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Freihandel

Grosse Ziele, wenig Ertrag

Entgegen der landläufigen Meinung hat der abtretende Bundesrat Johann Schneider-Ammann ausser dem Abkommen mit China nicht viel erreicht. Dabei war die Freihandelspolitik eines seiner zentralen Anliegen.

Symbolbild: Keystone

Dominik Feusi

Bundesrat Johann Schneider-Ammann erzählte jüngst mit Stolz, wie Ivanka Trump, die Tochter des US-Präsidenten, bei seinem ersten Besuch im Sommer 2017 in Washington für das Bild mit ihm ihre High-Heels auszog, damit sie den Schweizer Wirtschaftsminister nicht überragte. Und Schneider-Ammann erhoffte sich durch den freundschaftlichen Kontakt zur Präsidentenberaterin Schub für sein Meisterstück, ein Freihandelsabkommen mit den USA. Daraus ist nun vorerst nichts geworden.

Die Exportnation Schweiz ist auf Verträge angewiesen, die den Export erleichtern, sei es durch die Abschaffung von Zöllen oder Erleichterungen in der Zulassung und der Abwicklung an der Grenze. Johann Schneider-Ammann, selber ursprünglich Chef einer Exportfirma, machte die Freihandelspolitik zu einem seiner zentralen Anliegen.


Durchzogene Bilanz
Die Bilanz nach acht Jahren ist durchzogen. Elf neue Freihandelsabkommen konnte er unterzeichnen, darunter aber nur eines mit einer grossen Wirtschaftsmacht. Seit dem Sommer 2014 verfügt die Schweiz über ein Abkommen mit China. Für die Schweiz war es ein diplomatischer Triumph, besonders gegenüber der EU. Ebenfalls wichtig dürfte das Freihandelsabkommen mit Indonesien werden, das noch diesen Monat unterzeichnet wird. Mittelfristig werden auf 98 Prozent der Exportgüter aus der Schweiz die Zölle abgeschafft. Auch hier kam die Schweiz der EU zuvor.

Weniger Erfolg hatte der Wirtschaftsminister in Indien, Russland oder den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Dies jedoch dem Bundesrat anzulasten, wäre nicht fair. Die Freihandelsabkommen verzögerten sich oder scheiterten an Problemen, die nur zum Teil in Schneider-Ammanns Departement verursacht wurden.

Mit Russland ist seit der Ukrainekrise kein Handelsabkommen mehr möglich. Die Schweiz achtet in den Wirtschaftsbeziehungen darauf, nicht zur Umgehung der Sanktionen zum Beispiel der EU missbraucht zu werden.

Die Verhandlungen mit Indien dauern seit zehn Jahren an. 2014 wurden sie durch die indischen Wahlen und den darauf folgenden Regierungswechsel unterbrochen. 2015 sah Staatssekretärin Gabrielle Ineichen-Fleisch nur geringe Chancen für ein Abkommen. Johann Schneider-Ammann nutzte in den letzten zwei Jahren jede Gelegenheit, im Kontakt mit indischen Regierungsvertretern die Gespräche voranzubringen.

Das Problem bei den Verhandlungen mit Indien sind vor allem der Marken- und der Patentschutz, den Indien nicht gewährleisten will. Davor fürchtet sich insbesondere die Pharma. Für die Maschinenindustrie wäre Indien ein riesiger Markt und die ausgehandelten Konditionen gemäss Ineichen-Fleisch sehr vorteilhaft. Immerhin meldete das Staatssekretariat für Wirtschaft im August, dass die Verhandlungen verstärkt vorangetrieben würden.


Knatsch mit den Bauern
Seit fast 18 Jahren verhandelt die Schweiz zusammen mit den Efta-Staaten mit den Mercosur-Ländern über ein Freihandelsabkommen. Der südamerikanische Staatenverbund ist der siebtgrösste Wirtschaftsblock der Welt. Im vergangenen Mai stellte sich allerdings der Bauernverband quer und boykottierte eine Reise mit Johann Schneider-Ammann in die Region. Besonders aufgebracht hatte die Bauern ein Papier aus Schneider-Ammanns Entourage, das eine Senkung der Zölle auf Importgütern vorsah.

Einen Monat später betonten die Bauernvertreter, sie seien nicht generell gegen Freihandelsabkommen, wenn die landwirtschaftlichen Interessen berücksichtigt würden. Seither wird weiter «vielversprechend» verhandelt, wie Schneider-Ammann gestern sagte.

Das Abkommen wird nun nach dem Wahlsieg des konservativen Jair Bolsonaro allerdings auch von grüner Seite wegen dessen Äusserungen zum Umweltschutz bekämpft. Die Kritiker bildeten jüngst zusammen mit den Bauern und Hilfswerken eine Plattform und forderten eine Nachhaltigkeitsanalyse. Die Trennung von Handelspolitik und Aussenpolitik, jahrzehntelang die Strategie der Schweiz, scheint sowohl im Innern der Schweiz als auch global zunehmend schwierig zu werden.

Johann Schneider-Ammann hat regelmässig das Weltwirtschaftsforum in Davos von Mitte Januar für Gespräche über Freihandelsabkommen genutzt. Sein Nachfolger an der Spitze des Wirtschaftsdepartements dürfte also gut zwei Wochen nach Amtsantritt die ersten Gespräche führen müssen, um die Freihandelspolitik voranzutreiben.


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Schneider-Amman läuft in Washington auf
Auf seiner letzten Dienstreise wollte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann einen Durchbruch verkünden. Als er am vergangenen Montagabend nach einem langen Tag endlich in der Schweizer Botschaft in Washington eintraf, war ihm jedoch eine gewisse Enttäuschung anzumerken. Zu formellen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA kommt es vorerst nicht. Ein für den Nachmittag angesetztes Treffen Schneider-Ammanns mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, der in diesen Tagen mit dem Handelsstreit mit China beschäftigt ist, hatte dieser kurzfristig abgesagt. Nach einem Treffen mit dessen Stellvertreter konnte Schneider-Ammann kein konkretes Ergebnis vorweisen.

«Die Zielsetzung ist nicht ganz erreicht», räumte Schneider-Ammann in der Botschaft ein. Man befinde sich weiterhin in der Phase der «exploratorischen Gespräche», für ein Verhandlungsmandat sei es noch deutlich zu früh. Im Januar seien weitere Kontakte geplant, wahrscheinlich am WEF in Davos.

Als Hindernis erweist sich einmal mehr die Landwirtschaft. Unter anderem zeichnet sich laut Schneider-Ammann ab, dass die Amerikaner auf die Zulassung gentechnisch veränderter Produkte drängen könnten, was aus Schweizer Sicht problematisch wäre. Bereits 2006 scheiterte ein Versuch für ein Freihandelsabkommen mit den USA, weil der Bundesrat den Widerstand der Agrarlobby fürchtete.

«Niemand will ein weiteres Mal Zeit und Prestige in etwas investieren, das dann auf halbem Weg stehen bleibt», sagte Schneider-Ammann. Die Grundlage für formelle Verhandlungen habe man aber nun gelegt. Die am vergangenen Montag unterzeichnete Absichtserklärung über die Zusammenarbeit in der Berufsbildung habe in Washington viel guten Willen erzeugt. Zur Unterzeichnung in einem Vorort seien nicht weniger als drei ­Minister aus Trumps Regierung erschienen – und Präsidenten­tochter Ivanka Trump mit dazu. «Das», sagte Schneider-Ammann, «war mir eine grosse Ehre. Wir müssen jetzt diesen Goodwill auf das Handelsthema übertragen.» Er selbst wird dies allerdings aus dem Ruhestand verfolgen. cas

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