Sie sind hier

Abo

Gericht

Teure Schimpfworte

Ein Hausbesitzer fühlt sich von zwei Mietern ungerecht behandelt und verliert die Nerven. Sollte er innerhalb der nächsten zwei Jahre nochmals wegen Ausfälligkeiten angezeigt werden, kostet ihn das viel Geld.

Symbolbild: Pixabay

Brigitte Jeckelmann

Ein Immobilienbesitzer aus der Region muss teuer dafür bezahlen, dass die Pferde mit ihm durchgegangen sind: Das Regionalgericht in Biel hat gestern über ihn eine bedingte Busse als Strafe wegen Beschimpfung und Drohung verhängt, begangen im Oktober und November vor zwei Jahren in einem Dorf im solothurnischen Bucheggberg und im Seeland. Die Höhe der Busse richtet sich gemäss Gericht nach dem Einkommen des beschuldigten Hermann Muster*.

Wüste Worte
Der heute 67-jährige Muster, der lange Jahre Kleingewerbler mit eigenem Geschäft war und später mit vermieteten Liegenschaften zu einigem Wohlstand kam, hatte sich von einer Mieterin und einem Mieter ungerecht behandelt gefühlt.

Beide hatten sich mit Muster gestritten und ihn in der Folge angezeigt. Bei der Frau ging es um Nebenkosten, die Muster ungerechtfertigterweise verlangt haben soll. Die Mieterin forderte hartnäckig die ihrer Ansicht nach geschuldeten, zu viel bezahlten Nebenkosten zurück.

Das konnte Muster nicht begreifen. Er habe doch alles ganz genau abgerechnet. Dass sie ihn zur Nachzahlung von über 7000 Franken habe nötigen wollen, habe ihn in Rage gebracht. Muster suchte sie an ihrem Arbeitsplatz auf und stauchte sie in der Caféteria des Betriebs zusammen, bis sie weinte. Nach Angaben der Frau soll er sie dabei mit wüsten Worten beschimpft haben.

Doch damit nicht genug. Kurz nachdem der Chef der Firma Muster zum Gehen aufforderte und dieser das Gebäude verliess, ging auch die Frau aus dem Haus. Muster bemerkte sie, kehrte um und machte ihr auf dem Parkplatz vor dem Firmengebäude erneut eine Szene. Dabei fuchtelte er wild mit den Händen vor ihrem Gesicht herum, sodass diese glaubte, gleich einen Schlag versetzt zu bekommen.

Für beide Vorfälle gab es Zeugen, die bei der Verhandlung gestern im Saal 15 im Amthaus in Biel aussagten. Der Arbeitgeber der Frau erinnerte sich zwar wohl an das Ereignis, nicht aber an die genaue Wortwahl von Muster. Nur dass es «sehr laut» war. Der Zeuge fügte aber an, dass ein solches Verhalten für die bei ihm Angestellte am Arbeitsplatz «demütigend» gewesen war. Das Auftreten von Muster könne er keinesfalls tolerieren und habe deshalb seine Mitarbeiter angewiesen, Muster nicht mehr einzulassen.

Die Szene auf dem Parkplatz bekamen zwei weitere Zeuginnen mit, Arbeitskolleginnen der Frau. Eine war gerade draussen bei der Rauchpause, als sie eine «laute Streiterei» hörte. Als sie um die Ecke blickte, sah sie, wie Muster «ganz nahe» bei der Frau stand und «sehr laut» war. Eine andere Arbeitskollegin sah durchs Fenster, wie Muster eine Hand wie zum Schlag hob.

Angespanntes Verhältnis
Der zweite Kläger, der Mann, seit 18 Jahren Mieter in einem von Musters Mehrfamilienhäusern, hatte nach Angaben der Gerichtspräsidentin, die aus früheren Protokollen zitierte, schon lange ein angespanntes Verhältnis zu seinem Vermieter. Die Situation eskalierte, als Muster in der Wohnung des Mieters einen Schimmelbefall behandeln wollte, dieser ihm aber den Zutritt verweigerte. Es kam zu einem lauten Wortwechsel, bei dem Muster den Mieter als «asozialen Faulenzer» betitelte, der zudem nicht arbeite. Muster selber gab bei der Einvernahme in der Polizei zu, den Mieter so bezeichnet zu haben. «Im Nachhinein hatte er dann seine Aussagen allerdingsabgeschwächt», sagte die Gerichtspräsidentin.

Den Streit bekam ein Lehrling mit, der damals bei Muster ein Praktikum absolvierte. Er war gestern als Zeuge vorgeladen. Der Junge sagte aus, dass er beim Fensterputzen gewesen sei, als er hörte, «wie es laut geworden» sei. Beim Nachsehen habe er Muster und den Mieter erblickt. Der Mieter sei mit Drohgebärden auf Muster zugegangen, die Worte habe er nicht verstanden, aber früher schon mitangesehen, wie der Mieter Muster «provoziert» habe.

Der Lehrling stellte Muster ein gutes Zeugnis aus. Dieser sei immer freundlich zu ihm gewesen. Nach der Einvernahme der vier Zeugen gestand Muster ein, er wisse, dass er «nicht gerade ein Diplomat» sei. Er rede halt gerne «mit den Händen». Normalerweise gebrauche er aber keine üblen Schimpfworte, versicherte er. Und noch nie in seinem Leben habe er eine Frau angerührt. «Das würde ich niemals tun.» Aber Ungerechtigkeit könne er nicht vertragen.

Sah sich als Opferlamm
Die Aussagen der Zeugen seien detailliert und schlüssig, begründete die Gerichtspräsidentin das Urteil. Muster dagegen habe sich selber oft als Opferlamm gesehen, die Sachverhalte abgestritten oder keine Angaben gemacht. Zudem habe er mit seinem aufbrausenden Verhalten vor Gericht bewiesen, dass er sehr wohl in der Lage sei, jemanden einzuschüchtern.

Muster war nach der Urteilsbegründung ratlos. Er habe nur Bahnhof verstanden, sagte er. Nun hat er zwei Jahre Zeit zum Nachdenken. Die Geldstrafe muss er nur bezahlen, wenn ihn in dieser Zeit nochmals jemand wegen Ausfälligkeiten anzeigt.

*Name geändert

Hermann Muster*

Nachrichten zu Biel »