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So tickt Biel, wenns um den Westast geht

Das offizielle Westastprojekt, die Alternative, gar keine Umfahrung: Die BT-Umfrage zeigt, wo die Menschen aus der Region bei der Frage um die geplante Autobahnumfahrung wirklich stehen. Dabei bietet sich ein überraschend klares Bild.

Symbolbild: Keystone
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Deborah Balmer 

Genau 1000 Personen aus Biel und den Gemeinden Nidau, Port, Ipsach, Brügg und Orpund haben bei der Befragung mitgemacht: Sie haben ihre Meinung zu dem Thema geäussert, das derzeit nicht nur die politischen Diskussionen prägt, sondern auch Gespräche in der Familie und unter Freunden – und das auch die nächsten Jahre noch tun wird. Der geplante Westast, die Alternativvariante «Westast so besser» oder die Möglichkeit, dass im Westen Biels gar keine Autobahn gebaut wird, beschäftigt die Bevölkerung.

Die unabhängige und repräsentative BT-Umfrage zeichnet ein klares Bild der Stimmung in der Region: Sie zeigt deutlich, dass der Alternativvorschlag zum Westast mehrheitsfähig wäre, wenn heute darüber abgestimmt würde. 49 Prozent aller Befragten geben an, dass ihnen von den drei Varianten diese am nächsten steht.

Die Umfrage zeigt gleichzeitig, dass der Westast eher umstritten ist, nur etwa jeder Fünfte nennt das offizielle Bauprojekt als seine favorisierte Lösung. 16 Prozent der Befragten würden einen vollständigen Verzicht auf die Westumfahrung den zwei anderen Möglichkeiten vorziehen. 14 Prozent antworteten auf die Frage, ob ihnen das offizielle Projekt oder «Westast so besser» oder doch der komplette Verzicht näher steht, mit «weiss nicht/keine Angabe». Wenn man also diejenigen weglässt, die keine Meinung haben, wird der Anteil jener, die die Alternative vorziehen, sogar zu einer absoluten Mehrheit.

Käme die Frage nach einer A5-Autobahnumfahrung gerade heute doch vors Volk, hätte die Alternative eine gute Chance, angenommen zu werden. Und diese Zustimmung geht durch die gesamte Bevölkerung: So unterstützen zwar etwas mehr Frauen als Männer «Westast so besser», doch der Unterschied zwischen Mann und Frau ist statistisch nicht signifikant. Etwas höher ist die Unterstützung für den Vorschlag «Westast so besser» ab der Altersgruppe der 35-Jährigen im Vergleich zur jüngsten Altersgruppe. Auch fällt die Wahl für die Alternative nicht massgebend anders aus, ob jemand beruflich Auto fährt oder ausschliesslich privat Autofahrer ist. Nur wer gar nicht Auto fährt, spricht sich noch deutlicher für die Alternative aus. Anders als erwartet sind auch Bewohner aus Nidau, Port, Brügg und Orpund mit einer relativen Mehrheit für die Alternative (48 Prozent).

Geht es um das offizielle Bauprojekt, den geplanten Westast, erhält dieses aber wesentlich mehr Zuspruch aus diesen Gemeinden als aus Biel. Mehr als doppelt so viel Zuspruch bekommt der Westast von Männern (29 Prozent) als von Frauen (14 Prozent) und am häufigsten nannten die 35- bis 54-Jährige diese Variante als die ihnen am nächsten stehende. Und beim geplanten Westast spielt es dann tatsächlich auch eine Rolle, ob man Auto fährt oder nicht: Nur kleine 7 Prozent der Nichtautonutzer unterstützen das offizielle Bauprojekt.


Verlagerung Verkehr auf Autobahn
Wo sehen die Befragten die Vorteile des offiziellen Projekts? Auf diese Frage antwortete in der BT-Umfrage jeder Dritte mit: Er sehe gar keine Vorteile im geplanten Westast. Vier Spuren, Anschlüsse in der Stadt, Finanzierung durch Bund/Kanton gesichert, einfachere Umleitung bei Unfällen, neue Erholungsgebiete in den Weidteilen und der Ländtestrasse (in der Grafik unter anderes) gehören zu der Reihe an Gründen, die laut den Befragten für den offiziellen Westast sprechen. Das am häufigsten genannte Argument (22 Prozent) ist aber die Verlagerung des Verkehrs auf die Autobahn. Nur leicht mehr als die Hälfte davon (12 Prozent) nennt bei dieser Frage die vier Spuren und die höhere Kapazität auf der Strasse als Plus. Und geringe 8 Prozent geben als Vorteil die Anschlüsse in der Stadt an. Auch wer sich grundsätzlich für die Alternative ausspricht (fast 50 Prozent), nennt in 15 Prozent der Fälle die Verlagerung des Verkehrs auf die Autobahn noch als Vorteil des ursprünglichen Projekts. Das zeigt, dass die Fronten nicht eindeutig sind; man wägt ab und verschliesst sich gegenüber anderen Lösungen nicht vollständig. Verkehrstechnische Argumente wie die höhere Betriebssicherheit (kein Gegenverkehr) zählen für wenige als Argument (5 Prozent).


Lebensqualität wichtiger als Geld
Auf die Fragen nach den Vorteilen von «Westast so besser» wurden zahlreiche Antworten oft gegeben (im zweistelligen Prozentbereich): Weniger Eingriffe ins Stadtbild (29 Prozent), keine oder weniger Bäume und Häuser, die verschwinden, kein Staub beim Bau (13 Prozent) sind nur einige davon. Es sind alles Gründe, die etwas mit der Lebensqualität zu haben: Zurückzuführen ist dies wohl auf die verschiedenen Kampagnen, die die Westast-Kritiker in jüngster Vergangenheit lancierten.

Die tieferen Baukosten werden von 10 Prozent der Befragten als Positivpunkt genannt. Etwas, was auch der Kanton Bern im Faktencheck der beiden Varianten angab: Die Alternative würde weniger kosten als das geplante Projekt. Doch viele gewichten die Lebensqualität höher als das Geld. Immerhin 13 Prozent der Befragten, die grundsätzlich für den geplanten Westast sind, sagen, dass «Westast so besser» weniger Eingriffe ins Stadtbild zur Folge hätte (das zeigt die detaillierte Auswertung der Umfrage). Auch hier wird klar: Die Bevölkerung wägt durchaus ab.

Und wie sieht es mit denjenigen aus, die vollständig auf eine Autobahn verzichten möchten? Eine absolute Mehrheit (54 Prozent) sagt, dass dieser Verzicht keinen Vorteil hat. Doch immerhin 16 Prozent finden, dass diese Lösung gut wäre, weil dann alles so bleibe, wie es ist. Andere nennen als Vorteil, dass keine Kosten entstehen (11 Prozent) oder Biel dank dem Ostast schon genug verkehrsbefreit sei (5 Prozent). Sogar 26 Prozent von denjenigen, die einen Verzicht wollen, sind der Meinung, dass dies keinen Vorteil bringe, was wieder die detaillierte Aufschlüsselung deutlich macht. Gut möglich, dass es darunter Leute gibt, die insgeheim noch auf eine weitere Lösung hoffen, die bisher noch gar nicht im Gespräch war.


Welche der drei Lösungen steht Ihnen persönlich am nächsten?



Info: Auf die Frage, ob sie schon einmal vom A5-Westast gehört haben, antworteten in der Umfrage 83 Prozent oder 833 von 1000 Personen mit Ja.
Grafik BT/ta/ml Quelle: Demoscope


Wo sehen Sie die Vorteile des offiziellen Projekts?


Wo sehen Sie die Vorteile der Alternative ?


Wo sehen Sie die Vorteile bei einem vollständigen Verzicht?


 

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Nachgefragt

«Zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen»

Werner Reimann, Senior Research Consultat, Demoscope

Das Meinungsforschungsinstitut Demoscope aus Adligenswil hat im Oktober telefonisch 1000 Personen in der Stadt Biel und in umliegenden Gemeinden befragt. Der Verantwortliche Werner Reimann sagt, auf was man bei dieser Befragung speziell achten musste.


Werner Reimann, was war für Sie das Überraschende an den Resultaten der Westast-Erhebung?
Werner Reimann: Das ist vor allem das Ergebnis zur Frage, welche der drei Lösungen man präferiert. Sehr viele Leute haben sich dabei für die Alternative ausgesprochen: 49 Prozent aller Befragten ist eine sehr hohe Zahl. Diese Deutlichkeit hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Vor allem, weil in Biel und der Region ja eine sehr lange Zeit nur von der bisherigen Linienführung die Rede war. Dass die Alternative nach einer so kurzen Zeitspanne für so viele eine gute Lösung ist, ist deshalb für mich sehr erstaunlich und überraschend.


Gibt es etwas, auf das Sie bei Demoscope bei der Befragung zum Westast speziell geachtet haben?
Besonders war die Tatsache, dass es nicht einfach nur darum ging, ob man für oder gegen eine bestimmte politische Vorlage ist, wie das sonst oft der Fall ist. Bei dieser Befragung ging es um das bisherige Projekt, um den Alternativvorschlag und die Möglichkeit, dass nichts von beidem gebaut wird. Es waren also drei Optionen nebeneinander, zu denen wir Fragen stellten. Es wäre falsch gewesen, wenn man etwas davon einfach ausgelassen hätte. Im Übrigen haben wir nichts anders gemacht als bei anderen politischen Befragungen und uns an die Vorgaben unseres Branchenverbandes gehalten.


Die Befragung hat übers Telefon stattgefunden. Wurden den Befragten bei den Fragen zu den Vorteilen, die die verschiedenen Projekte in ihren Augen haben, von den Anrufern konkrete Antworten vorgeschlagen?
Nein, wir stellten unsere Frage. Etwa: Was sind aus ihrer Sicht die Vorteile des offiziellen Projekts? Dann haben die Leute von sich aus gesagt, wie sie darüber denken. Dabei war es auch immer möglich, auf eine Frage mehrere Antworten zu geben. Unsere Befragerinnen und Befrager haben dann die Aussagen den Antwortmöglichkeiten zugeordnet, die sie auf ihrem Bildschirm eingeblendet hatten. Sie konnten allenfalls auch zusätzlich Stichworte notieren, wenn die Aussage der befragten Person in keine der vorhandenen Antwortkategorien passte.


Sie haben 1000 Leute befragt. Ist die Stichprobe gross genug, um daraus Schlüsse zu ziehen?
Die Repräsentativität hängt nicht von der Grösse der Stichprobe ab, sondern wie die Stichprobe gezogen und wie befragt wird. Wie es sich gehört, haben wir aus dem elektronischen Telefonbuch aus dem Befragungsgebiet eine Zufallsstichprobe von Privathaushalten gezogen und da die Leute telefonisch kontaktiert. Die Ergebnisse haben wir nach der Bevölkerungsstruktur und der Parteiaffinität gewichtet, um das Anliegen der Repräsentativität noch besser einlösen zu können. Die Resultate sind plausibel und aussagekräftig.


Trotzdem handelt es sich doch um eine Momentaufnahme?
Das stimmt natürlich. Es handelt sich dabei um eine Momentaufnahme und nicht um eine Prognose. Wenn es also eines Tages doch noch zu einer Abstimmung um den Westast käme, haben wir nun nicht das Abstimmungsresultat vorausgesagt. Diesen politischen Entscheid können und wollen wir nicht vorwegnehmen.


Was sagen Sie jemandem, der nicht glaubt, dass die vorliegenden Resultate wirklich die Stimmung der Bevölkerung zeichnen?
Das ist natürlich keine Glaubensfrage. Wir versuchen immer, die Wahrheit abzubilden, und sind überzeugt, dass wir auch bei der Westastbefragung eine faire und saubere Befragung durchgeführt haben. Unser Vorteil ist sicher, dass wir keine eigenen Interessen in dieser Sache haben, also neutral sind. Mit diesen Ergebnissen möchten wir zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Alle können ersehen, welche Argumente bei welcher Lösung wie stark ins Gewicht fallen. Es ist nun an den verschiedenen Interessensgruppen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Interview: Deborah Balmer


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Die Methode
Das Meinungsforschungs-Institut Demoscope (Adligenswil) befragte vom 17. bis 30. Oktober für die Gassmann Medien telefonisch insgesamt 1000 in der Stadt Biel sowie den umliegenden Gemeinden Nidau, Port, Ipsach, Brügg und Orpund wohnhafte Personen ab 15 Jahren. Zur Sicherstellung der Repräsentativität wurden zufällig ausgewählte Privathaushalte kontaktiert, und die Antworten wurden anschliessend auf die Bevölkerungsstruktur und die Parteiaffinität gewichtet. – Die Messgenauigkeit beträgt für die gesamte Stichprobe +/-3.1 Prozentpunkte.

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