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Vibez-Festival

«Ich bin zu 100 Prozent vom Standort überzeugt»

Noch selten wehte einem neuen Anlass in der Region so viel Wind entgegen wie dem Vibez-Festival. Die Skepsis zeigte sich sogar auf politischer Ebene. Daniel Meili ist Projektleiter des Events. Klar ist: Vom 6. bis 8. Juni geht es auf der Bühne um Musik, hinter ihr um Technologie. Unklar ist, wer profitieren wird, wenn diese international vermarktet wird.

Daniel Meili organisiert das Vibez-Festival. Bild: zvg

Interview: Tobias Graden

Daniel Meili, wie steht es um das Vibez?
Daniel Meili: Sehr gut! Haben Sie etwas anderes gehört?

Nein, aber man stellt sich Fragen.
Inwiefern?

Dass ein Festival kurzfristig die Ticketpreise halbiert, ist ungewöhnlich.
Das ist sicher so, aber es ist ja ein glücklicher Umstand.

Wir kommen darauf zurück. Das Festival kommt also zustande?
Ganz sicher.

Ursprünglich wollten Sie mit dem Verein Seamotion auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Nidau Einzelkonzerte veranstalten und brachten Namen wie Adele und Coldplay ins Spiel.
Ja, wir hatten ein super Vorhaben, wir haben sehr viele Gespräche geführt – mit Nidau, mit Biel, mit den Akteuren des Muse-Konzerts. Wir wollten statt einem eintägigen Event wie dem Muse-Konzert an drei Tagen Konzerte auf dem gleichen Gelände organisieren. Dazu wollten wir internationale Künstler engagieren. Das ist nun aber fast zwei Jahre her.

Sie sind auf Widerstand gestossen. Wie kam das bei Ihnen an?
Es war ein politischer Entscheid, dass man aus Lärmgründen auf dem Gelände, das bereits für neun Tage von einem anderen Anbieter belegt wird (dem Lakelive-Festival, Anm. d. Red.), nicht für weitere drei Tage eine Bewilligung ausstellen wollte. Das kann ich nachvollziehen.

Es wurde Ihnen eine Zusammenarbeit mit dem Lakelive-Festival nahegelegt. Kam dies für Sie nicht in Frage?
Wir hatten mit diversen lokalen Partnern Kontakte und haben verhandelt. Ein Resultat davon ist jetzt, dass Stars of Sounds nun für die Gastronomie zuständig ist am Vibez. Wir versuchen, so viel wie möglich aus der Region zu beziehen.

Eine Integration Ihrer Pläne ins bestehende Lakelive-Festival war aber keine Option?
Momentan ist das kein Thema.

Ihnen weht in der Region aber weiterhin ein kalter Wind entgegen, es gab sogar einen überparteilichen politischen Vorstoss im Bieler Stadtrat in der Sache.
Ich denke, Verhinderungspolitik führt nicht zum Ziel. Wir wollen als Veranstalter einen Plan umsetzen und unseren Kunden ein gutes Erlebnis bieten. Ich sehe nicht, warum man das verhindern wollte.

Wenn in der Region auf Ihre Pläne so kühl reagiert wird – ist Biel denn der richtige Ort für Ihre Pläne?
Ich bin zu 100 Prozent vom Standort Biel überzeugt. Es operieren Brands von internationaler Reichweite von Biel aus! Und Biel ist extrem gut gelegen, man ist von Genf und von Zürich aus rasch in Biel. Der Ort ist zweisprachig und multikulturell. Ich sehe nichts, was dagegen spricht, ein solches Festival in Biel zu machen.

Sie haben dann feststellen müssen, dass man als Newcomer nicht so leicht an grosse internationale Acts herankommt und haben darum das Konzept des Festivals geändert.
Es ist generell extrem schwierig, internationale Top-Acts zu verpflichten, auch wenn man schon zum zehnten Mal ein Festival veranstaltet. Doch unser Line-Up kann sich sehen lassen: Mit J Balvin haben wir einen Künstler, der gemessen an den Spotify-Streamingzahlen zu den vier grössten Acts der Welt zählt.

Es dürfte ein Kraftakt gewesen sein, dieses Programm in so kurzer Zeit hinzubringen.
Es war sehr zeitintensiv, in der Tat. Man muss die Leute überzeugen, an ein Festival zu kommen, das zum ersten Mal stattfindet. Das lässt sich nicht in ein paar E-Mails tun, sondern man muss mit den Leuten reden. Das braucht extrem viel Energie.

Gab es darum Verzögerungen beim Bekanntgeben der Künstler?
Es braucht jeweils Zeit, bis die Freigaben erteilt sind und wir die Namen bekanntgeben dürfen. Dies können wir nicht eigenständig steuern, darum kann es zu Verzögerungen kommen. Das Phänomen gab es allerdings nicht nur beim Vibez, diese Saison erfolgten die Bekanntgaben in der Festivallandschaft allgemein recht spät.

Auf welches Konzert freuen Sie sich besonders?
Ich habe zwei Favoriten. Ein Geheimfavorit ist NBLM, er ist Produzent und hat für weltberühmte Künstler gearbeitet. Und anderseits ist es J Balvin, man schaue sich nur mal seine Show am Coachella-Festival an.

Mit Farid Bang laden Sie auch einen sehr umstrittenen Rapper ein – ist das ein künstlerischer Entscheid oder bewusste Provokation?
Wir wollen auf der Bühne haben, was unser Zielpublikum im Alter von 16 bis 30 Jahren interessiert. Anhand von Spotify-Daten lässt sich das leicht herausfinden. Und so kommt man rasch auf einen Künstler wie Farid Bang.

Sie betonen stark den Businessaspekt – gibt es denn Grenzen, die einer Verpflichtung im Wege stünden, auch wenn ein Künstler erfolgreich ist?
Ich meine damit nicht, dass wir unbedingt möglichst viele Leute ansprechen wollen. Aber wenn ich mit einem internationalen Line-Up ein Zielpublikum von 16 bis 30 ansprechen will, kann ich nicht Musiker bringen, die seit 30 Jahren auf Tour sind.

Es gibt jedoch gerade im Deutschrap durchaus Dinge, die man aus inhaltlichen Gründen kritisch sehen und darum auch von einer Verpflichtung absehen kann.
Wir wollen mit einem Anlass wie dem Vibez nicht Politik betreiben. Um einen Rapper wie Drake beispielsweise ranken sich schlimmere Geschichten als bei Farid Bang, und doch tritt er überall auf.

Veranstalter von Vibez ist immer noch der Verein Seamotion, richtig?
Ja.

Ihre alten Mitstreiter aus der Region, Joel Haueter und Jan Hänzi, haben den Verein im Winter verlassen. Warum?
Wir haben vor allem aus zeitlichen Gründen Künstler wie Adele und Coldplay nicht verpflichten können, ich denke, das ist der Hauptgrund, warum sie nicht mehr dabei sind. Gleichwohl haben wir ein internationales Line-Up zustande gebracht, es wird eine coole Sache.

Und bei dieser coolen Sache wollten sie nicht mehr mitmachen?
Nein, sie sind nicht mehr im Verein.

Gab es ein Zerwürfnis?
Überhaupt nicht, ich kenne beide seit über zehn Jahren, wir haben kein Zerwürfnis. Es ist eine Frage der Prioritäten und des Zeitaufwands.

Sie selber sind auch nicht mehr im Vereinsvorstand. Warum nicht?
Wir haben einen neuen Vereinsvorstand installiert, der die Verantwortung trägt für den Anlass und den Verein. Ich muss mich ums operative Geschäft kümmern, bin aber nach wie vor als Mitglied dabei. Es wäre nicht sinnvoll, gleichzeitig als Präsident des Vereins und operativ für den Anlass zuständig zu sein.

Welche Funktionen haben denn die neuen Vorstandsmitglieder Ivica Petric und Peter Béres? Ihre Namen kennt man nicht aus der Festivalbranche. 
Sie sind Präsident und Vizepräsident.

Sind sie auch Geldgeber?
Nein, sie wenden privat kein Geld für das Vibez auf. Es ist so: Der technologische Aspekt spielt beim Vibez neben dem Programm eine zentrale Rolle. Es gibt viele Leute, die diesen technologischen Aspekt spannend finden. Es geht beispielsweise um Blockchain-Technologie im Bereich Ticketing, das ist ein weltweit beachtetes Thema. Wenn wir so etwas realisieren, ist das spannend für viele Partner.

Petric leitet mit der Finantia AG eine Finanzgesellschaft und hat früher mal die Pfandhaus AG gegründet. Ist er denn in der Blockchain-Technologie tätig?
Ich kann nicht über sein Geschäftsfeld Auskunft geben. Herr Béres jedoch kommt aus dem Technologie-Umfeld.

Welche Rolle spielt die TTB Treuhand, wo der Verein Seamotion nun domiziliert ist?
Sie macht die ganze Buchhaltung und Administration des Vereins. Sie ist auch Partner und Sponsor.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Emirates?
Das ist eine längere Geschichte. Das erste Element: Der Brand Vibez ist extrem spannend. Wir wollen ja nicht bloss ein einmaliges Festival auf die Beine stellen, sondern verfolgen ein langfristiges Ziel mit künftig hoffentlich internationalem Charakter. Das zweite ist ganz klar die Technologie.

Emirates ist also interessiert an der Technologie, die Sie entwickelt haben?
Ich gehe stark davon aus.

Wie hoch ist das Engagement von Emirates?
Wir haben mit allen Partnern Stillschweigen zu Sponsoringbeiträgen vereinbart.

Aber es ist tatsächlich so, dass dank den Geldern von Emirates die Ticketpreise halbiert werden können? Man kann sich so den Betrag etwa ausrechnen – er müsste massiv sein.
Wie gesagt, zu Zahlen kann ich nichts sagen. Aber ich kenne natürlich unser Budget und weiss, was welche Effekte hat. Der Betrag hat einen Zusammenhang mit der Preissenkung, klar. Aber viel wichtiger für alle Leute ist: Wir konnten für ein erstmals durchgeführtes Festival in der Schweiz einen internationalen Brand wie Emirates onboarden, eine der grössten und fortschrittlichsten Airlines, und das für ein Engagement, das über ein Jahr hinausgeht.

Über welchen Zeitraum denn?
Drei Jahre.

Und wie kommt so etwas zustande? Haben Sie einfach mal bei Emirates angeklopft und von Ihrer interessanten Technologie erzählt?
Ganz wichtig ist: Es ist nicht nur meine Leistung, es ist eine Teamleistung. Ich bin nur ein kleines Puzzlestück in dieser ganzen Konstellation. Zustande kommt es dank den Faktoren, die ich genannt habe. Genaueres kann ich allenfalls nach dem Festival erzählen.

Und das läuft über Emirates in der Schweiz?
Wir platzieren Anfragen bei Partnern grundsätzlich dort, wo diese ansässig sind.

Ist es nicht problematisch, kurz vor dem Event die Tickets plötzlich zum halben Preis abzugeben? Das mindert die Wertigkeit und man könnte denken, das sei eine Verzweiflungstat, weil bislang viel zu wenig Tickets verkauft wurden.
J Balvin war Headliner des grössten Festivals der Welt, nun kommt er nach Biel, da müssen wir doch nicht über Wertigkeit reden. Ich sehe die Preisreduktion nicht problematisch – wenn wir von einer Partnerschaft profitieren, ist es doch gut, dem Konsumenten etwas zurückzugeben.

Es hat aber sicherlich Kritik gegeben seitens jener Kunden, die ihr Ticket schon gekauft haben?
Klar. Mit ihnen müssen wir fair umgehen und auch sie profitieren lassen, indem sie nun entweder jemanden gratis mitnehmen können oder Verpflegungsgutscheine im gleichen Wert erhalten.

Wie viele Tickets sind mittlerweile verkauft?
Diese Zahlen kann ich nicht nennen, wir äussern uns nach dem Festival zu Besucherzahlen.

Zahlen zum Gesamtbudget nennen Sie wohl auch nicht.
Genau.

Was sagen die übrigen Sponsoren dazu, dass offenbar zehn Prozent der Sponsorengelder für karitative Zwecke verwendet werden sollen?
Ich habe versucht, die Sponsoren persönlich zu kontaktieren, vor allem jene, die ich selber onboardet habe. Das Echo war durchgehend positiv.

Es geht ja wohl um Beträge von 150 000 Franken oder mehr.
(lacht) Ich kann keine finanziellen Auskünfte erteilen! Und wir nehmen gerne noch mehr Sponsoren hinzu. Beim Thema Charity hilft es uns eben, dass wir ein Verein sind und nicht eine gewinnorientierte Aktiengesellschaft. Wir wollen etwas zurückgeben, gerade in der Schweiz.

Sie haben es erwähnt: Die Technologie ist ein wichtiger Aspekt des Vibez. Das Festival dient dazu, zu zeigen, dass Ihre technische Lösung funktioniert.
Unsere Kernbotschaft ist es aufzuzeigen, dass es andere Wege in der Technologie gibt. Ein Ticket auszustellen, ist kein Problem – doch uns geht es um die Wege im Hintergrund. Das interessiert nicht den Endkonsumenten, sondern eben Leute, die sich um solche Technologien kümmern. Wir arbeiten weiter an unserer Plattform, in ein paar Jahren dürften davon auch die Konsumenten stärker profitieren, das ist das Ziel.

Am Vibez gehen Sie nun aber in den meisten Bereichen gleichwohl traditionelle Wege. Der Ticketverkauf etwa läuft auch über Starticket.
Das ist nicht korrekt. 80 Prozent der Ticketverkäufe laufen über unseren eigenen Kanal.

Warum haben Sie denn überhaupt den traditionellen Kanal auch geöffnet?
Wir wollen den Konsumenten nicht zwingen, etwas Bestimmtes verwenden zu müssen. Manche Kunden sind es schlicht gewohnt, ihre Tickets über herkömmliche Wege zu suchen – es braucht gewisse Zeit, bis alle Leute auf die Digitalisierung aufspringen, dieser Prozess ist auch in anderen Industrien zu beobachten. Wir haben mit Starticket, Fnac und auf europäischer Ebene mit Festicket sehr starke Partner in diesem Bereich.

Es sind Partner, die auch an der Technologie interessiert sein dürften.
Das ist möglich.

Sie arbeiten seit kurzem nicht mehr bei der Agentur Coundco, wo dieses System unter Ihrer Ägide entwickelt worden ist. Warum sind Sie nicht mehr dort?
Ein solches Festival zu leiten, das ist in der jetzigen Phase mindestens ein 150-Prozent-Job. Da ist es nicht mehr möglich, anderswo tätig zu sein. Ich musste mich fokussieren.

Sie nehmen nun das Know-how um diese Technologie mit, und das, obwohl Sie immer noch Teilhaber der Coundco sind und gar als Nachfolger des Leiters und Gründers vorgesehen waren.
Woher haben Sie diese Informationen?

Man recherchiert. Und auf der Website von Coundco sind Sie immer noch als Teilhaber aufgeführt. Werden Sie nun das System unter Eigenregie weiterentwickeln und vermarkten?
Das Ziel ist es, die Technologie weiterzubringen und dem Konsumenten möglichst viel zurückgeben zu können. Natürlich werden wir versuchen, das System zu vermarkten.

Man macht das jedenfalls nicht nur aus philanthropischen Gründen, sondern weil man damit Geld verdienen will.
Nein, weil man davon überzeugt ist, dass es das Richtige ist. Rechnen Sie doch mal: Wenn wir von einer Verkaufskommission von 3 bis 4 Prozent pro Ticket ausgehen und diesen Betrag in Relation setzen zu den Entwicklungsinvestitionen, dann sieht man, dass wir damit in den nächsten Jahren nicht gerade Milliarden verdienen.

Wenn man das System aber an einen grossen internationalen Anbieter verkaufen könnte, dürfte dies durchaus auch finanziell interessant sein.
Das ist ein mögliches Szenario.

Und dann fragt sich, wer das Geld bekommt, nachdem das System innerhalb der Coundco entwickelt worden ist.
Die Inhaber der Rechte an dieser Software, die bekommen das Geld.

Und das sind Sie?
Nein.

Ist es die Coundco?
Nein.

Wer dann?
Eine andere Organisation, die hier nicht weiter erwähnt zu werden braucht.

Sie sagen nicht, wer das ist?
Nein.

Wer ist denn Ihr jetziger Arbeitgeber?
Ich bin im Mandat als Projektleiter für den Verein Seamotion tätig.

Ist es denn denkbar, dass Sie zur Coundco zurückkehren, wenn die intensive Phase beim Vibez vorüber ist?
Ich denke nicht. Wenn ich sehe, was wir auf der Roadmap haben und was wir mit Vibez in den nächsten zwei, drei Jahren erreichen wollen, ist es mir wohl zeitlich nicht möglich, wieder bei Coundco operative Aufgaben zu übernehmen.

Was steht denn auf dieser Roadmap? Man entwickelt so eine Technologie ja nicht nur für ein Festival.
Absolut. Wir haben mit vielen Unternehmen und Organisationen gesprochen, die diese Technologie einsetzen könnten. Diese Diskussionen gehen weiter und wir versuchen, das Produkt zu verbessern. Ich hoffe, dass wir an den Punkt kommen, an dem die Konsumenten dieses cool finden und es mehrere Anwendungsszenarien auch ausserhalb der Eventbranche gibt.

Als kleiner Anbieter müssen Sie in erster Linie schnell sein. Sobald jemand wie Livenation zusammen mit einer Silicon-Valley-Firma so etwas anbietet, sind Sie weg vom Fenster.
Lassen Sie mich eine Klammer öffnen: Dass ein kleines Start-up im Technologie-Business eine ganze Branche disruptiv verändern kann, gelingt vielleicht in einem von einer Million Fällen. Zudem sind wir mit der Live-Entertainment-Industrie in einem Markt, der extrem schwierig ist. Es wird noch zunehmen, dass grosse Künstler vermehrt eigene Tourneen organisieren und nicht mehr an Festivals spielen. Der Markt ist also heikel, es ist ein Haifischbecken mit grossen Playern – nun sagen Sie mir mal, wie die Chancen stehen, dass gerade wir dereinst so erfolgreich sein werden wie zum Beispiel Facebook… Aber klar, es gibt viel Potenzial, denn in der Live-Entertainment-Branche ist die Digitalisierung noch nicht an dem Punkt, wo sie sein könnte. Darum glauben wir an unser Produkt.

Was merke ich als Besucher des Vibez von der neuen digitalen Art von Festival?
Vermutlich gar nicht so viel, denn das meiste passiert im Hintergrund. Ich mache ein Beispiel: Angenommen, Siri hört mit, was so passiert, stellt fest, dass Sie einen Unfall haben und ruft selbstständig die Sanität – dann merken Sie erst im Nachhinein, was Ihnen die Digitalisierung bringt.

Siri hört mit am Vibez?
Nein, natürlich nicht, das war nur ein Beispiel. Wir werden jedenfalls nicht beim ersten Mal gleich die Welt auf den Kopf stellen, aber in verschiedenen Bereichen kleine Dinge anders tun, die das Konsumentenerlebnis verbessern, mit dem Ziel, dies immer mehr zu erweitern.

Warum muss es denn gerade ein so grosses Festival sein wie das Vibez, um diesen «Proof of Concept» zu erbringen? Ein kleines Festival hätte es doch auch getan.
Jein. Die Technologie lässt sich zwar durchaus leicht skalieren. Aber ein Test mit 50 Personen wäre weniger aussagekräftig als einer mit vielen hundert. Wenn Uber einen Test seiner App machen will, ist dieser am Zürcher Bahnhofplatz auch aussagekräftiger als am Bahnhof in Pieterlen.

Welche Pläne haben Sie denn für das Festival an sich?
Nun, wir werden schon bald am Line-up für nächstes Jahr arbeiten, der Zyklus beginnt von vorne.

Ich hätte gedacht, Sie erzählen mir nun, welche internationalen Ableger Vibez in fünf Jahren haben soll.
Die Vision Vibez besteht. Wo wir in fünf Jahren stehen werden, kann ich nicht sagen, aber ich hoffe natürlich, dass es in die von Ihnen erwähnte Richtung geht. Es ist nicht auszuschliessen, dass wir international werden.

Was erwartet den Besucher am Vibez in Biel?
Freude, Entertainment, Überraschung – eine super Veranstaltung.

Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
Mit möglichst vielen, hoffe ich.

Absehbar ist, dass es keinen Gewinn geben wird. Ist das Vibez so aufgestellt, dass es den Verlust tragen kann?
Zu finanziellen Aspekten gebe ich immer noch keine Auskunft. Aber: Die allermeisten Start-ups sind nicht schon von Beginn weg profitabel, Technologie-Start-ups erst recht nicht, und wenn wir noch die Komponente der Eventbranche miteinbeziehen, dann schon gar nicht. Aber natürlich ist es das Ziel von Start-ups, Rentabilität zu erreichen, und das gleisen wir entsprechend auf.

Gibt es ein Vibez in Biel im Jahr 2020?
Hoffentlich!

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Disruptionen – und disruptive Technologie
Als Mitte Dezember an einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit dem Vibez ein neues Festival für Biel angekündigt wurde, war das Erstaunen gross. Angesichts der in Aussicht gestellten Grösse des Anlasses schien das Vorgehen der Organisatoren wenig professionell, ihre Kommunikation warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Die Bekanntgabe der auftretenden Künstler erfolgte dann jeweils mit mehrtägiger Verspätung gegenüber den angekündigten Terminen, und hinter den Kulissen schien es zu rumoren. Aus dem Verein Seamotion, dem Veranstalter des Festivals, trat zuerst der Kassier Joel Haueter aus. Der Weggang des früheren Bieler SVP-Stadtrates wurde im Handelsamtsblatt vom 20. Februar vermeldet. Wenig später folgte mit dem Austritt des Pieterlers Jan Hänzi der zweite Abgang eines Vorstandsmitglieds aus dem Seeland.

In der Region machte sich angesichts des intransparenten Vorgehens seitens des Vibez Misstrauen und Unmut breit, was in einer dringlichen Interpellation der überparteilichen Kulturgruppe im Bieler Stadtrat gipfelte. Die Interpellanten teilten die anfängliche Empörung der Organisatoren des Lakelive-Festivals und stellten sich offenkundig auf den Standpunkt, die Region vertrage kein zweites grosses Festival. Der Gemeinderat zeigte in seiner Antwort allerdings wenig Verständnis für diese Haltung. Er erachte es «nicht als eine behördliche Aufgabe, über die (...) erwähnten Bewilligungsfragen hinaus planwirtschaftlich in einen an sich privaten Markt einzugreifen und politisch zu entscheiden, welche Angebote dem Publikum zugänglich gemacht werden sollen und welche nicht», schrieb er. Und weiter: «Der Gemeinderat hat insbesondere nicht zu entscheiden, wie die Bewohnerinnen und Bewohner Biels ihr Geld ausgeben wollen.»

Die Umrisse des Vibez-Programms wurden klarer: Es bietet vor allem im Bereich Elektronik, Techno, Reggaeton und Hip Hop Acts, die auch an grossen Festivals die Massen zu mobilisieren wissen. Weitere Mutationen im Hintergrund waren allerdings nicht dazu angetan, die Skepsis zum Verschwinden zu bringen. So hat Hauptinitiant Daniel Meili selber den Vereinsvorstand verlassen, die genaue Rolle der jetzigen Vorstandsmitglieder Ivica Petric und Peter Béres bleibt unklar (siehe Interview). Gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Fluggesellschaft Emirates als Presenting Partner senkte das Vibez die Eintrittspreise um bis zu 50 Prozent, wenige Wochen vor der Austragung. Von Emirates selber war auch eine Woche nach der Anfrage des BT keine Stellungnahme dazu zu erhalten.

Schliesslich ist Meili überraschend auch aus dem Unternehmen Coundco ausgetreten, wo er die Funktion des CIO bekleidete. An der Coundco besitzt er Anteile und er war designierter Nachfolger des Firmengründers. Das ist darum interessant, weil die Coundco Technologiepartner von Seamotion war. Sie hat mit einem Partner jenes potenziell disruptive System entwickelt, von dem die Vibez-App nur die für Endkonsumenten sichtbare Oberfläche ist. Vereinfacht gesagt erlaubt es diese auch die Blockchaintechnologie nutzende Lösung einem Veranstalter, sämtliche Dienste wie Ticketing, Bezahlung, aber auch die Kommunikation von den Sponsoren oder den Künstlern zu den Besuchern auf einer einzigen Plattform zu organisieren und die alleinige Kontrolle über die dabei generierten Daten zu haben. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum für den Test dieses Systems ein neues, eigenes Festival nötig war: Bei bestehenden Anlässen bestehen vertragliche Verpflichtungen mit Anbietern, deren Geschäftsmodell in Frage gestellt wird, wenn sich das am Vibez erprobte Technologieprodukt im Live-Entertainment-Markt durchsetzen sollte.

Nach dem Abgang von Meili ist die Coundco nicht mehr mit der Organisation des Vibez verbunden, wie das Unternehmen mitteilt: «Der Verein Seamotion und Coundco haben Ihre geschäftlichen Beziehungen Ende März 2019 beendet. Infolge dieser Beendigung hat Coundco nichts mehr mit dem Verein und dem Vibez Open Air zu tun.» Coundco ist auch nicht mehr im Besitz der Rechte an der Technologie. In den AGB des Festivals ist Coundco aber nach wie vor als Vertragspartner aufgeführt, was offenbar einem Versäumnis von Seamotion geschuldet ist. Unklar ist bislang auch, wer von einem allfälligen Markterfolg des Systems tatsächlich profitieren würde.

Die Durchführung des Vibez selber scheint gesichert. Wie seitens des Polizeiinspektorats zu erfahren ist, sind alle nötigen Vorkehrungen auf gutem Wege, die Aufbauarbeiten bei der Tissot Arena haben begonnen. Tobias Graden

Daniel Meili

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