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Uhrenbranche

Baselworld: Von der Messe zur Plattform

Michel Loris-Melikoff, Leiter der Baselworld, zeigt auf, wie die Uhren- und Schmuckmesse umgestaltet werden soll.
Das erste Echo ist positiv: Bereits fassen frühere Aussteller die Rückkehr nach Basel ins Auge.

Messeleiter Michel Loris-Melikoff, Bild: zvg

Tobias Graden

Als die Messeleitung vor einer Woche an der Eröffnungspressekonferenz von der nötigen Erneuerung und der Transformation der Baselworld im digitalen Zeitalter sprach, mutete dies etwas seltsam an. Michel Loris-Melikoff, der neue Mann an der Messespitze, hatte einige Granden der Branche mit aufs Podium genommen, um die Einheit von Baselworld und Branche zu verdeutlichen. Bloss: Jugendlichkeit, Frische und Aufbruch vermochte das Bild nicht zu transportieren. Das Durchschnittsalter der Runde dürfte im Bereich der Pensionsgrenze gelegen haben.

Ein ganz anderes Bild vermittelt Loris-Melikoff an der gestrigen Schlusskonferenz. Er allein steht da und zeigt, wie sie aussehen soll, die Zukunft der Baselworld. Es ist ein vielversprechender Auftritt, so viel sei vorweggenommen, sowohl formal wie auch inhaltlich.

 

Weniger Besucher,
mehr Reichweite

Um die Bestandesaufnahme kommt Loris-Melikoff allerdings nicht herum. Und die sieht nicht anders aus, als es nach den zahlreichen und auch gewichtigen Absagen früherer Aussteller – insbesondere der Swatch Group – zu erwarten war: Die Baselworld verzeichnet 22 Prozent weniger Besucher (es sind noch 81 200), 20 Prozent weniger Aussteller (es sind noch 520) und zwölf Prozent weniger Medienschaffende (es sind noch 3300).

Der Messeleiter bemüht sich sogleich festzustellen: Die mediale Reichweite aber sei nicht geringer gewesen, sie sei im Gegenteil sogar um zwölf Prozent gewachsen. Er macht dies an den 2,3 Millionen Impressions auf westlichen sozialen Medien fest, an 205 000 Besuchen auf der Website der Messe selber und an 1,145 Millionen Zugriffen auf sozialen Netzwerken in China. Die Botschaft: Das Minus an realen Kontakten wird überkompensiert durch die Steigerung im digitalen Raum.

Die Quantität ist das eine, die Qualität das andere. Und da sieht Loris-Melikoff die Baselworld auch mit den in diesem Jahr schon eingeführten Neuerungen auf einem guten Weg – auch wenn diese Neuerungen teilweise überhaupt erst durch das Fernbleiben der Swatch Group möglich waren. Das ist der Fall bei der neuen Gestaltung der Halle 1.0, die nun geräumiger und angenehmer wirkt und die Einrichtung eines grosszügigeren und zentralen Bereichs für Medienvertreter ermöglichte. Dieser soll beibehalten werden, womöglich allerdings an einem anderen Ort. Die neue «Show Plaza», wo mehrmals täglich Präsentationen der Schmuckhersteller stattfanden, soll multipliziert werden: «Wir brauchen auf dem ganzen Messegelände Raum für Events», sagt Loris-Melikoff. Zukunftsträchtig ist auch die Vereinbarung mit der Hotellerie und Gastronomie in Basel, die ein vernünftiges Preisniveau garantieren soll. Dieses Jahr unterlagen ihr 75 Prozent der Übernachtungskapazitäten, 30 Restaurants schlossen sich an. Und schliesslich die neuen digitalen Services. Sie verzeichneten teilweise noch kleine Kinderkrankheiten, so fehlten im Augmented-Reality-Hallenplan die Toiletten.

 

«Ihr habt gesprochen,
wir haben zugehört»

Der grosse Wandel der Baselworld ist nicht in einem Jahr zu schaffen, zumal er viele Ressourcen und hohe Investitionen benötigt. Die diesjährige Messe war jene des Übergangs, und auch die nächste wird noch nicht alle Elemente enthalten, die sie in der Zukunft prägen sollen. «Baselworld 2020+» heisst denn auch das Programm, das die MCH Group verfolgen wird. Sie tut dies nicht eigenmächtig: «You spoke, we listened», lautet der Claim des Films, der die Neuerungen umreisst: «Ihr habt gesprochen, wir haben zugehört». Die künftige Baselworld ist das Resultat unzähliger Gespräche zwischen Branche und Messeleitung und sie integriert die Rückmeldungen einer breit angelegten Umfrage.

Grob gesagt soll die Messe zu einer Plattform für die ganze Branche werden, die über das ganze Jahr nutzbar und aktiv ist und die international tätig ist. Die eigentliche Messe ist in diesem Konzept «nur» noch der Kristallisationspunkt aller Aktivitäten. Loris-Melikoff spricht von einer «Gemeinschaft», verstanden als Gesamtheit aller Branchen- und Marktteilnehmer – von den Herstellern über die Händler bis zu den Bloggerinnen. Er schliesst auch die in Basel in den letzten Jahren verdrängte Zulieferindustrie mit ein. Zahlreiche neue Inhalte, Formate und Events sollen die Baselworld aufwerten, die folgende Aufstellung ist unvollständig:

• Retailer Summit: ein neues Format für alle Händler

• Plattform für CEOs

• Pop-up Events in aller Welt

• Marketing-Dienstleistungen, die für kleinere und mittlere Uhrenmarken interessant sein sollen

• E-Concierge: ein digitaler Helfer, der Besuchern und Ausstellern den ganzen Aufenthalt in der Schweiz organisiert

• Kommunikation nicht nur im zeitlichen Umfeld der Messe, sondern übers ganze Jahr.

An der eigentlichen Messe selber kommt es wiederum zu grösseren Umstellungen:

• Die Halle 2 wird wieder verwendet, dort kommen die Aussteller des Bereichs Edelsteine unter.

• Es wird in Halle 2 ein Sektor für Innovation und digitale Transformation geschaffen (u.a. für das Thema Smartwatch), wo die Messe allenfalls selber Standbauten erstellt.

• Der auf 2019 neu eingeführte Bereich «Watch Incubator» für Start-ups wird weitergeführt.

• Es wird neue Angebote für Sammler und Endkunden geben.

• Der Messeplatz wird neu und interaktiv gestaltet.

 

Die Preise sinken
um 10 bis 30 Prozent

Ein Dauerthema der letzten Jahre waren die Kosten für die Messeteilnehmer. Michel Loris-Melikoff kündigt für nächstes Jahr ein neues Preissystem an. Je nach Standort sollen die Quadratmeterpreise um 10 bis 30 Prozent sinken. Der Messeleiter macht aber auch deutlich, dass der Spielraum begrenzt ist: Die reine Platzmiete macht in der Berechnung der Preise nur 15 Prozent aus, die Bereitstellung der allgemeinen Infrastruktur dagegen 55 und die zusätzlichen Dienstleistungen 30.

Einem oft geäusserten Bedürfnis entspricht schliesslich die Angleichung der Termine von Baselworld und SIHH in Genf. Die beiden Messen finden künftig gerade nacheinander statt, im Zeitraum Ende April/Anfang Mai. Das in allen Belangen ideale Datum gibt es dabei nicht. Begrenzende Faktoren sind etwa die anderen Messen an den beiden Standorten (etwa der Autosalon im März), die Weihnachtszeit oder das chinesische Neujahr im Februar. Dieses Jahr fallen die Messen nun just in den Zeitraum des Ramadans, was für die Besucher aus dem arabischen Raum nachteilig ist.

Erste Rückmeldungen aus der Branche sind laut Michel Loris-Melikoff positiv ausgefallen. Gerade vor der Schlusskonferenz habe er erfahren, dass ein namhafter Aussteller in Halle 1 seine Standfläche vergrössern wolle, so der Messeleiter. Und bereits hätten sich einzelne Marken gemeldet, die in diesem Jahr an der Baselworld nicht dabei waren: «Sie wollen 2020 wieder teilnehmen.»

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