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Maschinenindustrie

Die ehemalige HTT verschwindet aus Biel

Die L. Kellenberger & Co. AG verlegt ihre Fabrikation von Biel nach Studen. Das Gebäude im Bözingenfeld war für das Unternehmen zuletzt schlicht zu gross. Die allermeisten Arbeitsplätze bleiben erhalten.

Der neue Standort: An die Büetigenstrasse 80 in Studen wird L. Kellenberger & Co. das Systemgeschäft verfolgen. zvg

von Tobias Graden

 

Biel verliert 80 Arbeitsplätze – Studen gewinnt 80 Arbeitsplätze. So liesse sich in aller Kürze beschreiben, was gestern Morgen an einer Pressekonferenz in Studen bekannt gegeben worden ist. Die Schleifmaschinenspezialistin L. Kellenberger & Co. AG verlegt den Grossteil ihrer Tätigkeiten am Bieler Standort nach Studen. Dort zieht sie in den Gebäudekomplex an der Büetigenstrasse 80, wo derzeit noch die Firmen Atlas Copco und Gleason Pfauter logieren. Es werden Flächen frei, weil der Platz für den Verzahnungsspezialisten Gleason Pfauter zu eng geworden ist. Das Unternehmen zieht in einen Neubau in unmittelbarer Nähe (das BT berichtete).

 

Wechselvolle Geschichte
Der Grund für den Wegzug ist relativ simpel. Die bisherigen Räumlichkeiten an der Mohnstrasse im Bözingenfeld sind für die Firma Kellenberger schlicht zu gross geworden – oder anders gesagt: Sie benötigt nicht mehr die selbe Fläche, die sie einst belegt hat. Während das Gebäude in Biel 6800 Quadratmeter Nutzfläche bietet, wird Kellenberger in Studen bloss noch 1580 Quadratmeter Montage- und zusätzlich etwas Bürofläche benötigen. Damit verbunden ist die Auslagerung einzelner Tätigkeiten an den Kellenberger-Sitz in St. Gallen.

Um den Schritt einordnen zu können, ist ein Blick in die Geschichte des Unternehmens nötig. Der Bieler Standort der L. Kellenberger &Co. AGbesteht im Wesentlichen aus der früheren HTT. Kellenberger hat diese im Jahr 2000 übernommen (Kellenberger seinerseits ist seit 1995 Teil der US-amerikanischen Hardinge Gruppe). Die HTTwar ihrerseits ein Fusionsprodukt aus den Firmen Hauser, Tripet und Teilen von Tschudin, die 1994 zusammengeschlossen wurden. Per 1. Januar 2008 wurde dann die HTTmit der L. Kellenberger & Co. AGzusammengeführt. Der Name HTTverschwand, Hauser, Tripet und Tschudin existieren im Hause Kellenberger aber weiterhin als Marken. Die Fusion in der zweiten Hälfte der Nullerjahre verlief nicht ohne Nebengeräusche (das BT berichtete). Schon damals wurden einzelne Bereiche nach St. Gallen überführt. Gemäss damaligen Auskünften arbeiteten am Bieler Standort im April 2007 187 Personen. Die Belegschaft wurde reduziert, ein Teil der Mitarbeiter verliess die Firma von sich aus.

 

Entwicklung bleibt im Seeland
Heute arbeiten bei Kellenberger in Biel 80 Personen. Diese Arbeitsplätze werden nach gestrigen Angaben zum grössten Teil erhalten bleiben. Acht Stellen würden zwar von Biel nach St. Gallen transferiert, sagt Franz Müller, Standortverantwortlicher in Biel. Den Mitarbeitern seien Arbeitsplätze in der Ostschweiz angeboten worden.

In Studen, wo Kellenberger am 1. April nächsten Jahres den Betrieb aufnehmen wird, will man aber nicht mit 72, sondern auch mit 80 Personen starten. «Wir sehen Chancen für Wachstum, wenn das Systemgeschäft wächst», so Müller. Verbunden mit dem Umzug ist nämlich die Strategie des Aufbaus eines Kompetenzzentrums am neuen Standort.

Grob gesagt: Standardmaschinen werden in St. Gallen montiert, das Systemgeschäft dagegen in Studen konzentriert. Im Systemgeschäft werden ganze Anlagen gebaut, die als einzelne Bestandteile aber auch Standardmaschinen enthalten. Die Entwicklungsabteilung verbleibt denn auch im Seeland. Aufgelöst wird dagegen das Lager in Biel, respektive «ausgemistet», wie Urs Baumgartner sagt, der CEO von Kellenberger und Vice President Grinding im Mutterhaus. Was noch gebraucht wird, zügelt nach St. Gallen.

 

Arthur Waser hat gekauft
Eingefädelt hat den Umzug der Bieler Immobilienverwalter Ulrich Roth. Anfang des Jahres habe die Kellenberger AG bei ihm angeklopft, um Gebäude und Grundstück in Biel bewerten zu lassen. Es gehört nämlich auch zur Strategie von Kellenberger, die Liegenschaften nicht mehr zu besitzen, sondern als Mieter zu nutzen. Am 22. September erfolgte dann die Vertragsunterzeichnung für die jetzt präsentierte Lösung.

Gebäude und Grundstück im Bözingenfeld hat ein Schweizer Investor gekauft, er wird es am 1. Juni übernehmen können. Es handelt sich dabei um die Arthur-Waser-Gruppe, die in Biel bereits mehrere Immobilien besitzt, sowohl in der Industrie als auch in der Innenstadt. So gehören ihr beispielsweise die meisten Häuser am Neumarktplatz. In einem Teil des Gebäudes im Bözingenfeld soll ein Gewerbepark entstehen.

Die Stadt Biel war auch im Kontakt mit Kellenberger, um die Parzelle übernehmen zu können. Mit dem direkten Bahnanschluss, der Nähe zur Autobahn, dem bestehenden Gebäude und der Landreserve sei das Grundstück für künftige Projekte strategisch sehr interessant, sagt Thomas Gfeller, Delegierter für Wirtschaft der Stadt Biel. Er bedauert zwar den Wegzug von Kellenberger aus Biel, erachtet es aber als positiv, dass die Arbeitsplätze in der Region verblieben.

 

Vom Wachstum überzeugt
Mittelfristig rechnet denn CEO Urs Baumgartner auch mit Wachstum im Systemgeschäft. «Wenn wir davon nicht überzeugt wären, hätten wir gleich alles nach St. Gallen zügeln können», sagt er. Die Fläche in Studen bietet eine gewisse Reserve, und durch die Spezialisierung sollen die Durchlaufzeiten pro gefertigte Maschine deutlich sinken.

Anders gesagt: Die Produktion von derzeit etwa 30 Maschinen pro Jahr wird nicht geringer, benötigt aber weniger Raum, aber mindestens gleich viele Mitarbeiter. Baumgartner sagt es so:«Wir wollen nicht einfach umziehen, sondern auch unsere Abläufe optimieren.»



 

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