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Biel

Ein Klangfest für offene Ohren

Roscoe Mitchell, Pascal Auberson, Marc Ribot oder Shabazz Palaces: das Festival «Ear We Are», das am Wochenende in der Alten Juragarage über die Bühne geht, beeindruckt auch dieses Jahr mit spannenden und vielfältigen Klängen.

Am Freitag in Biel zu hören: Die Wort- und Klangarchitekten Shabazz Palaces aus Seattle. Bild: zvg

Rudolf Amstutz

Bereits zum achten Mal wird die Stadt Biel für drei Tage zum Zentrum für improvisierte Musik. Drei Tage lang, an denen sich die Musik losgelöst von zu engen Kleidern, fernab durchgestylter Formate und frei von Etiketten entfalten kann. Das Festival «Ear We Are» ist damit einer jener spannenden, kreativen und überraschenden Anlässe geworden, von denen es mittlerweile immer weniger gibt. Kein Wunder hat sich «Ear We Are» bei Publikum und in der Musikszene längst einen Namen weit über die Landesgrenzen hinaus gemacht.

Und so finden auch dieses Jahr erneut namhafte Musikerinnen und Musiker aus der freien Musikszene den Weg ins Seeland: Saxophonist Roscoe Mitchell, einer der ganz grossen alten Männer des Jazz, wird das Publikum mit einem seiner raren Soloauftritte beehren. Mit dem Gitarristen Keith Rowe und dem Pianisten John Tilbury sind zwei Altmeister der britischen Experimentalszene auf der Bühne der Alten Juragarage vertreten. Maja Ratkje und Lasse Marhaug sowie das Trio The Thing sind Protagonisten der ungemein lebendigen und vielfältigen Szene Skandinaviens. Mit dem Tom-Waits-Hausgitarristen Marc Ribot und seiner Band Ceramic Dog wird auch die ewig junge New Yorker Downtown-Szene nicht fehlen und mit Shabazz Palaces aus Seattle kommt gar der Hip-Hop zu Wort.

 

Das Wort als Ausgangspunkt

Dies ist nur ein Teil des Programms, das in seiner Vielfalt die grenzenlosen Möglichkeiten des Klangs während drei Tagen ausloten wird. Zu verdanken ist die beeindruckende Qualität den Festival-Organisatoren, allen voran den künstlerischen Leitern Hans Koch, Martin Schütz, Christian Müller und Gaudenz Badrutt.

«Wir vier Programmatoren ergänzen uns bestens», sagt Badrutt, der zusammen mit Müller bei der Programmgestaltung vor allem ein Augenmerk auf die zeitgenössische elektronische Szene richtet, während Koch und Schütz ihren Status als weltweit bekannte Protagonisten der freien Szene nutzen. Allen gemeinsam ist die Neugier und die Offenheit gegenüber jeglicher Art von Klang, der sich nicht in eine Schublade pressen lässt.

«Man gibt sich gegenseitig weiter, was man entdeckt hat oder gerne am Festival hören möchte», sagt Koch. So entsteht im unentwegten Austausch langsam ein Bild des Programms. «Und aus der Auswahl heraus, ergibt sich dann die Vision oder der rote Faden», erklärt Badrutt.

Die achte Ausgabe des alle zwei Jahre stattfindenen Festivals steht nun unter dem Zeichen des Wortes, der Sprache. Oder wie es Christian Müller formuliert: «Uns interessiert der Ort, wo das Wort in Klang oder der Klang ins Wort übergeht.» Es ist denn auch kein Zufall, dass eine der ersten Bands, die man verpflichten konnte, Shabazz Palaces war. Die Puristen unter den Hörern improvisierter Musik wird es erstaunen, dass ausgerechnet ein Hip-Hop-Kollektiv sich mitten unter Noise, Elektronik und Jazz begibt. Doch das Duo aus Seattle ist für Martin Schütz das beste Beispiel für einen überraschenden musikalischen Ansatz jenseits enger stilistischer Grenzen. «Das war mir sofort klar, als ich die beiden zum ersten Mal hörte. Der radikale Umgang mit Sounds, dazu diese unglaubliche Lyrik. Ich wusste sofort, dass wir versuchen müssen, das Duo nach Biel zu holen.»

Auch wenn mit Maja Ratkje oder dem Schweizer Pascal Auberson auch andere am «Ear We Are» das Wort als Ausgangspunkt verwenden: Die Sprache ist am «Ear We Are» letztlich auch ein Instrument, um Klänge zu erzeugen. Die zahlreichen Duos auf dem Programm repräsentieren diesen klanglichen Dialog: So trifft Pianist Jacques Demierre auf den Wortarchitekten Vincent Barras und im Falle von Rüdiger Carl und Sven-Åke Johannsson treffen zwei ausserordentliche Klangpoeten aufeinander.

 

Ausstrahlung bis Japan

Die gewaltigen Unterschiede im Umgang mit Klängen wird durch die Programmabfolge noch verstärkt. «Wir haben bewusst extreme Kontraste gesetzt», sagt Badrutt. So findet sich das «Selbstgespräch» Roscoe Mitchells wieder zwischen dem radikalen Free-Jazz-Garagen-Punk von The Thing und den atmosphärischen Noise-Experimenten von Ratkje und Marhaug. «Aber natürlich wissen auch wir nicht, was dann letztlich auf der Bühne geschehen wird», schmunzelt Badrutt.

In der Tat ist das «Ear We Are» ein Klangfest für offene Ohren und findet auch deshalb immer mehr internationale Beachtung. «Dieses Jahr hat sich gar ein Besucher aus Japan einen Festivalpass gekauft», sagt Koch. Es kämen sehr viele Leute nach Biel, nicht um sich einen bestimmten Künstler anzuhören, sondern um sich von der Musik überraschen zu lassen, sagt Badrutt. «In der Tat», meint Christian Müller, «braucht es keine schwere Ausrüstung, sondern bloss Neugier.» Somit sollte das diesjährige «Ear We Are» auch jenen, die dieser Art Musik misstrauisch gegenüber stehen, Grund genug geben, sich auf ein Abenteuer einzulassen, das Samstagnacht fulminant mit Marc Ribot ausklingen wird. Mit einem, wie Schütz meint, «der nicht nur seit Jahren auf unserer Wunschliste war, sondern mit seiner Band Ceramic Dog ein Feuerwerk veranstalten wird, dass das Festival als Ganzes noch einmal auf den Punkt bringen wird.»

 

Das Programm
Das Festival «Ear We Are» findet vom 7. bis 9. Februar in der Alten Juragarage an der Göuffistrasse 18 in Biel statt. Das Programm im Detail:

• Donnerstag, 7. Februar, 20.30 Uhr: The Thing (Nor/Swe), Roscoe Mitchell (USA), Maja Ratkje – Lasse Marhaug (No)

• Freitag, 8. Februar, 20.30 Uhr: Rüdiger Carl – Sven-Åke Johansson (D/Swe), Jacques Demierre – Vincent Barras (CH), Thomas Peter (CH), Shabazz Palaces (USA)

• Samstag, 9. Februar, ab 16 Uhr: Okkyung Lee (Kor/USA), Roman Nowka (CH); ab 20.30 Uhr: Pascal Auberson – Christophe Calpini – Laurent Poget (CH), Rudolf Eb.Er (CH/Jp), Keith Rowe – John Tilbury (UK), Marc Ribot’s Ceramic Dog (USA) Klanginstallationen: Combosition (CH), Thomas Peter (CH).

Info: Reservationen unter:

reservation@earweare.ch

www.earweare.ch