Sie sind hier

Abo

Biel

Der frühe Herbst der Sommerinsel

Und also sprach die Stadt: Es werde der Raum verschönert und belebt! Auf dass das Bieler Volk zum Moment sagen möge: Verweile doch, du bist so schön.

Und da warens nur noch Punkte: Die Sommerinsel in der Schlussphase ihre Rückbaus. Bild: Peter Samuel Jaggi

Tobias Graden

Vor einigen Jahren lief solches noch unter dem Stichwort «Mediterranisierung», aber mittlerweile ist es – Klimawandel sei dank – schon so weit, dass der Stadtraum dergestalt angepasst werden muss, dass seine Bevölkerung die Saharaisierung besser erträgt. In Bern heisst das «Möblierung des öffentlichen Raums», in Biel kam die Direktion Bau, Energie und Umwelt auf den schönen Begriff «Sommerinsel». Diese «temporären Installationen» böten «zusätzlichen Raum zum Verweilen», liess sie anfang Monat wissen, denn es sei der Stadt «wichtig», dass das Leben in ihr «für die gesamte Bevölkerung möglichst angenehm» sei. Überdies sei das Pilotprojekt auch eine «Experimentierplattform, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu eruieren».

Die erkenntnisleitende Fragestellung des Experiments auf der Zentralstrasse neben dem Brunnenplatz lautete offenbar: Welches Bedürfnis äussert die Bevölkerung, wenn wir den Brunnenplatz so leer lassen, wie er meistens ist, dafür die halbe Strasse mit einer Sommerinsel zubauen, dabei die Sicht auf den Fussgängerstreifen verstellen und gleich noch ein paar Parkplätze aufheben?

Erstaunlicherweise lautet die Antwort: Das Bieler Fuss- und Autovolk äussert dann ein ausgeprägtes Protestbedürfnis. Dieses ist konzentriert sichtbar in einem Kurzvideo eines besorgten Bürgers, das auf den Sozialen Medien aberhundertfach geteilt wurde. Statt die Sommerinsel «aktiv» zu nutzen, gebrauchte er sie als passive Kulisse für ein hübsches Empörungsfilmchen. Nicht zu Unrecht stellt er die Frage in den Raum, ob es gescheit sei, Kinder auf dem Hirschhorn-ähnlichen Bau herumtollen zu lassen, wenn ein halber Meter davor der Bus durchbrause? Die rhetorische Frage ergänzt er mit Unflätigkeiten Richtung Obrigkeit; der Kritik an der von der Stadt angeblich angestrebten «30er-Zone auf der Autobahn» und am «bedingungslosen Sozialgeld für alle Flüchtlinge, die noch nicht angekommen sind». Danke Merkel!

Der bärtige Brummbär blieb aber nicht der einzige, bei dem die Sommerinsel eher winterliche Gefühle hervorrief. Im gegenüberliegenden Restaurant regte sich ebenso Protest wie unter den Marktfahrern, auch der TCS schaltete sich ein. Und alsbald schien die Stadt erkannt zu haben, bei dieser Standortwahl wohl eher die zweitbeste Lösung gewählt zu haben.

Und so nahte der frühe Herbst der Sommerinsel. Bereits gestern Nachmittag zeugten bloss noch farbige Punkte am Boden von ihrer Kurzexistenz. Und der Facebook-Frotzler? Er werde «kein Füfi» mehr in dieser Stadt ausgeben, sagt er im Video, und ist darum wohl auch nie auf einer der anderen Sommerinseln anzutreffen, die überaus gerne besucht werden. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Denn wäre ein Gespräch mit ihm auf Eishockey gekommen – das ist ja in Biel nie ganz auszuschliessen – wäre die Entfremdung bloss noch grösser geworden: Sein Facebook-Profil weist ihn als eingefleischten SCB-Fan aus.

Nachrichten zu Biel »