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Notunterkunft

Lieber Bunker als Landluft

Die Asylpolitik hat in den letzten Tagen für Diskussionen gesorgt. In Biel leben Flüchtlinge in Zivilschutzanlagen. Ohne Fenster und Frischluft. Das BT hat sich vor Ort umgesehen.

Die Zivilschutzanlagen in Biel sind gut ausgerüstet. Fernseher können fehlende Fenster jedoch nicht ersetzen. Daniel Teuscher/a

Peter Staub

Der Protest von Asylbewerbern beim Solothurner Hauptbahnhof hat in der ganzen Schweiz Schlagzeilen gemacht. Die Flüchtlinge wehrten sich dagegen, in einer Zivilschutzanlage untergebracht zu werden. Gleichzeitig sorgte das vermeintliche Badi-Verbot für Asylbewerber im aargauischen Bremgarten sogar im Ausland für Aufsehen.

In Biel gibt es zwei Notunterkünfte für Asylbewerber, die in Zivilschutzanlagen eingerichtet sind. Zurzeit leben 136 Flüchtlinge unter Tag. In der Regel ein halbes bis ein ganzes Jahr lang. Diese Anlagen in den Zivilschutzkellern des Berufsbildungszentrums (BBZ) und des Schulhauses Linde werden vom Verein Asyl Biel und Region, ABR, betreut (siehe Infobox). Wie gehen Betroffene mit der ungewöhnlichen Behausung um? Ist gar mit Protesten zu rechnen?

Betreten verboten
Ein erster Augenschein lässt Übles erahnen. Der Eingangsbereich der unterirdischen Anlage wirkt neben dem sonnigen Innenhof des BBZ düster und abweisend. Gleich neben der Eingangstür prangt unübersehbar ein rotes Plakat: «Verbot Aufenthalt auf dem Schulareal». Das Deutsch ist holprig, aber die Weisung unmissverständlich.

Gibt es also in Biel tatsächlich Rayonverbote für Asylbewerber? Roland Meyfarth, Leiter der Notunterkunft Wasen, wie die Anlage offziell heisst, winkt ab: «Rayonverbote kennen wir nicht.» Aber die Leitung des BBZ habe von Anfang an verlangt, dass sich die Asylbewerber nicht auf der Schulanlage aufhalten. Das sei auch kein Problem. Denn sonst können sich die Flüchtlinge bewegen, wo sie wollen. Auch im Strandbad.

Keine Familien mit Kindern
Die Gänge des Bunkers sind zwar farbig gestrichen, dennoch ist es hier alles andere als kuschelig. Trotzdem machen die rund zehn Asylbewerber, die sich trotz des schönen Wetters hier unten aufhalten, keinen unglücklichen Eindruck. Doch die Luft ist feucht und riecht streng. Dafür ist nicht zuletzt die Waschküche verantwortlich.  

Das fehlende Tageslicht in der Anlage erachtet Meyfarth «als nicht ideal». Deshalb werden hier keine Familien mit Kindern und keine Schwangeren untergebracht. Der ABR-Geschäftsleiter pflichtet Meyfarth bei. Als Psychologe weiss Philipp Rentsch, dass der Bunker «für traumatisierte Flüchtlinge» problematisch sein kann. Wer es hier nicht aushält, wird deshalb so schnell wie möglich in einem oberirdischen Zentrum untergebracht.

Proteste gebe es normalerweise nur, wenn Neuankömmlinge realisieren, dass sie in eine unterirdische Anlage geführt werden, sagt Meyfarth. Dann aber merken sie schnell, dass sie hier mitten in der Stadt leben. «Es gibt deshalb viele, die wollen hier gar nicht mehr weg», sagt Meyfarth. Sie würden lieber in den Katakomben der Stadt als in einem Durchgangsheim auf dem Land leben. «Es gibt immer wieder Asylsuchende, die wir nach einer gewissen Zeit geradezu zwingen müssen, in ein oberirdisches Zentrum umzuziehen», ergänzt Rentsch.

Nicht selten kommt es vor, dass Asylbewerber, die in ein reguläres Durchgangszentrum verlegt wurden, darum bitten, wieder in die Zivilschutzanlage zurückkehren zu können, sagt Rentsch. Betroffene sehen das teilweise anders, wie das BT erfuhr (siehe unten).

Damit die Flüchtlinge von der suboptimalen Situation unter Tag abgelenkt werden, können sie in beiden Zivilschutzanlagen im Internet surfen. Oder Tischtennis spielen. Dennoch, die Verhältnisse in den Massenlagern für jeweils 24 Personen sind eng. Privatsphäre gibt es kaum. Solange draussen schönes Wetter herrscht, gibt es tagsüber genügend Möglichkeiten, der Anlage den Rücken zu kehren. «Aber wenn es im Winter eine Woche lang regnet, kommt hier schon schlechte Laune auf», sagt Meyfarth.

Joggen für den Murtenlauf
Damit den Flüchtlingen nicht die Decke auf den Kopf fällt, organisieren die Betreuer der Notunterkunft Linde täglich einen Waldlauf. Dieses Angebot nutzen die Flüchtlinge rege, sagt die stellvertretende Leiterin Deborah von Allmen.

Die Anlagen der Schule Linde dürfen sie nicht betreten. Ausser die Sportplätze, falls diese von niemandem benutzt werden. Dann spielen sie dort regelmässig Fussball. Das ist mit ein Grund, wieso kaum jemand gegen die Unterkunft demonstriert.

«Mir fehlt die Privatsphäre»
Vier Asylbewerber aus vier verschiedenen Ländern haben dem BT Auskunft gegeben, wie sie die Unterkunft im Luftschutzkeller erleben. Da sie in einem laufenden Verfahren stecken, hat ihnen das BT Anonymität zugesagt.

Seydous* Flucht aus Mali in die Schweiz dauerte rund zwei Jahre. Seit acht Monaten lebt er in der Zivilschutzanlage des BBZ. Dass es dort keine Fenster hat, mag er nicht. Und auch die manchmal strengen Gerüche stören ihn. Deshalb wäre er lieber woanders untergebracht. Obwohl ihm Biel gefällt. Den Protest der Asylbewerber in Solothurn kann der 35-Jährige verstehen.

Viel kürzer war die Reise von Samir*: Der 31-Jährige stammt aus Kosovo. Nach einem Monat im Empfangszentrum Basel kam er vor gut einem Jahr nach Biel. Da er gut Deutsch spricht und Zeitungen liest, weiss er, was in Solothurn ablief. Seine Unterkunft gefällt ihm «nicht schlecht». Er sei froh, überhaupt einen Schlafplatz zu haben. Weil er aber «schon so lange im Bunker» lebe, verstehe er den Protest gut. «Mir fehlt hier vor allem die Privatsphäre», sagt er. Obwohl er sich nicht beklagen will, würde er doch lieber über der Erde wohnen. Auch wenn es auf dem Land wäre.

Der Algerier Rafik* ist wortkarg, obwohl er fliessend Französisch spricht. Er ist seit eineinhalb Jahren in der Schweiz. Als Illegaler, der von seinem Heimatland nicht aufgenommen wird, erhält der 28-Jährige bloss Nothilfe. Es gefalle ihm in der Zivilschutzanlage Linde ganz gut, obwohl ihm die Fenster fehlen, sagt er. Von der Demonstration in Solothurn weiss er nichts.

Sehnsüchtig auf einen Platz in einem regulären Durchgangsheim wartet der 27-jährige Jamal*. Er kam mit dem Flugzeug aus Kenia und lebt seit acht Monaten in der Notunterkunft Linde. Ihm fehle vor allem die Frischluft, sagt er in gebrochenem Englisch. Auch er hat von den Protesten in Solothurn nichts gehört. Dann stimmt er von sich aus ein Loblied auf die Betreuerinnen und Betreuer der Notunterkunft an. Dank ihnen sei das Leben im Bunker einigermassen erträglich.
*Name von der Redaktion geändert.

Infobox
Die Betreuung der Flüchtlinge in der Region
• Asyl Biel und Region (ABR) betreut die Asylsuchenden im Seeland, in Biel und im Berner Jura.
• ABR wurde vor elf Jahren als Nachfolgerin des Flüchtlingssekretariats der Stadt Biel gegründet. Es ist ein privater Verein. Mitglieder sind Gemeinden wie Biel, Lyss und Nidau.
• Rund 120 Mitarbeitende betreuen zirka 1800 Asylbewerber und vorläufig Aufgenommene.
• Ausser den Notunterkünften in den Zivilschutzanlagen in Biel betreibt ABR sechs Durchgangszentren in Biel, Büren, Enggistein, Lyss-Kappelen, Reconvilier, Tramelan und das Sachabgabezentrum Eschenhof in Gampelen.
• Wenn Flüchtlinge in der Schweiz ankommen, werden sie zuerst in Empfangszentren einquartiert. Solche gibt es beispielsweise in Vallorbe oder Basel. Von da aus gelangen sie in die Durchgangszentren in den Kantonen. Vorläufig Aufgenommene werden dann in normalen Wohnungen untergebracht.      
 

Kommentare

retogugger

@jost.rindlisbacher. Es wäre richtig, Flüchtlinge aus Syrien vorübergehend in der Schweiz aufzunehmen. Wenn in einem Land auf Frauen und Kinder geschossen wird, dürfen wir die Augen nicht verschliessen.


rowoltz1955

Ich weiss, es interessiert bald niemanden mehr, es wurde schon hundert mal von vielen anderen Kommentatoren erwähnt, aber speziell zu diesem weinerlichen Artikel möchte ich es doch auch noch erwähnen - ich habe meine ganze Rekrutenschule, plus Weiterbildungskurse von 7 Wochen, also 24 Wochen in einer grauen muffigen Zivilschutzanlage verbracht. Und dies ohne Fernseher, Töggelikasten, bunten frisch gestrichenen Wänden und jeglichem Komfort! Weiter mit 25 weiteren Kameraden, mit verschwitzten Kleidern, stinkenden Socken, ohne Schränke Kommoden etc. Liebes BT, glauben Sie mir, ich habe aus diesem Grund, für die "Probleme" dieser "Gäste", nur ein müdes Lächeln übrig!! Uebriegens, hätten wir wir über diese Bedingungen protestiert, wäre die Konsequenz ein paar Tage "Scharfen" gewesen, notabene im gleichen Loch. Komisch da sind weder Linke, noch linke Zeitungen, noch Menschenrechtsgruppen etc. etc. gekommen und haben für uns protestiert! Und glauben Sie mir, wir haben es überlebt. Also was soll dieser deplazierte Artikel Herr Staub?


jost.rindlisbacher

Ja werte intergations freudige politiker. Wir Schweizer Bürger die alle jeden Tag auf die Arbeit sekle und brav die Steurn zahlen, wir haben schon lange die nase gestrichen voll , von den Ausländischen (((( GÄSTEN )))) um es mal anständig zu formilieren. Und diese haben sowiso keinen Anstand. hatte gestern in eine VB Buss wieder mal ein erlebnis , hätte ich es nicht selbst erlebt , würde ich es nicht glauben. Mich nimmt jetzt schon wunder wie viele verfolgte in Kairo und Syrien bald an der Schweizer Grenze anklopfen werden


eggimannb

Ach diese armen armen Asylbewerber, haben alles umsonst und werden von den linken Politiker und der Presse mehr unterstützt als eine Schweizer Familie die in Armut lebt. Wo führt das hin? Liebe Politiker, denkt bitte mal ans eigene Volk, doch das interessiert die Linken wohl nicht..


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