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Festival

Kraftvolle Rückkehr

Nach einer mehrjährigen kreativen Pause macht das Musikfestival Usinesonore diesen Mai und Juni in La Neuveville Station. Nun haben die Organisatoren das Programm der sechsten Ausgabe vorgestellt.

Zohra tourt durch die Welt: 35 junge Frauen aus Afghanistan wehren sich gegen die Verbannung der Musik durch die Taliban - im Juni kommen sie nach Neuenstadt. Bild: zvg

Adrian Vulic/pl


Der Verein Usinesonore wurde 2006 von zwei Liebhabern zeitgenössischer Musik, Julien Annoni und Olivier Membrez, gegründet. Usinesonore organisiert musikalische Anlässe, bei welchen auch eigene Werke aufgeführt werden. Dabei hat die Vermittlung neuer Klangwelten an ein erweitertes Publikum – zum Beispiel an Schulklassen – einen hohen Stellenwert. Der Name Usinesonore bedeutet zu Deutsch etwa «klingende Fabrik». Das kommt nicht von ungefähr, denn die Organisation ist in der alten Fabrik von Schaublin in Bévilard entstanden. Vor zwei Jahren wurde die Liegenschaft abgerissen, aber der Verein fand inzwischen neue Räumlichkeiten in einem ehemaligen Industriegebäude im Bieler Gurzelenquartier.


In der Regel alle zwei Jahre
Das Festival Usinesonore findet in der Regel alle zwei Jahre statt. Trotz des grossen Publikumserfolgs früherer Ausgaben musste die Auflage von 2016 ausfallen. Umso grösser war die Neugier der Liebhaber von Usinesonore, als die beiden Ko-Leiter Julien Annoni und Olivier Membrez das Programm für 2018 verkündeten.

Und tatsächlich bleibt der Anlass seinem künstlerischen Anspruch treu, nämlich wiederum verblüffend und ungewöhnlich zu sein. Abermals soll das Publikum auf anregende Weise aus der Einförmigkeit des passiven Genusses heraus gelockt werden.

«Als wir unsere alte Fabrik in Bévilard verlassen mussten, hatten wir uns Gedanken zur künftigen Gestaltung des Festivals und zu unserer Verankerung im Berner Jura gemacht», erklärte Olivier Membrez anlässlich der Vorstellung des Programms. «Die diesjährige Ausgabe von Usinesonore ist ein weiteres Mal der Entdeckung gewidmet: Sie richtet sich an ein neugieriges Publikum, welches Lust darauf hat, Musik unter allen möglichen Gesichtspunkten zu entdecken. Die einzelnen Darbietungen werden von höchster Qualität sein», so der Ko-Leiter. Die sechste Ausgabe des Festivals findet vom 26. Mai bis zum 2. Juni in La Neuveville statt. Die verschiedenen Aufführungen werden im gesamten Städtchen durchgeführt. Sogar die St. Petersinsel wird zum Konzertort.


Fünf Tage, fünf Themen
Die Organisatoren von Usinesonore haben fünf Thementage mit unterschiedlichen Eigenschaften gewählt: «geniesserisch», «astronomisch», «mechanisch», «auf dem See» und «orientalisch».

Auf den ersten Blick mögen diese Attribute nicht viel mit Musik zu tun haben. Schaut man sich aber die verschiedenen Veranstaltungen genauer an, dann erschliesst sich sehr wohl ein Bezug zur Tonwelt. Experten aus ganz unterschiedlichen Disziplinen werden erstaunliche musikalische Brücken zu den fünf Themen des Festivals schlagen. Unter diesen Akteuren finden sich Köche, Schriftsteller oder Schauspieler. Sogar ein Astrophysiker ist dabei. Alle werden in Begleitung von Sängern und Instrumentalisten auftreten und auf diese Weise ganz unerwartete Facetten der Tonkunst greifbar machen. Das Programm des Festivals tönt vielversprechend, und doch bleibt es in gewisser Weise rätselhaft. Offensichtlich wollen die Veranstalter noch nicht alle Geheimnisse lüften. Das Publikum darf weiterhin gespannt sein.


Überraschung und Emotionen
Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Personen am Festival Usinesonore teilnehmen werden. Zweifellos wird sich ein grosser Teil der Bevölkerung von La Neuveville den Festlichkeiten anschliessen. Vor allem die Kinder von «Klein-Monaco» sind diesmal im wahrsten Sinn des Wortes tonangebend: Unter dem Motto «Das grosse Festmahl der Einwohnerinnen und Einwohner von La Neuveville» werden sie den Gästen ihr mittelalterliches Städtchen vorstellen.

An diesem Projekt haben 320 Schülerinnen und Schüler während eines ganzen Jahres gearbeitet und sechs Rundgänge durch Neuenstadt geschaffen. Die Besucher erhalten zur Begleitung einen Audioguide, auf welchem die Kinder Geschichten, Musikstücke, Gesänge und mysteriöse Geräusche aufgezeichnet haben. Eine poetische Art und Weise, die alten Mauern des malerischen Städtchens zu entdecken.


Das schwimmende Klavier
Besonders spannungsvoll dürfte sich der «astronomische» Tag gestalten: Hier werden Naturwissenschaft, Poesie und Musik eine erstaunliche Verbindung eingehen. «Wir haben das Musikstück ‹Das Schwarze des Sterns› von Gérard Grisey als Anstoss für die Gestaltung dieses Tages gewählt. Das Tempo der Musik ist den pulsierenden Radiosignalen eines extrem kompakten Neutronensterns nachempfunden», erklärte Julien Annoni anlässlich der Programmvorstellung.

Ein weiterer Höhepunkt des Festivals wird der «Tag auf dem See» werden. Das Publikum geht an Bord eines Schiffes und fährt zu einem musikalischen Spaziergang auf der St. Petersinsel. Neben vielen Überraschungen wartet auch eine Komposition für ein schwimmendes Klavier.

Unter dem Tagesthema «orientalisch» haben die Veranstalter ein besonders bewegendes Ereignis vorbereitet, nämlich den Auftritt des 35-köpfigen Jugendorchesters Zohra. Es handelt sich um das erste weibliche Ensemble in der Geschichte von Afghanistan – einem Land, wo den Frauen das Musizieren zumindest inoffiziell verboten ist. Mit ihren Auftritten wehren sich diese jungen Frauen im Alter von 12 bis 24 Jahren in unerschrockener Weise gegen die Verdammung der Musik durch die Taliban.  Die Einladung des Frauenorchesters war für die Veranstalter mit vielen Hürden verbunden, denn die Schweiz unterhält in Afghanistan keine diplomatische Vertretung, erklärte Olivier Membrez.

Das aussergewöhnliche Programm der diesjährigen Ausgabe des Festivals zeugt vom beachtenswerten Weg, den die Veranstalter von Usinesonore seit der Gründung des Vereins vor über einem Jahrzehnt gemacht haben.

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Das Programm auf einen Blick

Samstag, 26. Mai  («geniesserisch»),10 Uhr: «Das grosse Festmahl der Einwohner von La Neuveville» (Erstaufführung). 19 Uhr: «Die kulinarische Dissonanz» (Performance), Emmanuel Giraud teilt dabei die Gäste in «Götter» und «Sterbliche» auf.
Mittwoch, 30. Mai («astronomisch»)16.30 und 17.30 Uhr: «Den Kopf in den Sternen» (Vermittlung von Wissen für Kinder und Familien), Richard-Emmanuel Eastes. 19 Uhr: «Der Gesang der Sterne» (Vortrag), Jean-Pierre Luminet. 20.30 Uhr: «Das Schwarze des Sterns»(Konzert), WE Spoke.
Donnerstag, 31. Mai («mechanisch») 20 Uhr: «Das Glashaus» (Operette in sieben Akten); gleich anschliessend: Parcours (Konzert), Jean-Pierre Drouet.
Freitag, 1. Juni («auf dem See») 19.30 Uhr: Schifffahrt zur St. Petersinsel. Musikalischer Spaziergang – schwimmendes Klavier, Olivier Messiaen, Catalogue d’Oiseaux (Auszüge).
Samstag, 2. Juni («orientalisch») 18 Uhr: «Rebel Beats» (live kommentierter, mit Klängen und Musik untermalter Film) Verein Norient. 20.30 Uhr: Zohra (Konzert), Afghanisches Frauenorchester.
Tickets und Reservierungen ab sofort über www.festival.usinesonore.ch; wem die Navigation auf der Site zu umständlich ist, erhält die Billete auch bei Jura-bernois Tourisme (Auskunft über die Verkaufsstellen: Tel. 032 494 53 43). Achtung: Bei einigen Veranstaltungen ist die Teilnehmerzahl beschränkt. Wer sicher sein möchte, einen Platz zu finden, sollte sich frühzeitig anmelden. av/pl

Link: www.usinesonore-festival.ch

 

Stichwörter: Festival, Neuenstadt, Zohra

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