eine kleine Holzbaracke. Drinnen stehen drei Beistellbetten, einige Koffer liegen am Boden, an den Wänden hängen Schwarz-Weiss-Porträts von lächelnden Ehegattinnen. «Es handelt sich um die perfekte Nachbildung einer Wohnung für Saisonniers im 20. Jahrhundert. Klein, düster und schlecht geheizt», erklärt Jesus Fernandez, Regionalsekretär der Gewerkschaft Unia, Biel-Seeland-Biel/Kanton Solothurn.

 

Öffentlichkeit sensibilisieren

Bis am Sonntag führt die Gewerkschaft eine Wanderausstellung rund um die Lebensbedingungen der damaligen Saisonniers durch. Anlässlich der Einweihung am vergangenen Dienstagmorgen veranstalteten die Organisatoren einen Runden Tisch im Freien. Dieser sollte die Öffentlichkeit für den Alltag von Hunderttausenden von Italienern, Spaniern, Portugiesen und Staatsangehö- rigen aus Ex-Jugoslawien sensi-bilisieren, die während einer Saison in der Schweiz angestellt waren.

«Gegen tiefe Löhne mussten diese Menschen alles hinter sich lassen und ein Leben unter unwürdigen Bedingungen akzeptieren. Wir dürfen ihren Leidensweg nicht vergessen», betont Jesus Fernandez.

 

Einwanderungskontrolle

Das 1934 eingeführte Saisonnierstatut wurde im Jahr 2002, nach dem Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit mit der EU, aufge-hoben. Gemäss Unia ist die Problematik des Saisonnierstatuts aber wieder aktuell geworden. Auf diese Weise konnte der Staat damals die ausländische Einwanderung in der Schweiz kontrollieren. Er legte jedes Jahr neue Quoten fest, die dem Bedarf an Arbeitskräften ent-sprachen.

Die Saisonniers, die um ihre Arbeit fürchteten, hatten nie den Mut zu protestieren», stellt Corrado Pardini, Mitglied der Unia-Geschäftsleitung und SP-Nationalrat, fest.

Wie der Lysser erklärt, könnte das Saisonnierstatut in der Schweiz wieder eingeführt werden, nachdem die Masseneinwanderungsinitiative der SVP am 9. Februar 2014 angenommen wurde. «Ende Jahr sollte der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf zur Umsetzung der neuen Initiative unterbreiten. Wenn dieser den Begriff Saisonnier-Arbeit enthält, wie dies die SVP möchte, müssen sich die anderen politischen Parteien unbedingt verbünden, damit der Entwurf abgelehnt wird. Ansonsten könnte sich der Horror vergangener Jahrzehnte wieder- holen.»

 

Am Kongresshaus gebaut

Dieser Ansicht ist auch der eingebürgerte ehemalige Saisonnier Bruno Biferi. Der ausgebildete Maurer kam 1961 aus Italien in die Schweiz. «Ich gelangte 1962 über Zürich und Graubünden nach Biel, wo ich während 45 Jahren auf zahlreichen Baustellen tätig war. So war ich damals auch am Bau des Kongresshauses beteiligt», erinnert er sich voller Stolz.

Bruno Biferi erinnert sich an die schwierigen Lebensbedingungen in Biel. «Anfänglich lebte ich in einer Baracke. Später erlaubte mir mein Arbeitgeber, mich in einer Mansarde oberhalb eines Lagers der Firma einzurichten. Ich lebte mit drei Arbeitskollegen zusammen. Es gab nur ein kleines Fenster und im Winter heizten wir mit Holz.»

 

Die Rechte genommen

Trotz allem erklärt der Bieler, dass er persönlich nicht allzu sehr gelitten habe. «Ich habe eine Schweizerin geheiratet und wir zogen in eine anständige Wohnung. Andere hatten nicht so viel Glück wie ich. Das Saisonnierstatut ist gefährlich, weil den Arbeitskräften damit ihre Rechte vorenthalten bleiben», warnt er.

Ks./rw.

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