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Washington

Er will stark sein, aber nicht kämpfen

In der Iran-Politik zeigen sich die Widersprüche im Weltbild Donald Trumps.
Der Zickzackkurs des US-Präsidenten hat aber auch mit dessen Beratern zu tun.

Markige Gesten, zögerliche Politik: Donald Trump änderte seine Meinung zum Iran zuletzt innert einer Stunde. Bild: Keystone

Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump und der Nahe Osten, das ist ein wenig so, als habe der zögerliche, zweifelnde Prinz Hamlet sich in dem blutigen Intrigengewirr von «Macbeth» verlaufen. Der Iran und Saudi-Arabien kämpfen mit aller Härte um die Vorherrschaft in der Region. Der US-Präsident jedoch kann sich nicht wirklich entscheiden, welche Rolle er in dem Drama spielen soll. Krieg führen gegen den Iran oder verhandeln mit dem Iran? Die Antworten, die Trump gibt, ändern sich von Tag zu Tag.

Dieser Zickzackkurs hat zwei Gründe. Zum einen schwankt Trump selbst zwischen widersprüchlichen Instinkten hin und her. Seine Neigung, verbal mit militärischer Gewalt zu drohen, kollidiert mit seiner tief sitzenden Abneigung dagegen, militärische Gewalt einzusetzen. Konkret: die USA in einen neuen, teuren und möglicherweise verlustreichen Krieg zu verwickeln. Trump bevorzugt Wirtschaftssanktionen als Zwangsmittel. Hinzu kommt seine Überzeugung, dass er, sobald diese Sanktionen den Gegner mürbe genug gemacht hätten, auch das komplizierteste Problem durch von ihm persönlich geführte Verhandlungen lösen könne.

Im Umgang mit Teheran spiegelt sich diese Zerrissenheit deutlich wider. Trump hat das von seinem Vorgänger mit dem Iran ausgehandelte Atomabkommen gekündigt und scharfe Wirtschaftssanktionen gegen das Land verhängt – eine Strategie des «maximalen Drucks», wie er es nennt. Er hat Teheran mit massiven Militärschlägen, sogar mit «Vernichtung» gedroht, ­sollte das Land zum Beispiel ­US-Truppen angreifen. Zugleich ­jedoch hat Trump Teheran auch Verhandlungen über ein neues Atomabkommen angeboten.

«Manchmal muss man das»

Der Iran allerdings reagiert auf den Druck mit Gegendruck, der sich gegen die Ölinfrastruktur des US-Verbündeten Saudi-Arabien richtet, aber auch gegen das amerikanische Militär in der ­Region. Das war der Hintergrund für den Abschuss einer US-Drohne durch die iranische Flugabwehr im Juni und für die wohl von Iran gesteuerte Attacke auf die saudischen Raffinerieanlagen am Wochenende.

Schon Trumps Reaktion auf den Drohnenabschuss im Juni war unentschlossen. Er autorisierte einen Vergeltungsangriff, brach diesen aber in letzter Minute ab und erneuerte sein Gesprächsangebot an Teheran. Auch in den fünf Tagen, die seit dem Angriff auf die saudischen Ölanlagen vergangen sind, hat Trump 
mehrmals seine Meinung geändert. Am Sonntag twitterte er, das US-Militär stehe bereit zum Gegenschlag. Am Montag dann versicherte Trump, er wolle keinen Krieg mit dem Iran. «Ich ­sehne mich nicht danach, in einen neuen Konflikt zu gehen», sagte er – nur um wieder einzuschränken: «Aber manchmal muss man das.» Zwischen Trumps Aussage, Amerika wolle «gegen niemanden Krieg führen», und seiner Feststellung, ein Militärschlag sei eine angemessene Antwort auf den Angriff auf die saudischen Raffinerien, lag am Montag nicht einmal eine Stunde.

Dabei ist Trump kein Pazifist, der militärische Gewalt grundsätzlich ablehnt. Er ist nur – wie viele seiner Wähler – ein Gegner von Militäreinsätzen, bei denen US-Soldaten weit weg in der ­Wüste für unklare Ziele kämpfen. Schon die geerbten Einsätze in Syrien, im Irak und in Afghanistan gehen Trump gegen den Strich. An einem neuen Krieg gegen den Iran hat er kein Interesse; zumal dadurch alle Chancen, einen historischen Deal mit dem Feindstaat zu machen, zerstört würden. Doch Trump will auch keinesfalls schwach aussehen – daher das martialische Gerede und die Drohung, im Ernstfall die ganze Macht des amerikanischen Militärs auf Teheran loszulassen.

«Signal der Schwäche»

Der zweite Grund für Trumps Zickzackkurs hat mit den Leuten zu tun, die ihn aussenpolitisch beraten. Dazu zählen interventionistische Falken wie der re­publikanische Senator Lindsey Graham, ein Iran-Hardliner, der gleich am­Wochenende einen US-Angriff auf iranische Ölanlagen forderte. Seitdem bearbeitet Graham den Präsidenten, zuletzt am Dienstag mit einem Tweet, in dem er Trumps Entscheidung, die Vergeltungsaktion für den Drohnen­abschuss im Juni abzusagen, als «Signal der Schwäche» bezeichnete. Man kann vermuten, dass Graham das Wort «weakness» bewusst verwendet hat, um Trump so zu provozieren, dass dieser seine Stärke mit einem ­Militärschlag unter Beweis stellt.

Aber Trump biss nicht an. Graham habe nur nicht verstanden, dass seine Entscheidung damals ein «Signal der Stärke» gewesen sei, twitterte er – und verkündete gestern genau das, was Graham für zu lau hält: neue Wirtschaftssanktionen.

Dieser Schritt war nicht wirklich überraschend. Denn die zweite Gruppe von Menschen, die Trumps Aussenpolitik wesentlich beeinflusst, teilt seine Aversion gegen ferne Kriegsabenteuer. Trump sei gewählt worden, um Amerika gross zu machen und eine Grenzmauer zu bauen, nicht um saudisches Öl zu verteidigen, lautet ihr Argument. Unter diesen Leuten sind einige der bekanntesten konservativen Kommentatoren, etwa der Fox-News-Moderator Tucker Carlson. Für Trump sind sie als Multiplikatoren wichtig, die ihn mit seiner Wählerbasis verbinden – ihre Unterstützung zu verlieren, wäre politisch riskant.

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