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Einwurf

Stop it!

Am 6. September 1995 entrollte die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft vor Beginn des EM-Qualifikationsspiels gegen Schweden eine Banderole mit dem Spruch: «Stop it, Chirac».

Walter Mengisen

Gemeint war damit der damalige französische Staatspräsident und der Protest richtete sich gegen die Atomversuche Frankreichs. Eine breitere Öffentlichkeit hatte viel Verständnis für diese Aktion, die Uefa erliess ein hartes Verbot gegen «politische Aktionen» auf dem Fussballfeld.

Es wäre an der Zeit, dass sich die Fussballer wieder mal zu einer solchen Aktion bewegen liessen und zwar als Protest gegen einen kleinen, aber militanten Kreis von sogenannten Fans. Was in der letzten Zeit wieder an offener und geschriebener Gewalt in Fussballstadien abläuft, darf nicht toleriert werden. Wenn ein Team der Super League quasi in Geiselhaft genommen wird und in der Challenge League den Frauen des gegnerischen Teams massivste körperliche Gewalt angedroht wird, dann sind alle Grenzen der Ethik und des Rechtsstaates überschritten.

Erstaunlich ist, mit welcher Ambivalenz einige Klubs und Spieler mit diesen Ereignissen umgehen. Anstelle sich klar und unmissverständlich dagegen zu stellen und mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln mit aller Härte dagegen vorzugehen, werden pseudosoziologische Erklärungen bemüht, wird betont wie erfolgreich die Fanarbeit sei und dass der Staat endlich eingreifen müsse. Ein grosser Teil der rechtlichen Mittel sind vorhanden und müssen nur konsequent angewendet werden wie zum Beispiel im Kanton St. Gallen. Alt Bundesrat Samuel Schmid hat es einmal auf den Punkt gebracht, indem er erklärte, dass man mit «Schnuderbuebä» auch umgehen müsse wie mit «Schnuderbuebä». Wobei «Schnuderbuebä» noch recht verharmlosend tönt. Wenn offizielle Vertreter von Klubs sagen, dass Pyrofackeln eben zur «Fan»-Kultur gehören und sich in der jüngsten Vergangenheit zwei Spieler «erblöden», bei Siegesfeiern selbst Pyros zu entzünden unter den Augen des Sicherheitsbeauftragten des Klubs, dann verstehe ich die Klubleitungen nicht, die hier nicht rigoros die fehlbaren Spieler bestrafen.

Was noch grössere Sorgen macht, ist der Umstand, dass extremistische Gruppierungen sich in den Fankurven einnisten und ihre Gesinnung offen zur Schau stellen. Rassismus und Gewaltverherrlichung sind Offizialdelikte. Ein Phänomen ist auch, dass oft nicht gewalttätige Zuschauer in den Fansektoren sich mit den Chaoten solidarisieren und ihnen Schutz vor der Identifikation geben. Welche Motive mögen hier mitspielen? Die Zuschauer auf den Sitzplätzen und natürlich die Leute im VIP- Bereich werden durch die Fanszene gerne als «Bonzen» beschimpft. Nur vergessen die Fans dabei, dass es eigentlich diese Leute sind, die es überhaupt finanziell ermöglichen, dass Profifussballspiele stattfinden. Mit Einnahmen aus den Fankurven und den damit oft verbundenen Sicherheitskosten lässt sich kein Spielbetrieb aufrechterhalten. Diese Fankultur mag vielleicht der Preis dafür sein, dass eine entsprechende Lärmkulisse herrscht, was oft als Stimmung bezeichnet wird.

Gerne wird kolportiert, der Sport habe ein Gewaltproblem. Mitnichten, sondern der Fussball hat ein Problem mit einer kleinen Minderheit von gewalttätigen Chaoten und Nichtsnutzen. Ein starkes Zeichen wäre, wenn sich Spieler und Klubleitungen mit einem unmissverständlichen und klaren «Stop it» gegen Gewalt in den Fanzonen stellten.

Info: Walter Mengisen ist stellvertretender Direktor des Bundesamts für Sport Baspo und war langjähriger Präsident des SC Lyss.