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Yukon

Klappernde Zähne 
und heulende Hunde

Bei null Grad Celsius laufen die Einheimischen noch in Shorts und Sandalen herum. Für Christine Mäder hört der Spass spätestens bei minus 35 Grad auf. Mit den Extremtemperaturen des Yukon sind auch die Huskies des härtesten Hundeschlittenrennens konfrontiert.

Nur für harte Hunde: Der Start des Yukon Quest, des härtesten Hundeschlittenrennens der Welt, ist immer eine grosse Attraktion. Bild: Christine Mäder
  • Dossier

Christine Mäder

Das Wetter ist überall in Kanada ein beliebtes Gesprächsthema – aber ganz besonders bei uns im Norden, wo wir mit extremen Temperaturschwankungen leben. Ein 24-Stunden-Fernsehkanal aktualisiert laufend die Celsius-Grade in den verschiedenen Regionen des Landes und bringt allerlei News rund ums Wetter. Diverse Webseiten und Apps sagen mehr oder weniger akkurat die Witterung vorher.

Facebook, unter Yukonern eine beliebte Plattform zum Meinungsaustausch und oft auch zum Klagen über das unberechenbare Wetter, ist bei jedem grossen Kälteeinbruch voller Kommentare und Fotos von Thermometern, die nach unten ausschlagen. So auch am Tag nach dem ersten grossen Abtaucher in diesem Winter.

Hatten wir am 5. Januar tagsüber noch ganz normale Winterverhältnisse mit minus 13 Grad, erfolgte in der Nacht ein jäher Absturz auf minus 30 Grad Celsius. Und während der nächsten fünf Tage bewegten sich die Höchstwerte um die 
minus 25 Grad und die Nachttemperaturen sanken bis minus 38 Grad. Des Elends nicht genug, kam noch ein Wind-Kälte-Faktor von bis zu minus 42 Grad dazu! Und genau dann gab es am Nordende von Whitehorse einen Stromausfall, der für einen Teil der rund 2000 betroffenen Haushalte mehr als sieben Stunden andauerte.

Da helfen nur mehrere Schichten Kleidung
Zwei meiner Mitarbeiter blieben an diesem Tag daheim, weil sie ihre Häuser mit Generator und Holzofen warm zu halten versuchten. Ohne 
zusätzliche Heizquelle wird es relativ rasch 
ungemütlich kühl, wie ich vor ein paar Jahren 
am eigenen Leib erfahren musste, als wir mal fast zehn Stunden im Dunkeln sassen.

Waschechte Yukoner scheinen ziemlich kälteunempfindlich und sind oft noch bei null Grad in kurzen Hosen, T-Shirt und Sandalen anzutreffen. Die saloppe Bemerkung «ein bisschen kühl 
heute» ist meines Erachtens eine krasse Untertreibung. Bei minus 35 Grad hört für mich der Winterspass auf. Da helfen bloss mehrere 
Schichten Kleidung, angefangen bei Thermounterwäsche oder Leggins unter den wattierten Hosen, Rollkragenpulli unter dem Fleece-Pullover, daunengefütterte Parka und Schneestiefel, die bis mindestens minus 45 Grad kälteresistent sind. Dazu eine dicke Wollkappe oder Roger-Staub-Mütze und warme Fäustlinge; und schon ist es erträglich, sich einige Minuten draussen aufzuhalten.

Besucher aus südlicheren Gefilden oder aus Europa wundern sich im Winter über unsere Autos, aus deren Kühlerhaube die Enden eines Stromkabels hervorgucken. Mit einem kältetauglichen Verlängerungskabel wird das parkierte Fahrzeug an eine Aussensteckdose angeschlossen, um so den Motorenblock warm zu halten. Seltsamerweise haben im Yukon, wo der Winter praktisch das halbe Jahr andauert, die Mehrzahl der Häuser keine Garage.

Räder fühlen sich eher eckig als rund an
Viele neuere Autos hier im Norden sind zudem mit einer Batteriedecke ausgestattet. Dass mein Ford Focus über Fernstart und Sitzheizung verfügt, schätze ich im Winter sehr. Bei neueren Fahrzeugen wie meinem stellt der Motor nach fünf Minuten von selbst wieder ab; genügend Zeit, um die Motorentemperatur fahrtüchtig zu machen.

Unter minus 35 Grad fühlt sich das Auto merklich steifer an und bei minus 40 hat man das 
Gefühl, die Reifen seien eher eckig als rund. Bei solch brutalen Temperaturen – und diese haben wir jeden Winter unweigerlich mehrmals – wird der Motor laufen gelassen, wenn man rasch ins Einkaufszentrum geht. Der ganze Parkplatz ist dann voller Auspuffwolken. Was umweltbewusste Europäer erschaudern lässt, ist leider bei uns ein notwendiges Übel. Denn das Leben im hohen 
Norden geht weiter, auch wenn das Thermometer wieder mal absackt.

Ein wichtiger und manchmal sogar entscheidender Faktor ist das Wetter auch beim Yukon Quest: nicht zu arg kalt, aber auch nicht nahe 
der Nullgradgrenze sollte es idealerweise sein. 
1600 Kilometer führt das internationale Hundeschlittenrennen durch die unberührte weisse Wildnis nach Fairbanks, Alaska. Die 36. Ausgabe startet am 2. Februar in Whitehorse. 31 Musher, darunter 12 Rookies (erstmals Teilnehmende), hauptsächlich aus Kanada und den USA, aber 
auch aus Deutschland, Frankreich, Schweden 
und sogar Neuseeland haben sich angemeldet.

Frauen-Power im «kleinen» Quest
Die Stunden vor dem Start sind besonders interessant für das Publikum, das sich vom Rennfieber der vierbeinigen Athleten anstecken lässt. Sobald sie im Gespann angeschirrt sind, geht das Geheul der Huskies los – voller Vorfreude auf das Rennen. 
Sicher wären die Hunde auch glücklich, wenn sie nicht mindestens acht Tage, 14 Stunden und 
21 Minuten durch die vereiste Landschaft laufen müssten. Diese schnellste Zeit gelang 2014 dem dreimaligen Yukon Quest-Sieger Allan Moore aus Alaska, der auch dieses Jahr wieder mit dabei ist.

Die 1000 Meilen werden zum Glück nicht am Stück zurückgelegt; vorgeschrieben sind Zwischenstopps von zweimal minimum vier Stunden, ganze 36 Stunden auf halber Strecke plus acht Stunden am letzten Checkpoint vor dem Ziel. Eine Woche vor dem Rennen und dann an diversen Kontrollpunkten unterwegs werden die Hunde von Tierärzten auf Lauftauglichkeit gecheckt.

Auf der gleichen Strecke erfolgt am Nachmittag des 2. Februars dann der Start zum knapp 483 Kilometer langen Yukon Quest 300, der als Qualifikationsrennen für den internationalen Yukon Quest und das 1800 Kilometer lange Iditarod in Alaska gilt. Von den 24 Teilnehmern sind hier 
16 Frauen – vom 18-jährigen Neuling bis zur 
66-jährigen Veteranin.

Ob «nur» die 483 oder die gesamten 1600 Kilometer, der Yukon Quest gilt als das härteste aller Schlittenhunderennen. Die unberechenbaren Wetterverhältnisse machen es Mushern und 
Hunden nicht leicht. Letztes Jahr waren die Bedingungen so schwierig, dass von den 26 gestarteten Teams nur die Hälfte das Ziel erreichte.

Info: Christine Mäder, in Biel geboren und aufgewachsen, war von 1977 bis 1993 Journalistin und Redaktorin beim «Bieler Tagblatt». Nach weiteren drei Jahren als Musikredaktorin in Zürich und Baden wanderte sie 
in die «hinterste obere Ecke» Kanada aus: ins spärlich besiedelte Yukon Territorium, wo sie ihre Sprachkenntnisse zuerst im Tourismus anwendete, seit 2014 nun aber in Whitehorse als Administrative Assistentin in der Finanzabteilung von Parks Canada tätig ist.

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