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Bern

Die SBB will ihre Passagiere pünktlicher ans Ziel bringen

Im Schnitt kommen täglich 125 000 Bahnkunden zu spät an ihrem Zielort an, an schlechten Tagen sind bis zu 300 000 Personen von Verspätungen betroffen. Die SBB reagiert.

Bange Blicke an die Anzeigetafel sollen in Schweizer Bahnhöfen seltener werden. Bild: Keystone

«Weitere Schritte sind notwendig», sagte SBB-Chef Andreas Meyer vor den Medien in Bern. Noch könne er «keine grossen Ergebnisse» punkto Pünktlichkeit präsentieren, sondern vorerst nur «bescheidene Massnahmen». Deshalb folgerte er: «Wir werden keine schnelle Besserung haben.»

Die Probleme bei den Bundesbahnen sind vielschichtig: Verzögerungen bei der Inbetriebnahme neuer Züge bei zunehmenden Passagierzahlen, Verspätungen auf den meistbefahrenen Strecken sowie eine angespannte Personalsituation. Meyer sprach von einem «betrieblich und emotional sehr anspruchsvollen Jahr 2019».

Gleichgewicht finden

Zu den strukturellen Herausforderungen kamen ein tödlicher Unfall eines Zugbegleiters, hitzebedingte Probleme sowie Grossanlässe wie das Schwing- und Älplerfest und die Fête des Vignerons hinzu. Gelitten darunter hat auch die Pünktlichkeit. Dass diese im Vergleich mit Vorjahren nicht ganz abgesackt sei, bezeichnete SBB-Chef Meyer als «Parforceleistung». Die betriebliche Situation bleibe auch in den kommenden Monaten und Jahren angespannt. Deshalb will die SBB die «Balance finden zwischen fahren und bauen». Unterhaltsarbeiten und Ausbauprojekte sollten besser geplant werden. Wo nötig müssten mehr Reserven bei Personal, Rollmaterial, Anlagen und im Fahrplan geschaffen werden, führte Meyer weiter aus. «Wir sind primär eine Transport- und keine Baufirma.»

Flexiblere Abfahrtszeiten

Erste kleine Massnahmen werden schon zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 umgesetzt. Dabei gehe es um Anpassungen im Minuten- oder gar Sekundenbereich, sagte Meyer. Eingeführt wird punktuell etwa das «First in, first out»-Prinzip. Das heisst: Künftig fährt derjenige Zug zuerst ab, der früher bereit ist. So werde verhindert, dass die Verspätung eines Zuges auf den anderen übertragen wird. Die Massnahme wird erst einmal im Bahnhof Spiez eingeführt, wo jeweils zwei Intercity-Züge – einer aus dem Berner Oberland und einer aus dem Wallis – praktisch zeitgleich eintreffen. Heute ist fixiert, dass der Zug aus Interlaken drei Minuten vor der Komposition aus Brig losfährt. Ab dem 15. Dezember soll das flexibler gestaltet werden.

Umsteigen am Flughafen

Als zweite Sofortmassnahme empfehlen die SBB künftig Reisenden zwischen der Ostschweiz und dem Mittelland und umgekehrt, am Flughafen statt am Hauptbahnhof Zürich umzusteigen. Am Flughafen halten die entsprechenden Züge am gleichen Perron, was die Umsteigezeit verkürze und die Anschlüsse zuverlässiger mache, ohne dass der Fahrplan angepasst werden müsse.

Diese Schritte sind die ersten des längerfristig angelegten Programms «Kundenpünktlichkeit 2.0», für die die SBB auch eine Expertengruppe eingesetzt haben. Zwar sei die Pünktlichkeit in den vergangenen Jahren stetig gestiegen und im europäischen Vergleich hoch, heisst es vonseiten SBB. «Regional und auf einzelnen Linien ist sie jedoch zeitweise auf einem ungenügenden Niveau.»

Die SBB gaben sich gestern betont selbstkritisch.» Wir hätten in der Vergangenheit wohl an der einen oder anderen Stelle bremsen sollen», sagte Meyer. Heute seien die SBB in einigen Bereichen am Anschlag.

«Es wurde beispielsweise total unterschätzt, wie viele Lokführer wir brauchen», sagte Meyer. Deshalb stünde heute an Spitzentagen zu wenig Personal zur Verfügung. Zudem hätten die neuen Doppelstockzüge des Typs FV Dosto von Bombardier sechs Jahre Verspätung. «Das schleckt keine Geiss weg», sagte Meyer. Schliesslich sind die SBB auch Opfer des eigenen Erfolgs: Im ersten Halbjahr 2019 haben die Passagierzahlen im Personenverkehr um 7 Prozent zugenommen. Trotz dieser Herausforderungen bleibe es das Ziel, die Kundenpünktlichkeit auf dem heutigen Niveau zu halten oder sogar zu erhöhen, schreiben die SBB. Ins Boot geholt werden sollen auch die Kunden. Sie sollen zu verschiedenen Optionen Stellung nehmen können. Möglich ist laut den SBB etwa, einzelne Halte für bestimmte Zugkategorien aufzuheben werden, «sofern die Reisekette mit anderen Zügen oder Angeboten gewährleistet ist».

Push-Meldung bei Verspätungen

Nach Ansicht der SBB sollen die Infrastrukturbetreiberinnen ihre Baustellen künftig zudem früher verbindlich ankündigen; für die Eisenbahnverkehrsunternehmen soll eine Einsprachemöglichkeit geschaffen werden.

Weitergehende Änderungen sind bald zu erwarten. Dazu gehört auch der Ausbau der Kundeninformation über die SBB-App. Geplant ist etwa ein Push-Alarm im Fall von Störungen. Erste Ergebnisse sollen im März 2020 vorliegen. sda

Stichwörter: SBB, Verspätung, Zug

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