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Ehrung

Die reichhaltigen Erinnerungen des Rolf Bloch

Rolf Bloch ist vom Entrepreneur Forum Seeland für sein Lebenswerk geehrt worden. Der ehemalige Direktor von Camille Bloch hat sich stets für Gerechtigkeit eingesetzt.

Rolf Bloch: «Ich konnte niemanden zur Vernunft zwingen, ich war kein Schiedsrichter, ich konnte nur vermitteln.» copyright: Anne-Camille Vaucher/Bieler Tagblatt

von Lotti Teuscher

Was haben Fritz Bösch (Feintool), Ernst Thomke (ehemals ETA) und Rolf Bloch (Camille Bloch) gemeinsam? Richtig, sie sind Unternehmer. Dass es zwischen den drei Männern eine weitere Gemeinsamkeit gibt, ist allerdings erst seit gestern bekannt: Anlässlich des Entrepreneur Forum Seeland 2015 ist Rolf Bloch für sein Lebenswerk geehrt worden. Nach Bösch und Thomke ist er die dritte Persönlichkeit aus der Region, die diese Auszeichnung erhält.

Dies sei eine schöne Überraschung, mit der er nicht gerechnet habe, sagt Rolf Bloch: «Selber legt man sich keine besondere Rechenschaft über sein Lebenswerk ab, zumal dessen Zukunft heute bereits Vergangenheit ist.»

84-jährig ist Rolf Bloch, er sitzt in einem tiefen Lehnsessel und beantwortet konzentriert die Fragen zu seinem Leben. Mal ernst, mal nachdenklich und oft mit feinem Humor. Auf einer Kommode steht eine Vase mit Tulpen, an der Wand eine Bibliothek mit hunderten Büchern, auf dem Tisch eine kleine Schale mit Ragusa-Pralinés.

Er habe die Schokolade von Camille Bloch sehr gerne, probiere zwischendurch aber auch andere, sagt Bloch: «Wobei ich allerdings verpflichtet bin, danach wieder zu Camille Bloch zurückzukehren.» Eine Pendule an der Wand begleitet mit leisem Tick-Tack die Sekunden, die zu Minuten und überraschend schnell zu einer guten Stunde werden.

 

Sinn für Gerechtigkeit

1929 hat Camille Bloch eine kleine Schokoladenmanufaktur in Bern gegründet, kurze Zeit darauf zog der Betrieb nach Courtelary, ein Jahr später kam Rolf Bloch zur Welt. «Es gibt nur wenige, die das Glück haben, in eine Schokoladenfabrikantenfamilie geboren werden», sinniert Rolf Bloch. Als Kind war er froh, dass sein Vater während des Zweiten Weltkriegs Schokolade statt Waffen verkaufte. Als Jude war er sich aber auch bewusst, wie gut es war, in der Schweiz aufzuwachsen: «Wäre ich nur 100 Kilometer entfernt geboren worden, wäre ich vielleicht in Auschwitz gestorben.»

Das Wissen um die Gräuel des Zweiten Weltkrieges weckte in Rolf Bloch einen starken Gerechtigkeitssinn: Er studierte Staatsrecht, seine Dissertation schrieb er zu den individuellen Freiheits- und Menschenrechten. Themen, die ihm bis heute Herzen liegen.

Camille Bloch hatte indessen andere Pläne für seinen Sohn, und das zu einer Zeit, als sich die Söhne den Wünschen ihrer Väter beugten. 1970 trat Rolf Bloch in die Schokoladenfabrik ein, «aber zum Glück nicht als Chocolatier.» Denn als solcher, dessen ist er sicher, hätte er die Qualität gesenkt.

 

«Neumodisches» eingeführt

Er lernte alles, was es zu wissen gab über Kakao, in London besuchte er die Kakaobörse. Später, während eines Besuchs in New York, erkannte Rolf Bloch, was Werbung kann: «Für uns war dies damals etwas Neumodisches.» Die 20 000 Kunden von Camille Bloch wurden zu dieser Zeit persönlich besucht. Erst mit dem Einführen der Werbung änderte sich dies.

Während der Ära von Rolf Bloch wurde das weltweit erste Liqueur-Praliné erfunden, das ohne Zuckerkruste auskam. Aber natürlich waren nicht alle Neuheiten ein Erfolg, es gab auch Fiaskos. Dazu gehörte das Müesli mit Schockoladestücklein oder die kalorienarme Schokolade. Zwar isst ein Drittel der Bevölkerung, aus Angst zuzunehmen, keine Schokolade. Die kalorienreduzierte Schokolade wurde deshalb zwar gekauft - aber in der Regel nur einmal. Danach griff die Kundschaft wieder zum klassischen Ragusa oder Torino.

Eines war Rolf Bloch immer wichtig: Dass seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zufrieden zur Arbeit kamen. «Denn egal, ob sie im Büro oder in der Fabrikation arbeiten, unter der Woche verbringen sie einen Drittel ihrer Zeit am Arbeitsplatz.»

Wie heute sein Sohn Daniel Bloch ging auch Rolf Bloch regelmässig durch sein Unternehmen und sprach seine Mitarbeiter an; der Dialog, sagt er, sei wichtig und trage zum Wohlbefinden aller bei.

 

Vermittler zwischen Fronten

1997 trat er aus dem operativen Geschäft zurück, im Jahr 2006 gab Rolf Bloch auch sein Mandat als Verwaltungsratspräsident ab. Den Dialog hingegen führte er weiter. Noch im gleichen Jahr wurde er von Bundesrat Josef Deiss gebeten, zwischen den Mitarbeitern und der Direktion des Buntmetallverarbeiters Swissmetal zu vermitteln: Nach mehrmaligen Stellenabbau war die Belegschaft in Reconvilier den längsten Streit der neueren Zeit getreten, die Fronten waren verhärtet.

Oder, wie Rolf Bloch sagt: «Direktion und Mitarbeiter hatten sich in Schützengräben verschanzt, jeder bombardierte den anderen.» Eine Mediation durchzuführen, erwies sich als schwierig: «Da waren zwei Konzepte, zwei Firmen, eine im Berner Jura, die andere in Basel, mit zwei verschiedenen Mentalitäten. Ich konnte niemanden zur Vernunft zwingen, ich war kein Schiedsrichter, sondern konnte nur versuchen zu vermitteln.»

Dass die Mitarbeiter den Streik nach mehreren Wochen beendeten, könnte Rolf Bloch als Erfolg verbuchen. Das tut er aber nicht: «Die einen sagen, die Mediation sei erfolgreich gewesen. Ich sage, sie war es nicht.» Als Niederlage empfand Rolf Bloch die Mediation dennoch nicht. Am wichtigsten war für ihn, zumindest versucht zu haben, zwischen den Parteien zu vermitteln.

Die Wintersonne scheint schräg durch das Fenster in das kleine Wohnzimmer. Rolf Bloch und seine Frau leben in einem Quartier in Muri, in dem sich Villen an Herrschaftshäuser reihen, gross und imposant. Dazwischen befindet sich ein bescheidenes Mehrfamilienhaus, wohl irgendwann in den 60er- oder 70er-Jahren gebaut, ohne Zierrat, mit einem kleinen Garten davor. «Wenn es mir wohl ist, muss ich es nicht besser haben», sagt der Unternehmer. Er müsse nicht die Nummer eins sein, und er brauche keine Boni.

 

Vertreter der Minderheiten

Gefragt nach dem Grund seiner Bescheidenheit, sagt Rolf Bloch, er sei immer ein Vertreter von Minderheiten gewesen. Als Berner Fabrikant im Jura, als Deutschschweizer in der Romandie, als Jude in der christlich geprägten Schweiz. Er ist einer, der sich zwischen den Kulturen bewegt. Und wann immer nötig vermittelt.

So gilt er als Förderer des christlich-jüdischen Dialogs. 1998 verlieh ihm das Babson College in Boston die Ehrendoktorwürde, auch die Christkatholische Fakultät der Universität Bern verlieh ihm diesen Titel. 2001 erhielt Rolf Bloch den Fischhof-Preis, der von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und der Gesellschaft für Minderheiten in der Schweiz vergeben wird.

Joseph Deiss war zudem nicht der erste Bundesrat, der Rolf Bloch gerufen hat, als es zu einer Krise kam: 1997 ernannte ihn Bundesrat Arnold Koller zum Präsidenten des Schweizer Spezialfonds zugunsten bedürftiger Opfer des Holocaust. Rolf Bloch gehörte auch der Schweizer Delegation an der Londoner Konferenz über das Nazi-Raubgold an und war im Jahr 2000 Vizepräsident des European Council of Jewish Communities.

Seine Motivation? Es ist das Thema, das Rolf Blochs Wirken sein Leben lang geprägt hat: Gerechtigkeit. «Aus mir wäre nie ein Winkeladvokat geworden», sagt Rolf Bloch, er schmunzelt.

«Man kann die Zukunft nicht voraussagen. Man weiss erst, wo der Zug hinfährt, wenn die Weichen gestellt sind»: Dies ist ein Lebensmotto von Rolf Bloch. Seine Ämter hat er nie gesucht, er hat sich nie gemeldet, es waren immer die anderen, die nach ihm gerufen haben. Seine Einstellung scheint die richtige zu sein: «Ich hatte ein interessantes Leben», sagt Rolf Bloch, während er sich verabschiedet.

«Engagement und Fairness»

Während Jahrzehnten hatte Dario Kuster, ehemaliger Präsident des Verbandes Chocosuisse, engen Kontakt zu Rolf Bloch. Meist beruflich, aber oft trafen sie sich auch privat, um um über die staatspolitische Situation der Schweiz, Europas und der Welt zu diskutieren: «Rolf Bloch ist eine sehr überlegte Persönlichkeit, und einer, der ausgewogene Urteile trifft. Er ist ein Mensch, der sich Gedanken macht, die weit über seinen Alltag hinausgehen. Er war immer bereit, etwas für die Gesellschaft zu tun und zu vermitteln. Wenn er vom Vortand um etwas gebeten wurde, dann hat Rolf Bloch nie Nein gesagt. Obwohl man ihn sehr oft gefragt hat! Die Übergabe von Camille Bloch an seinen Sohn Daniel hat er sehr gut gemacht. Dies, obwohl viele glaubten, dass ihm das nicht leicht fallen würde.»

Als Rolf Bloch im Jahr 2001 den Fischerhofpreis erhielt, wurden seine Verdienste in der Laudatio wie folgt beschrieben: «Der Grundsatz von Herrn Dr. Rolf Bloch in der Holocaust-Debatte war: Gerechtigkeit für die Opfer und Fairness für die Schweiz. Er verstand es in der schwierigen Zeit dieser Verhandlungen und der politisch angespannten Atmosphäre, immer wieder den richtigen Weg zu finden, um die divergierenden Interessen im Sinn und Geist dieses Grundsatzes zu vereinen. So hat Rolf Bloch für das Ziel, die Opfer zu entschädigen, eine grosse und schwierige Aufgabe mit Einfühlungsvermögen, Diplomatie und grossem Engagement zu einem guten Ende geführt und durch sein Verhandlungsgeschick und seine Fairness entscheidend mitgeholfen, den inneren Frieden für die Schweizer Bevölkerung zu wahren.»

Eine Würdigung

• Der Preis für das Entrepreneur Lebenswerk wird für nachhaltiges Unternehmertum verliehen.

• Ausschlaggebend ist, dass der Lebensabschnitt als Unternehmer abgeschlossen ist. Zudem muss der Unternehmer aus der Region Seeland oder Berner Jura stammen oder mehrheitlich in der Region gewirkt haben.

• Mit dem Lebenswerkpreis werden das Lebenswerk und die vollbrachten Leistungen der Unternehmerpersönlichkeit gewürdigt. Verliehen wird der Preis vom Entrepreneur Forum Seeland.

 

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