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Neue Arbeitsformen

Zusammenarbeit auf Bieler Art

Von «La Werkstadt» zu P15: Am Walserplatz hat sich ein neuer Co-Working-Space in Biel etabliert. Er wird mehr sein als blosse Arbeitsgemeinschaft – und womöglich schon bald expandieren.

DasGründertrio: Marc Wenig, Stéphanie Bürki und Markus Bürgi (v.l.).  zvg

Tobias Graden

Als die von der Swisscom betriebene «La Werkstadt» an der Bahnhofstrasse letzten Dezember ihre Türen schloss, war bei vielen Nutzerinnen und Nutzern – der Community, wie sie sich nennt – die Wehmut gross. In der Zeit des Bestehens von «La Werkstadt» hatte sich nicht nur ein Co-Working-Space etabliert, es hatte sich eine eigentliche Gemeinschaft gebildet. Und dass gerade die Coronakrise den Nutzen gemeinschaftlicher Arbeitssphären aufgezeigt hat, davon sind Marc Wenig, Markus Bürgi und Stéphanie Bürki sowieso überzeugt. Darum führen sieam Westende des Walserplatzes nun P15, den neuen Co-Working-Space, der mehr sein will als das.
Aber beginnen wir von vorn.

Die Idee soll weiterleben
Markus Bürgi war ein Kunde von La Werkstadt. Er führt seit 15 Jahren die Organisation «Klipp und Klar». Diese hat ein 30-köpfiges Team, das Beratung und Coaching anbietet und eine Schule für autistische Kinder betreibt (das BT berichtete). Nach dem Rückzug der Swisscom wollten Wenig, damals Gastgeber in La Werkstadt, und Bürgi die Idee von «La Werkstadt» weiterleben lassen und taten sich zusammen. Das Ziel: Im Erdgeschoss sowie den Geschossen 1 und 2 lebt «La Werkstadt» weiter, die Stockwerke darüber belegt «Klipp und Klar». Bürgis Sozialorganisation hätte so Schulungen, Coaching und Praktikumsplätze am selben Ort anbieten können.
Doch die Liegenschaftseigentümer entschieden sich für eine andere Mieterschaft für das Ladengeschoss. «Dann machten wir eben auf eigene Faust weiter», sagt Bürgi,. der nun die restlichen Stockwerke an der Bahnhofstrasse mietet. Sie befragten die Community und veranstalteten mit dem harten Kern einen Workshop. Der Wille war klar:«Wir betreiben das coolste Working-Café der Stadt.»

Kapital aus der Gemeinschaft
Betritt man nun das P15 im historischen GM-Gebäude an der Johann-Aeberli-Strasse 15, wähnt man sich zu Beginn tatsächlich in einem Café. Mitgründerin Stéphanie Bürki röstet und vertreibt mit ihrem Mann nämlich auch exklusiven Kaffee, den es im neuen Co-Working-Space zu degustieren gibt.
Dass diese früheren GM-Direktionsräume gemietet werden konnten, ist ein Glücksfall: 30 Standorte hatten Wenig und seine Mitstreiter evaluiert, der ideale fand sich dank des Auszugs der Freikirche ICF, die vorher hier logierte.
Bürki, Wenig und Bürgi gründeten letzten Dezember eine Aktiengesellschaft, die künftig auch der Gemeinschaft geöffnet wird. Mit einem Crowdfunding unterstützen auch jene 30 «Founding Members» das Vorhaben, die ihren Jahresbeitrag von nicht ganz 1000 Franken im Voraus bezahlten.

Zahlreiche Projekte geplant
Der neue Ort heisst nun P15, was für «Perron 15» steht und auf den ganz nahen Bahnhof Bezug nimmt. Die Vermietung von Räumen für Externe sowie Einzelarbeitsplätze ist dabei nur der Grundteil des ganzen Projekts.  Zahlreiche weitere Projekte sollen hinzukommen. Eines heisst «La Vitrine»:Regionale Anbieter können ihre Produkte ausstellen oder gar einen «Click&Collect»-Standort betreiben. «Klipp und Klar» findet im P15 Trainingsarbeitsplätze, beispielsweise im Gebäudeunterhalt oder in der Administration. Diese sind gedacht fürJugendliche oder auch für Personen, die nach einem Burn-out wieder in das Erwerbsleben einsteigen – bei der Gemeinschaft, die im P15 arbeitet, können
sie zugleich Kontakte zu möglichen künftigen Arbeitgebern knüpfen.
In eine ähnliche Richtung geht die Idee einer «Matching-Plattform», die Akteure aus verschiedenen Bereichen zu bestimmten Themen zusammenbringen soll. Noch aus «La Werkstadt»-Zeiten stammt die Idee «Brücken bauen» zwischen KMU und Start-ups – nur dass P15 nun auch soziale Institutionen dazunehmen will.
Insgesamt will P15 in den nächsten zwei Jahren 15 Projekte lancieren, alle in den Bereichen Bildung, Umwelt, Nachhaltigkeit und Soziales.

Die Bieler Idee in Zürich
P15 ist also weit mehr als ein herkömmlicher Co-Working-Space, und all diese Zusatzelemente verleiten das Gründungsteam dazu, diesen mit «à la biennoise» zu apostrophieren – P15 ist Co-Working auf Bieler Art. Wobei: Es ist gut möglich, dass es künftig auch in anderen Städten ähnliche Projekte gibt. Eines davon könnte ein ähnlicher Ort in Zürich sein:«Klipp und Klar» ist auch dort aktiv.
Parallel zum stillen Start von P15 ist nun auch der dazugehörige Verein im Aufbau begriffen. Dieser wird für Veranstaltungen in den Bereichen Bildung, Technologie, aber auch Kultur zuständig sein. Das können Lesungen sein, Vorträge, aber auch Kleinkunst-Darbietungen – alle der Öffentlichkeit zugänglich. P15 strebt auch Kooperationen mit dem Swiss Innovation Park und dem künftigen Fachhochschulcampus an.

Vernetzung vor Gewinn
Bislang sind etwas über 60 Personen Mitglied bei P15. Es hat durchaus noch Platz für weitere Interessierte, und diese können auch mittun, ohne dass sie einen fixen Arbeitsplatz mieten. Auch kann P15 bei Bedarf die Zahl der angebotenen Arbeitsplätze – es sind derzeit 60 – ohne grossen Aufwand weiter erhöhen.
Das Wachstum ist dabei nicht einmal in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Mitgründer Markus Bürgi sagtes so: «Da wir nicht gewinnorientiert sind, ist uns vor allem Vernetzung wichtig. Aus dieser heraus entstehen spannende neue Dinge – nicht aus Abgrenzung.»
Link: www.p15.space

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