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Iran

Teheran nimmt hunderte Zentrifugen wieder in Betrieb

Im Streit um das Wiener Atomabkommen sehen die Europäer ihren Einfluss schwinden. Ab heute will der Iran wieder mehr Uran anreichern, um die USA zum Einlenken zu bewegen.

Hassan Ruhani befürwortet das Atomabkommen, steht aber innenpolitisch unter Druck. Bild: Keystone

Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat einen weiteren Teilausstieg aus dem Wiener Atomabkommen angekündigt und damit international Besorgnis ausgelöst. Der Iran werde von heute an in der Atomanlage Fordo Urangas in 1044 bisher inaktive Zentrifugen injizieren, sagte Ruhani gestern im iranischen Staatssender IRIB. Nach den Vereinbarungen des internationalen Atomabkommens von 2015 darf die Anlage Fordo nur für wissenschaftliche Projekte genutzt werden – die Zentrifugen dort dürfen lediglich getestet werden.

Ruhani betonte, die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sei über den Schritt in Kenntnis gesetzt worden, die Massnahmen seien jederzeit umkehrbar. «Sobald die Gegenseite das Atomabkommen voll und ganz umsetzt, werden auch wir dies umgehend tun», sagte er.

Der Iran wolle nicht mehr als im Atomabkommen vorgesehen: sein Öl verkaufen und Geld über das internationale Banksystem erhalten. Bis zur Umsetzung dieser legitimen Forderung bleibe der Iran weiterhin gesprächsbereit, gleichzeitig aber auch konsequent, sagte der Präsident.

Die EU ist angesichts der jüngsten Ankündigungen aus Teheran besorgt, wie eine Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel deutlich machte. Sie rief den Iran dazu auf, alle Aktivitäten, die nicht mit dem Atomabkommen in Einklang stehen, zu unterlassen. Die EU stehe weiter zu dem Abkommen, auch wenn es immer schwieriger zu retten sei.

Auch Russland reagierte besorgt auf die Äusserungen des iranischen Präsidenten. Ein solcher Schritt sei kein gutes Zeichen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Moskau befürworte wie seine Partner, dass der Vertrag bestehen bleibe, sagte er der Agentur Tass zufolge.

Der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, hatte bereits am Montag bekannt gegeben, dass der Iran inzwischen mit schnelleren Zentrifugen arbeite, die den Prozess der Urananreicherung wesentlich beschleunigen sollen. Die seit September genutzten neuen IR-6- Geräte seien zehnmal schneller als die alten IR-1-Zentrifugen, sagte Salehi, der auch Vizepräsident des Landes ist. Beobachter schätzen die jüngste Entwicklung als gefährlich ein. Mit dem richtigen Know-how und modernen Zentrifugen kann der Iran nach ihrer Einschätzung Uran mittel- oder langfristig bis 90 Prozent anreichern, was schliesslich auch den Bau einer Atombombe ermöglichen würde.

Gemäss dem während mehrerer Jahre mühsam ausgehandelten internationalen Atomabkommen von 2015 darf die Islamische Republik nur die ältere Generation der Zentrifugen nutzen, Uran lediglich auf 3,67 Prozent anreichern und nicht mehr als 300 Kilogramm an Uranbestand haben. Die auf 3,67 Prozent begrenzte Urananreicherung war einer der Kernpunkte des Wiener Vertrages, der den Bau iranischer Nuklearwaffen verhindern soll.

Die USA waren im Mai 2018 einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen, das dem Iran eine friedliche Nutzung der Kernkraft gestattet, aber die Entwicklung von Kernwaffen verwehrt. Washington führte zudem Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder ein. Die Sanktionen sollen die iranische Öl-, Finanz- und Bauwirtschaft zum Erliegen bringen. Damit will Washington die Führung in Teheran zwingen, einem um aussenpolitische und militärische Fragen erweiterten Abkommen mit härteren Auflagen zuzustimmen.

Teheran verlangte von den verbliebenen Vertragspartnern – China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Russland – die Rettung des Abkommens. Sie sollen Unternehmen dazu bewegen, trotz der US-Sanktionen mit Teheran Geschäfte zu machen. Nach einer Frist von einem Jahr nach dem US-Ausstieg begann der Iran, sich seinerseits schrittweise von Bestimmungen des Abkommens zurückzuziehen, um Druck auf die verbleibenden Vertragsparteien auszuüben. sda

Stichwörter: Ausland, Iran

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