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Uhrenbranche

Zurück auf Feld 2012

Die Exporte der Schweizer Uhrenhersteller sind letztes Jahr um 3,3 Prozent gesunken. Sie liegen damit wieder auf dem Niveau von vor vier Jahren.

Die Exporte der Uhrenbranche fliegen tiefer als auch schon – Stimmungsbild vom kürzlichen Uhrensalon SIHH in Genf.  copyright: keystone

Tobias Graden


Die Entwicklung kehrte im zweiten Quartal. Bis dahin hatte es nicht schlecht, ja sogar sehr gut ausgesehen für die Schweizer Uhrenindustrie:In den Monaten Januar bis März stiegen die Uhrenexporte um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Mit dem Minus von 6,8 Prozent im zweiten Quartal reichte es zur Jahresmitte gerade noch für eine Stabilisierung der Exportzahlen (+0,5 Prozent im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum), schliesslich aber drehten die Exportzahlen gänzlich ins Minus. Im letzten Quartal resultierte ein Rückgang um 7,3 Prozent, übers ganze Jahr fielen die Exporte um 3,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Sie betrugen insgesamt 21,5 Milliarden Franken, womit die Branche wieder auf dem Stand des Jahres 2012 ist, wie der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (Fédération Horlogère, FH) gestern mitteilte.


Der Franken, Asien...


Hinter den Zahlen stehen internationale makroökonomische und politische Entwicklungen. Diese haben sich im letzten Jahr nicht eben zugunsten der Schweizer Uhrenhersteller ausgewirkt. Der Verband führt auf:
•Die Überbewertung des Schweizer Frankens: Am 15. Januar beendete die Schweizer Nationalbank ihre Mindestkurspolitik, in der Folge wertete sich der Franken gegenüber dem Euro stark auf – die Hersteller standen vor der Wahl, entweder Preiserhöhungen vor- oder Margenverluste hinzunehmen im Euroraum. Die Hersteller mussten ihre Preispolitik abstimmen, gibt Patrik Schwendimann zu bedenken, auf Luxusgüter spezialisierter Analyst bei der Zürcher Kantonalbank ZKB: «Weil der Euro im Vergleich zum US-Dollar günstiger wurde, wurden vermehrt Uhren im Euroraum gekauft.» Manche Hersteller setzten darum auf Preiserhöhungen in Europa, während sie gleichzeitig im vom US-Dollar abhängigen Raum (etwa Hongkong) die Preise senkten.
•Die «unerwartete Neueinstufung von Hongkong»: Die ehemalige Kronkolonie ist zwar auch heute noch der wichtigste Absatzmarkt, er verlor in den letzten beiden Jahren aber sukzessive an Bedeutung.
•Den wirtschaftlichen Abschwung und die politischen Entscheidungen in China: Das jahrelange rekordhohe Wirtschaftswachstum hat sich 2015 deutlich abgeschwächt, die jüngsten Kursverluste an der Börse, aber auch der Fall des Ölpreises deuten nicht auf eine rasche und klare Wende. Die daraus folgende Abwertung der Währung Yuan verteuerte zudem die Importgüter. Bereits zuvor hatten sich die Entscheide der chinesischen Regierung im Rahmen der Korruptionsbekämpfung nachteilig auf das Luxussegment der Uhrenbranche ausgewirkt. Hinzu kommt laut Analyst Schwendimann, dass die chinesischen Behörden in letzter Zeit mindestens teilweise die Einfuhrkontrollen verschärft hätten:Es ist darum für Chinesen nicht mehr so einfach, andernorts gekaufte Uhren in grösserer Anzahl ohne Steuern einzuführen.
•Die Spannungen im Mittleren Osten und der Terrorismus: Diese Entwicklungen lassen sich nicht direkt in der Exportstatistik ablesen. Jedenfalls nahmen die Exporte in Länder wie das kriegführende Saudiarabien, nach Katar oder Kuweit zu, während sie nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (dem zehntwichtigsten Exportmarkt) abnahmen. Die politische Lage in der Region dürfte aber allgemein die Unsicherheit erhöhen und insofern der Weltwirtschaft und damit auch den Uhrenexporten schaden.
•Der schwache Rubel: Exporte nach Russland haben zwar im Dezember um ganze 42,6 Prozent zugenommen, zum zweiten Mal in Folge fiel aber der Jahresexport um die 30 Prozent. Russland ist nunmehr bloss noch auf dem 20. Platz der Liste der wichtigsten Exportmärkte zu finden.


...und die Smartwatch?


Keine Worte verliert die Fédération Horlogère über den Einfluss der Smartwatches auf die Zahlen der Schweizer Uhrenbranche – doch immerhin war 2015 das Jahr der Markteinführung der Apple Watch. Diese verlief für Apple-Verhältnisse zwar verhalten – ein Blick auf die einzelnen Segmente in der Exportstatistik lässt aber die Vermutung plausibel erscheinen, dass sich Smartwatches (zu denen im weiteren Sinne auch die Fitnessuhren zu zählen sind) auch auf den Absatz von Schweizer Uhren ausgewirkt haben:Das Mittelsegment mit Preisen von 200 bis 500 Franken ab Werk verzeichnete 2015 den stärksten Rückgang. «Mindestens in den USAhaben die Smartwatches einen gewissen Effekt», sagt Patrik Schwendimann, «aufgrund fehlender genauer Zahlen lässt sich dieser aber nur vermuten.»
Es ist das Segment, in dem auch die Swatch Group stark ist, etwa mit der Marke Tissot. Trifft die Vermutung zu, hätte also auch sie unter der neuen Konkurrenz gelitten – genaueres verrät der Uhrenkonzern womöglich bei der bald folgenden Veröffentlichung seiner Zahlen. Dagegen hat sich das Einstiegssegment (Preis ab Werk bis 200 Franken) vergleichsweise gut gehalten. «Die Marke Swatch dürfte gerade in China gut abgeschnitten haben», sagt ZKB-Analyst Schwendimann.


Verhaltener Ausblick


Der Ausblick für 2016 ist unsicher. Die Exporte nach Europa etwa haben sich in den letzten Monaten deutlich verlangsamt, während sich der Kontinent 2015 insgesamt als sehr robust erwies (+6,1 Prozent). Die Angst vor weiteren Terroranschlägen könnte aber die Konsumlust lähmen, sagt Patrik Schwendimann. Hinzu komme, dass durch die attraktiven Preise in den ersten Monaten 2015 bereits einiges «vorausgekauft» worden sei.
Die Zahlen für die USA seien insgesamt etwas enttäuschend, was den ganzen Konsumgütersektor betreffe:«Offenbar trauen dort die Konsumenten den Wirtschaftsdaten noch nicht richtig und erhöhen lieber ihre Sparquote.»
Die wichtigsten Kundengruppen, die für das Wachstum der letzten Jahre verantwortlich waren, sind aber die Konsumenten in Schwellenländern wie China, dem übrigen Asien (ohne Japan), Russland oder im Mittleren Osten. Das Wirtschaftsumfeld in diesen Märkten hat sich verschlechtert, und es ist derzeit unklar, ob es zuerst nochmals schlechter wird, bevor es sich wieder aufhellt.
Und schliesslich lässt sich die weitere Entwicklung der Smartwatches und ihr Einfluss auf die Branche in der Schweiz schwerlich voraussagen. Patrik Schwendimann sagt: «Die nächste Generation Smartwatches wird sicher deutlich verbessert werden, und dies dürfte dann einen etwas stärkeren Einfluss auf die Uhrenbranche haben als heute. Bis jetzt gehe ich unverändert davon aus, dass das Luxussegment nicht betroffen sein wird, aber ein gewisser Unsicherheitsfaktor besteht auch hier.» Auch bei einem stagnierenden Absatz nächstes Jahr rechnet Schwendimann aber nicht mit einem grossen Stellenabbau: «Die Branche wird dies vermeiden wollen. Sie denkt sehr langfristig.»
Der Verband gibt sich jedenfalls äusserst zurückhaltend. Die derzeit bestehende Situation werde sich auch im ersten Halbjahr 2016 auf die Ergebnisse der schweizerischen Uhrenindustrie auswirken, schreibt er, zumal sie mit einem negativen Basiseffekt (gemeint ist der Vergleich mit den positiven ersten Monaten im Jahr 2015) konfrontiert sei: «In der Folge dürften die Uhrenexporte dieses Jahr allenfalls denselben Wert wie im Jahr 2015 erzielen. Dies ist jedoch nicht klar abzuschätzen.»
 

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