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Gemeinsam im Zelt, die Nerven blank

Zuerst der Schock, dann die Erlösung: Im grossen schwarzen Public Viewing Zelt vor dem «Cecil» haben gestern gut 200 Fans das 2. EM-Spiel der Schweizer Nati erlebt und zeigten vor allem in der Schlussphase Nerven.

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Janosch Szabo

«Ich hoffe, die Schweizer gewinnen», sagt Marcel Béguelin, «aber dafür müssen sie nun richtig aufdrehen». Der Mann aus Delémont hat sich von der Arbeit kommend gerade mit einem Kollegen auf ein Glas Rotwein im Public Viewing Zelt auf dem Guisan-Platz hingesetzt. Auf 2:1 tippt er das Resultat der bevorstehenden Partie gegen Rumänien.

Roland Itten von der Café Bar Cecil, der das ganze Public Viewing für 35 000 Franken und nun schon zum dritten Mal seit der EM 2012 hat stellen lassen, ist als Fussbalfan auch vor Ort (das BT berichtete). Bis jetzt sei das Zelt mit Ausnahme von ein, zwei Partien immer gut besetzt gewesen, sagt er, und macht kein Geheimnis daraus, dass sich der ganze Spass durchaus rechnet: «Die Einnahmen kommen gerade recht. Sie kompensieren unsere wetterbedingten Ausfälle vom Mai und Juni.» Trotzdem: «Ohne Sponsoren ginge es nicht.» Itten hat denn auch für die unterstützenden Firmen extra ein Podest mit Sitzplätzen in sein Zelt gestellt und bewirtet via einem Caterer 450 angemeldete Gäste während der ganzen EM.

Alle wissen es besser

Unten in der Menge riecht es nach Bier und Kebap. Der Anpfiff ist erfolgt. Alle starren auf den Bildschirm: Männer, Frauen, Kinder, die wenigsten mit Fan-Accessoirs. Viele sind wohl Gelegenheits-Fussballfans, wie üblich an Grossturnieren. Das Mitfiebern ist ansteckend. Und das Fachsimpeln erst! Man könnte meinen, das ganze Zelt ist voller Fussballexperten. Die einen drücken das eher theatralisch aus mit Kopfschütteln, Hände verwerfen und dergleichen, die anderen mit scharfzüngigen Kommentaren wie «dä söu gschider d’Auge zuemache, wenn er schiesst». Gemeint ist Haris Seferovic, als er zum wiederholten Mal eine Groschance vergibt. «Das Gute», meint SRF-Kommentator Sascha Ruefer: «Die Schweizer erarbeiten sich Chancen.»

Dann der Schock. Captain Lichtsteiner zupft im eigenen Strafraum an einem Gegenspieler, der Schiri gibt Penalty, niemand reklamiert, Stancu trifft für Rumänien, Stille im Zelt, lange Gesichter. In der Pause ziehen manche weiter, andere kommen dazu. Die Stimmung bleibt gedrückt. Mehmedi ändert das mit seinem Knaller in der 56. Minute innert Sekunden. Explosionsartiger Jubel erfüllt das Zelt vor dem «Cecil», Pfiffe, Schreie – eine Riesenerlösung.

Gereizte Schlussphase

«Ein Hammertor», freut sich Daniel Ritter, der die erste Halbzeit noch auf dem Hundemätteli in Nidau gesehen hat und jetzt findet «hier ist es perfekt.» Mit dem Ausgleich erst recht. Aber er will, wie alle, mehr und fordert drum: «bringet dr Embolo, dä richtets.» Wenige Minuten später wird Stürmer Breel Embolo eingewechselt und setzt tatsächlich Akzente. Eine spannende Schlussphase beginnt. Die Schweizer vergeben weiter Chancen. Die Fans im Zelt reagieren nun vermehrt gereizt. Jede «falsche» Bewegung wird kommentiert, die Nerven liegen blank. «Was isch das?», entfährt es einer jungen Frau. Vereinzelt hört man Fluchwörter. Doch alles nützt nichts. Es bleibt beim Unentschieden.

Manche gehen sofort, andere applaudieren und bleiben noch ein wenig. «Ich bin froh, dass sie einen Punkt geholt haben», sagt Frank Baumann aus Ipsach. Er ist zum ersten Mal in diesem Public Viewing Zelt und findet es gut organisiert. Noch besser gefallen würde ihm die Ambiance, wenn es richtig eng wäre.

Auch Marcel Béguelin, der mittlerweile mit seinem Kollegen zum Bier übergegangen ist, sieht bei der Stimmung im Publikum noch Steigerungspotential. Dass nach dem Torjubel kurzum wieder Ruhe herrschte, hat ihn erstaunt. Wobei: Wie soll der Knoten bei den Fans platzen, wenn die Spieler nicht richtig begeistern? Vielleicht entfacht ja das nächste Spiel Euphorie.

Stichwörter: Public Viewing, Fussball, Euro

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