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Trotz fortgeschrittener Pläne: TCS gibt Biel einen Korb

Der Touring Club Schweiz verzichtet darauf, 300 Arbeitsplätze nach Biel zu zügeln – er hat sich nachJahren der Planung gegen einen Neubau hinter dem Bahnhof entschieden. Das sei zwar nicht erfreulich, aber auch kein Rückschlag, findet Stadtpräsident Erich Fehr.

Das X-Project wird wie geplant gezügelt. copyright:petersamueljaggi/bielertagblatt

Lino Schaeren


DreiJahre ist es her, seit die frohe Botschaft verkündet wurde: Der Touring Club Schweiz (TCS) prüfte Biel als Standort für sein neues Dienstleistungszentrum. Grund: Das Gebäude in Schönbühl, das vomTCS seit 1995 in einem Mieterverhältnis genutzt wird, genügte den Ansprüchen nicht mehr. Biel mit seiner zentralen Lage auf der Sprachgrenze werde als attraktives neues Zuhause gesehen. Ein Neubau hinter dem Hauptbahnhof in Biel, für den der TCS zwischen 25 und 30 Millionen Franken zu investieren bereit gewesen wäre, hätte die Ansiedlung von weiteren 300 neuen Arbeitsplätzen für die Stadt bedeutet. Nun allerdings hat der Touring Club seine Immobilienstrategie geändert und der Stadt Biel eine Absage erteilt.

Den Entscheid gegen den Standort Biel hat die TCS-Geschäftsleitung bereits im September getroffen. Kommuniziert wurde er allerdings nie. Bis dahin hatte der TCS in Betracht gezogen, sein Dienstleistungszentrum an dem Standort zu realisieren, wo heute das X-Project zuhause ist. Dort wären maximal 8500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche möglich gewesen, der TCS hätte vorerst 7000 benötigt. TCS-Mediensprecher David Venetz verweist auf Anfrage darauf, dass ein Neubau in Biel «eine Option unter mehreren» gewesen sei, die Geschäftsleitung habe aber schliesslich entschieden, «gänzlich auf einen Neubau zu verzichten».

Das neue Standortkonzept sieht vor, dass die administrativen Aktivitäten des TCS an zwei Hauptstandorten zusammengefasst werden. Venetz teilt schriftlich mit, dass neben dem Hauptsitz in Vernier nun ein Mietobjekt im Raum Bern für den deutschschweizer Standort evaluiert werde. Biel ist also vom Tisch. Das kommt insofern etwas überraschend, als dass der TCS das Projekt in Biel schon weit vorangetrieben hatte.


Kein finanzieller Schaden
Sein Interesse am Bieler Grundstück, welches der Stadt gehört, hatte der Touring Club 2014 angemeldet. Nach den Trümpfen der Bieler Lösung befragt, nannte der damalige TCS-Generaldirektor Stephan Grötzinger – ein Bieler – die Zweisprachigkeit und die gute verkehrstechnische Erschliessung. Der gesetzlich vorgeschriebene Architekturwettbewerb wurde auf Einladung im Jahr 2015 durchgeführt, die Kosten dafür trug der TCS. «Wir setzen alles daran, mit dem Resultat des Architekturwettbewerbs dem Verwaltungsrat des TCS ein Projekt präsentieren zu können, das ihn überzeugt», sagte Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) 2014.  EinSiegerprojekt lag letztlich vor, es haben auch weitere Abstimmungen zwischen TCSund Stadt stattgefunden. Zu einem erfolgreichen Abschluss kam es aber nicht, das Siegerprojekt des renommierten Bieler Architekturbüros Kistler Vogt wurde nie öffentlich präsentiert.

Finanzielle Schäden hinterlässt die TCS-Kehrtwende für die Stadt allerdings nicht, sie hatte sich lediglich mit personellenRessourcen am Wettbewerbsverfahren beteiligt. Die TCS hingegen hat durchaus Geld investiert – für Wettbewerb und Projektentwicklung dürfte ein Betrag im sechsstelligenBereich ausgegeben worden sein. Das Projekt in Biel versenkt hat der TCSunter neuer Führung, Grötzinger wurde im Sommer 2016 durch Jürg Wittwer als Generaldirektor abgelöst.


Überlebt das Siegerprojekt?
Zum Standortentscheid des TCSgegen Biel sagt Fehr, dass dieser «selbstverständlich nicht erfreulich» sei, jedoch auch kein Rückschlag. Man werde auf der betroffenen Parzelle «eher früher als später etwas realisieren», das direkt hinter dem Bieler Bahnhof gelegene Grundstück dürfte nach wie vor gefragt sein. Fehr betont allerdings auch, dass die Stadt durchaus klare Vorstellungen habe, was auf demGelände realisiert werden soll – und was eben auch nicht. «Wir wollen keinen Immobilienentwickler auf dieser Parzelle, das ist ganz klar.» Der Fokus liege darauf, Arbeitsplätze nach Biel zu holen – wie dies die Ansiedlung des Dienstleistungszentrums des TCS getan hätte.

Der ganze Verhandlungsprozess mit möglichen Investoren wird nun also wieder von vorne beginnen. Oder doch nicht ganz? Es wäre wohl möglich, dass das Siegerprojekt des TCS nicht für immer in der Schublade verschwindet. Da der Touring Club die alleinigen Rechte an diesem hält, könnte er dieses veräussern. Vielleicht wird also künftig eine andere Unternehmung die Parzelle hinter dem Bieler Bahnhof mit dem Projekt des TCS bebauen, sollten sich die Infrastrukturansprüche einigermassen decken.

Das hätte für den Touring Club den Vorteil, dass das verlorene Geld zumindest zu einem Teil wieder zurückgewonnen werden könnte. Für denNachfolger auf der Parzelle würde der Wegfall eines neuen Wettbewerbsverfahrens vor allem einen erheblichen Zeitgewinn bedeuten. «Tatsächlich müsste man die rechtliche Situation um eine allfällige Weitergabe der Pläne eingehender abklären», schreibt Venetz, «solche Abklärungen waren bislang aber noch nicht erforderlich, denn bis heute haben wir keine Kenntnis von einem Interessenten für diese Pläne.»

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X-Project: Umzugspläne ändern nicht
Nichts ändert die Absage des TCS an den Plänen der Stadt, das X-Project an einem neuen Standort unterzubringen. Dieses sollte zwar eigentlich bereits Anfang 2017 in das ehemalige Gebäude des Energie Service Biel (ESB) an den Rennweg 62 umziehen, das Vorhaben wurde durch die Stadt aber verzögert. Weil sich die Pläne am Rennweg geändert haben. Ursprünglich wollte die Stadt die zwingend nötigen Umbauarbeiten selber an die Hand nehmen. Heute aber zieht die Verwaltung eine Abgabe der Liegenschaft an einen privaten Investor vor.
Beat Bommer, Liegenschaftsverwalter der Stadt Biel, sagt, dass inzwischen ein Investor gefunden sei, der die Sanierung umsetzen wolle. Bevor die Verträge unterzeichnet sind, will die Stadt den Investor aber noch nicht nennen. Plan ist, das Gebäude im Baurecht abzutreten mit der Auflage der Unterbringung des X-Projects und der Erstellung eines Anbaus für die Kletter- und die Skaterhalle. Man arbeite daran, die Verträge bis Ende Jahr im Trockenen zu haben, sagt Bommer, danach wird zuerst der Gemeinderat und danach der Stadtrat über die Baurechtsabgabe befinden. Der Einzug des X-Projects am neuen Standort sei aus heutiger Sicht im Sommer 2019 realistisch.

Die Politik jedenfalls will den Umzugsprozess nicht verlangsamen, nur weil aktuell kein konkretes Projekt für die Parzelle beim Bahnhof mehr vorliegt. Dass das X-Project am heutigen Standort längerfristig grundsätzlich keine Zukunft hat, ist nicht neu: Die Liegenschaft hinter dem Bahnhof liegt im Entwicklungsgebiet des Masterplans und muss ohnehin irgendwann einer neuen Nutzung weichen.

Mit dem regen Interesse des TCS am Grundstück hinter dem Bahnhof entschied sich die Stadt Biel aber in den Jahren 2014 und 2015 für ein proaktives Vorgehen, «um zusammen mit dem Verein X-Project und weiteren Partnern andere Gebäude in der Stadt Biel als neuen Standort zu evaluieren», wie die Stadt im März 2016 mitteilte. Daran wird nun offenbar auch ohne TCS festgehalten. lsg

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