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Feintool

Grosse Investitionen in den Wandel

Der Lysser Technologiekonzern rechnet mit Wachstum in den nächsten Jahren, getrieben durch die Trends bei Verbrennungsmotoren. Feintool bereitet sich aber auch auf die Elektromobilität vor.

Das Schuler-Werk in Tianjin nahe Peking: 2014 gegründet, jetzt im Besitz von Feintool.  zvg

Tobias Graden

Es war in den letzten Jahren wie ein Ritual an den Feintool-Bilanzkonferenzen: Ein Analyst oder ein Journalist fragte, wie die Führung des Automobilzulieferers die Entwicklung der Elektromobilität einschätzte. Darauf zog der Verwaltungsratspräsident oder der CEO eine Studie hervor, die besagte, dass der Marktanteil weiterhin verschwindend klein sei, und das Thema schien erledigt.
Gestern lief das etwas anders ab. Die Grafiken sehen zwar immer noch ähnlich aus, auf ihnen ist der Marktanteil reiner Elektrofahrzeuge auch in einigen Jahren noch eine äusserst kleine Fläche. Doch zwei Dinge haben sich geändert. Erstens:Verwaltungsratspräsident Alexander von Witzleben griff das Thema von sich aus gleich zu Beginn seiner Ausführungen auf. Zweitens: Er stellte zwar fest, dass der herkömmliche Verbrennungsmotor den Markt bis 2021 klar dominiere und der Elektromotor nur in «homöopathischen Dosen» auftrete – er warf aber auch die Frage auf:«Was ist 2025, 2030?»

Ausweitung der Palette
Wer wie Feintool einerseits die Feinschneid- und Umformtechnologie weiterentwickelt und anderseits (und dies zum überwiegenden Teil) vom Verkauf von Teilen in die Autoindustrie abhängig ist, dessen Investitionsentscheide müssen einige Jahre am Markt bestehen können. Sollten reine Elektroautos ab einem gewissen Punkt exponentiell Verbreitung finden, hätte Feintool ein Problem:Ein grosser Teil ihrer Komponenten findet im Antriebsstrang von Verbrennungsmotoren Verwendung. Wie der neue CEOBruno Malinek aufzeigte, arbeitet Feintool darum am «Ausbau der Kompetenz als Entwicklungspartner für neue Anwendungen»:Die Technik des Feinschneidens kann zum Beispiel für Bipolarplatten in Brennstoffzellen zur Anwendung kommen, für Steckverbindungen bei E- und Hybridantrieben, bei Lamellenträgern oder Radträgerplatten – alles Komponenten, die nicht dem Antriebsstrang zuzurechnen sind. Vermehrt will Feintool auch nicht nur einzelne Teile liefern, sondern zum eigentlichen Systemlieferanten werden, beispielsweise für Baugruppen für Elektroanwendungen.
Von Witzleben machte zudem klar:Das mittelfristige Ziel, auf 800 Millionen Franken Umsatz jährlich zu kommen, soll auch mit Zukäufen realisiert werden. Und da würden auch Firmen in Frage kommen, welche die Feintool-Kompetenzen in Richtung Elektromobilität erweiterten. Vorerst aber werde der reine Elektroantrieb noch ein Nischendasein fristen. Nach wie vor sei der Knackpunkt Batterie nicht gelöst: Die Energiedichte sei zu gering, die Lade-Infrastruktur noch lange nicht massentauglich ausgebaut, und je nach Energiemix eines Landes seien die Emissionen eines Elektroautos nicht geringer als die eines Benziners – in Deutschland «tankt» man vornehmlich Kohlestrom.

Neue Standorte
Feintool sieht sich jedenfalls weiterhin gut aufgestellt, um den internationalen Trends im nach wie vor wachsenden Automarkt gewachsen zu sein, als da sind:Gewichtsreduktion, Verkleinerung der Motoren, Plattformstrategien und Fahrassistenztechnologien bis hin zu autonomem Fahren – letzteres ist nur mit Automatikgetrieben möglich, und diese benötigen viele Feintool-Teile.
Auch was die Produktionsstandorte betrifft, ist Ausweitung angesagt. «Um weitere Niedriglohnstandorte kommt man nicht herum», sagt Alexander von Witzleben – CEO Malinek nennt sie «Best-cost-Standorte», da nicht die tiefstmöglichen Kosten entscheidend sind, sondern etwa auch die Qualität des zugelieferten Stahls. In Tschechien hat Feintool 100000 Quadratmeter Land gekauft, 50 Kilometer vom nächstgelegenen deutschen Standort entfernt, und wird dort eine neue Fabrik bauen. In China konnte sie ein eben erst gebautes Umformwerk von Schuler erwerben. Gemäss von Witzleben habe der Anlagenbauer Schuler mal ausprobiert, wie es gehe, ein Teilewerk zu betreiben, dann aber gemerkt, «dass es klüger ist, nicht die eigenen Kunden zu konkurrenzieren».

Weiter hohe Investitionen
Nicht zuletzt dieses neue chinesische Werk soll in den nächsten Jahren viel neuen Umsatz bringen. In China erwartet Feintool auf absehbare Zeit ein jährliches Wachstum im Geschäft mit Getriebeteilen von 45 Prozent. Mit weiterhin hohen Investitionen will Feintool zudem die Technologieführer- und damit auch die Marktführerschaft halten. Das Ziel:So investieren, wie es mögliche Konkurrenten gar nicht können. Die Folge: «Die grossen Kunden kommen nicht um uns herum», sagt Alexander von Witzleben.
Die gestern präsentierten Zahlen sind die besten in der Firmengeschichte von Feintool. Läuft alles so, wie die Lysser sich das vorstellen, sind sie bald Geschichte. So sagt der Verwaltungsratspräsident:«Ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren hervorragende Aussichten haben.»

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