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Lengnau

«Very good», lobt der oberste Chef

Gestern hat der CEO von CSL Limited die neue Fabrik von CSL Behring in Lengnau besucht. Paul Perreault zeigte sich beeindruckt, auch wenn er die eigentlichen Produktionsanlagen erst virtuell begutachten konnte. Wie sehr er auf jedes Detail achtet, zeigte sich zum Schluss.

Paul Perreault besichtigt den neuen Standort von CSL Behring in Lengnau. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt

Tobias Graden

Als der damalige US-Präsident John F. Kennedy sich bei einem Besuch bei der Nasa über den Stand des Mondfahrtprogramms erkundigte, fragte er einen Mann, der akribisch den Boden putzte,  was er hier tue. Der Mann antwortete:«Ich helfe dabei, einen Menschen auf den Mond zu schicken.»
Was diese Anekdote mit dem Neubau von CSL Behring in Lengnau zu tun hat? Das sollte sich am gestrigen Morgen ganz am Ende des Rundgangs durch die grosse Fabrik zeigen.
An diesem Tag ist nämlich Paul Perreault zu Besuch, Chief Executive Officer und Managing Director von CSL Limited, kurz:der oberste Chef jenes Konzerns, der gerade daran ist, in Lengnau einen neuen Produktionsstandort zu bauen, der fast so gross ist wie das ganze umliegende Industriegebiet.

Golfer mit trockenem Humor
Perreaults Rundgang beginnt virtuell: Eigens für den Besuch ist eine 3-D-Animation entwickelt worden, die das Durchstreifen der Räumlichkeiten im ausgebauten Zustand ermöglicht. Und weil Paul Perreault gerne Golf spielt, ist der Cursor, dem sein Blick in der Augmented-Reality-Brille folgt, als Golfball gestaltet.
Raschen Schrittes geht es sodann real durch die verschiedenen Gebäude der so genannten CSL Behring Recombinant Facility AG. An jeder Station erklären die zuständigen Verantwortlichen den Stand der Dinge. Perreault erweist sich als aufmerksamer und kritischer Zuhörer, aber auch als Mann mit trockenem Humor. Im Gebäude A ist es wegen Planungsdifferenzen im Bereich der Kantine zu Verzögerungen gekommen, doch man versichert, das komme nicht wieder vor. «Well, that would be fine», antwortet Perreault: Nun, das wäre gut.
Rasch wird es überaus technisch und fachspezifisch. Im Mittelgeschoss des Administrativgebäudes wird die Qualitätskontrolle ihren Sitz haben. Noch sind die Räume leer, doch Perreault studiert die Pläne, wo welche Labore ihren Platz haben werden, für die chemische, die biochemische und mikrobiologische Qualitätskontrolle. In der Abteilung Forschung und Entwicklung fragt Perreault nach: Der Prozess, von dem die beiden Leiterinnen eben erzählt hätten, werde ja bereits angewandt. Ob denn die technischen Geräte heute anders seien? Im Prinzip nicht, heisst es, doch in Lengnau erfolge alles in einem anderen, nämlich viel grösseren Massstab, die Kapazität sei ungleich höher. «Very good», kommentiert der Chef.

Unzählige Rohre
Im Produktionsbereich dominiert derzeit noch der weite, leere Raum. Doch die Bioreaktoren, die hier zu stehen kommen und in denen aus Zellkulturen Proteine für die Medikamente gewonnen werden, werden sich über mehrere Stockwerke erstrecken – der CEO sieht es wiederum in 3-D auf einem Tablet: «Very good!»
Bis zu 12500 Liter fassen diese Bioreaktoren, die Tanks, wo die Proteine abgeschöpft werden, gar 14000 Liter. Dann wird stark konzentriert: Am Schluss resultieren daraus zwölf Liter des Produkts. Die grossen Behälter werden derzeit in Frankreich und Schweden gefertigt, der ganze Prozess wird dereinst hoch automatisiert vonstatten gehen. «Very good!», lobt der oberste Chef.
Eine weitere Animation wird Perreault im Gebäude, in dem das vollautomatische Lager zu stehen kommt, gezeigt. Darin ist viel Bewegung zu sehen – aber kein einziger Mensch. Autonome Kleinfahrzeuge transportieren die Chargen hin und her. Das Ziel:Im «Spine», dem unterirdischen Mittelgang, der alle Gebäude miteinander verbindet, sollen sich möglichst wenig Menschen aufhalten. Das verringert das Risiko eines Zwischenfalls und erhöht die Sicherheit. «Excellent», sagt Perreault.
Eine Ahnung, warum die Investitionen in Lengnau eine Milliarde Franken erreichen werden, erhält der Besucher in jenem Gebäude, in dem Strom sowie das Prozesswasser und der Dampf bereitgestellt wird. Hier ist der Ausbau bereits in vollem Gange, unzählige Rohre sind installiert. 300000 Liter Dampf werden pro Stunde erzeugt, das Sprinklersystem kann 5000 Liter pro Minute bereitstellen, alles wird pausenlos überwacht und entspricht dem Minergie-Standard. «Very impressive» sei das, meint Perreault, «fantastic».
Am Schluss wird Perreault gebeten, seine Unterschrift auf ein Plakat mit den Namen der obersten Verantwortlichen und ihrem Bekenntnis zu höchsten Sicherheitsstandards zu setzen. Perreault unterschreibt – mahnt aber zuvor die Anwesenden, beim Treppensteigen stets den Handlauf zu benützen. Es ist also wie beim Mondfahrtprogramm: Auf jedes kleine Detail kommt es an.

 

 

«Das Team macht einen sehr guten Job»

CSL-CEO Paul Perreault zeigt sich beeindruckt von der Fabrik in Lengnau. Was da entstehe, sei eine Inspiration für andere Standorte in der ganzen Welt.

Paul Perrault, welchen Eindruck haben Sie vom neuen Standort Lengnau?
Paul Perreault: Es ist ein extrem beeindruckender Standort. Diese Dimensionen zu sehen, das ist schon eindrücklich. Aber es ist nicht nur die Grösse allein: Was wir hier in punkto Automatisierung anstreben, ist schier unbeschreiblich. Wenn man bedenkt, in welch kurzer Zeit all das entsteht, muss man sagen:Das Team hier macht einen sehr guten Job.

Wann waren Sie das letzte Mal hier?
Im Jahr 2015. Da war erst ein grosses Loch im Boden. Hier wird sehr gute Arbeit geleistet, auch in der Zusammenarbeit mit den örtlichen Partnern.

Wie wichtig ist Lengnau für den Gesamtkonzern?
Wir haben bereits andere Biotech-Produktionsstätten, aber jene in Lengnau ist die erste und grösste, die voll integriert sein wird. Sie dient dazu, neuartige innovative Medikamente für die Patienten in der ganze Welt herzustellen.

Ist Lengnau also eine Inspiration für andere Standorte von CSL Behring?
Lengnau ist nicht nur eine Inspiration, sondern ein Leader, was neue Technologien und Innovationen betrifft. Wir können für andere Standorte von Lengnau lernen.

Es gab ja durchaus Verzögerungen in der Vergangenheit, vor allem wegen Einsprachen. Sind Sie gleichwohl nach wie vor überzeugt, die richtige Standortwahl getroffen zu haben?
Ja. Es stand nie zur Diskussion, diesen Entscheid in Frage zu stellen. Jeder Neubau dieser Grösse sieht sich mit Schwierigkeiten konfrontiert. In der Schweiz lassen solche Herausforderungen in geordneten Verfahren meistern.

Die Schweiz ist aber auch bekannt für hohe Kosten.
Aber auch für hohe Qualität! Man kriegt, wofür man bezahlt.

Interview:Tobias Graden

 

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