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Festival

«Da kannst du Filme im Kopf sehen»

Ab heute wird Biel zum Zentrum für experimentelle Musik. Die Organisatoren des Festivals «Ear We Are» erklären, warum es sich lohnt, seine Berührungsängste gegenüber improvisierter Musik abzulegen.

Drei Männer im Schnee: Martin Schütz, Gaudenz Badrutt und Hans Koch (von links nach rechts), die Organisatoren des Festivals «Ear We Are», Bild: Peter Samuel Jaggi/bt

Interview: Rudolf Amstutz

Ein Fest der Klänge und Geräusche steht bevor. Jazz, Rock, Freejazz, Noise, Neue und konzeptionelle Musik, Akustik und Elektronik werden ab heute bis Samstag die Alte Juragarage in Biel beschallen. Das Festival «Ear We Are» beeindruckt seit 1999 alle zwei Jahre mit grossen internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Auch heuer sind mit David Murray, Keiji Haino, Joey Baron oder Evan Parker wieder ganz Grosse ihres Fachs mit von der Partie (Programm siehe Infobox). Die nationale Szene ist jedoch einzig durch die Formation Steamboat Switzerland vertreten.

Hans Koch und Gaudenz Badrutt, weshalb ist in diesem Jahr nur eine Formation aus der Schweiz am «Ear We Are» zu hören?
Hans Koch: Sehr viele Schweizer kann man das ganze Jahr über irgendwo live sehen. Am «Ear We Are» kann man Musiker erleben, die ansonsten hier nur selten zu hören sind.

Gaudenz Badrutt: Wir konzentrieren uns halt mehr auf die Programmgestaltung und achten dabei eigentlich weniger auf die Herkunft der Musikerinnen und Musiker. Zudem funktioniert diese Art der Musik weniger auf einem lokalen oder regionalen Level. Es kann durchaus sein, dass man mit Gleichgesinnten aus Skandinavien besser vernetzt ist, als mit Musikern im eigenen Land.

Hans Koch: Das Schöne an diesem Festival ist ja auch, dass wir bei der Gestaltung des Programms niemandem verpflichtet sind ausser unserem eigenen künstlerischen Anspruch.

Gerade im Bereich der experimentellen Musik gibt es immer noch grosse Berührungsängste. Ihr wird Kopflastigkeit vorgeworfen oder es heisst: «Ich verstehe diese Art von Musik nicht.» Wie begegnen Sie solchen Vorurteilen?
Hans Koch: Ich denke, das hat in erster Linie mit uns Schweizern zu tun. Wir haben das Gefühl, dass wir immer alles verstehen müssen. Zu den Zweiflern sage ich: «Natürlich kommst du nicht an dieses Festival, um Melodien zu hören, aber du kannst zu dieser Musik Filme in deinem Kopf sehen, wenn du dich gehen lässt.» Gaudenz Badrutt: Wir haben dieses Jahr die Bezeichnung «Festival für improvisierte Musik» weggelassen. Das Wort Improvisation weckt bei vielen halt immer noch Berührungsängste. Aber eigentlich ist das «Ear We Are» ein Glücksfall, weil das Publikum alle zwei Jahre zahlreich erscheint. Vielleicht hat es auch mit der Alten Juragarage als aussergewöhnlichem Konzertort zu tun. Tatsache ist: Es kommen viele Menschen, um sich auf die Musik, die wir bieten, einzulassen. Es ist also alles andere als ein elitärer Anlass.

Das Festival zeichnet sich meiner Meinung nach auch dadurch aus, dass es in seiner Summe die Vielfalt der Klänge zelebriert und nicht bloss Einzelkonzerte international namhafter Acts aneinanderreiht.
Gaudenz Badrutt: Wir machen uns auch intensiv Gedanken darüber, in welcher Reihenfolge die Acts auftreten, damit sich ein kontrastreiches Spiel daraus ergibt. Die meisten Musiker, die wir anfragen, reservieren sich gleich alle drei Tage und geben uns damit Gelegenheit, den Ablauf in Ruhe planen zu können. Die Programmierung folgt einem klaren künstlerischen Konzept, damit sich am Ende ein grosses Ganzes bildet und manchmal hilft uns dabei auch eine kurzfristige Absage. Hans Koch: Genau. Wir waren lange mit dem Freitag nicht richtig glücklich, weil mit Keiji Haino, Main, Steamboat Switzerland und der Post-Industrial-Rockband Wolf Eyes doch recht Mächtiges, teilweise auch Lautes, vorherrschend war. Nun ist anstelle von Main der filigrane Klangkünstler Philip Jeck dabei, damit kommt das Leise doch noch zum Zug. Und ich freue mich ungemein auf den Donnerstag mit den beiden Saxophonisten David Murray und Steve Lehman, einem ganz Grossen und einem, der die junge Generation vertritt.

Es fällt auf, dass Japan stark vertreten ist. Zufall oder geplant?
Hans Koch: Das hat sich einfach so ergeben. Japan ist ja seit Jahren bekannt für seine experimentelle und freie Szene. Das Frauentrio Nissennenmondai versuchten wir schon vor zwei Jahren zu buchen, von der ausserordentlichen Qualität des Bassisten Morishige Yasumune habe ich mich bei meinen Aufenthalten in Japan immer wieder überzeugen können und der Tausendsassa Keiji Haino ist ja weltweit schon fast eine Kultfigur der Noise-Szene.

Bei früheren Ausgaben war der jeweilige rote Faden, der sich durch das Programm zog, eher ersichtlich als beim jetzigen Festival.
Gaudenz Badrutt: Die Programmierung ist stets ein langwieriger Prozess und oft wird der rote Faden erst gegen Ende ersichtlich. Der rote Faden dieses Jahr sind die stilistischen Haken, die über drei Tage unentwegt geschlagen werden.

Info: Das Programm von "Ear We Are" finden Sie hier.

 

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