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Wahlen 19

«Wer das verlangt, der missachtet 
das demokratische Prinzip»

Der wiedergewählte Ständerat Hans Stöckli (SP) sagt im Interview, weshalb er sich nach diesen Wahlen fühlt wie damals als neuer Bieler Stadtpräsident. Und er erzählt, weshalb sich ein Journalist bei ihm entschuldigt hat.

Copyright: Aimé Ehi / Bieler Tagblatt
  • Dossier

Interview: Deborah Balmer

Hans Stöckli, Sie haben am Sonntag die Wiederwahl geschafft. Das muss für Sie auch ein Tag später noch eine grosse Genugtuung sein.

Hans Stöckli: Tatsächlich ist es ein angenehmes Gefühl. Wenn ich derzeit durch die Stadt gehe, sei es in Biel oder in Bern, oder Zug fahre, kommen sehr viele Menschen auf mich zu, um mir zu gratulieren und mir alles Gute zu wünschen. Auch im Bundeshaus habe ich den Eindruck, dass sehr viele begrüssen, dass ich im Ständerat weiter arbeiten kann.

 

Nach dem Sieg wurden Sie im Rathaus von einem Journalisten gefragt, ob Sie nicht zugunsten der Frauen auf den zweiten Wahlgang hätten verzichten müssen. Laut «Tages-Anzeiger» haben Sie nach dieser Frage die Fassung verloren.

Diese Frage wurde mir von einem Journalisten bereits Anfang November gestellt. Der Journalist hat sie dann nicht in das Interview aufgenommen. Umso erstaunter war ich, dass mir gestern nach meinem klaren Resultat dieselbe Frage nochmals gestellt wurde. Ich konnte wirklich kein Verständnis aufbringen und habe das auch laut zu erkennen geben. Er hat sich dann am Abend bei mir für seine Frage entschuldigt.

 

Was hat Sie denn an dieser Frage gestört?

Am Ende des Tages wäre das ein Eingeständnis, dass Frauen nur Wahlchancen hätten, wenn keine Männer kandidieren. Und das muss sich keine Frau gefallen lassen. Wir leben in einer Demokratie, in der die Mehrheit entscheidet, wer die Bevölkerung vertreten darf. Zweifellos hatten die Frauen bei den letzten Wahlen alle Vorteile auf ihrer Seite. Sie wurden gerade von den Medien bestens unterstützt.

 

Wie reagieren Sie auf harte Worte wie «Hans Stöckli ist ein Frauenverhinderer»? Zu lesen sind solche Aussagen nach Ihrem Sieg auf Facebook.

Wer von mir verlangt, dass ich als bisheriger und bestgewählter «alter, weisser Mann» zugunsten einer nicht gewählten Frau auf meine Kandidatur oder mein Amt verzichte, der missachtet das demokratische Prinzip und handelt diskriminierend.

 

Denken Sie, dass viele SP-Wähler aus Angst vor den Grünen nur Hans Stöckli auf den Wahlzettel geschrieben haben?

Sowohl im ersten wie auch im zweiten Wahlgang haben sehr viele SP-WählerInnen auch Regula Rytz die Stimme gegeben. Umgekehrt erhielt ich erst im zweiten Wahlgang – dank auch dem gemeinsamen rotgrünen Ticket, eine gute Unterstützung der Frauen und der grünen Wähler. Bei einer Majorzwahl kann man nur gewinnen, wenn man weit über das eigene rot-grüne Lager hinaus Stimmen holen kann. Und das ist mir gelungen. Viele Prominente aus allen bürgerlichen Parteien und dem ganzen Kanton haben mich öffentlich unterstützt, wie der BDP-Gründungspräsident Hans Grunder. Auch verschiedene Unternehmer im Kanton Bern haben sich für mich ausgesprochen. Das zeigt, dass die Mittewählerinnen und Mittewähler mir vertrauten. Diese haben mir den Vorsprung von über 16 000 Stimmen gegenüber der Frau Regula Rytz gebracht.

Hat Ihnen eigentlich Bundesrat Ueli Maurer (SVP) bereits zum Wahlerfolg gratuliert?

Nein, dafür aber Bundesrätin Sommaruga und Bundesrat Berset.

 

Und aus der Region Biel: Haben Sie da auch besondere Gratulationen erhalten?

Ja, bereits im Zug auf der Heimreise von Bern nach Biel sind mehrere Fahrgäste aufgestanden, um mir zu gratulieren. Dazu habe ich unzählige SMS und Mails erhalten, die ich noch gar nicht alle lesen konnte. Auch zahlreiche Sprachnachrichten sind eingegangen. Es kam mir vor wie damals nach meiner ersten Wahl als Bieler Stadtpräsident. Das ist 29 Jahre her. Diese Wahl war mit Abstand die schwierigste, die ich je hatte, der härteste Wahlkampf, weil keiner wusste, wie es herauskommt. Niemand wusste, wie das bürgerliche Ticket funktionieren wird, auch, ob die grüne Welle weitergeht, war unklar und wie sich die SP-Wähler verhalten. Der Sonntag wurde dann aber zu einem SP-Sonntag, weil schweizweit alle vier SP-Kandidaten und Kandidatinnen in den Ständerat gewählt wurden. Für meine Partei war das also ein sehr wichtiger Tag.

 

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass Sie am 2. Dezember zum Ständeratspräsidenten gewählt werden. Haben Sie mit den Vorbereitungsarbeiten für das Amt begonnen?

Jawohl, ich freue mich auch sehr auf diese Aufgabe. Bis zu meiner Wahl wollte ich gar nichts davon wissen. Ich musste mit einer Nichtwiederwahl rechnen. Und wie ich bereits öffentlich sagte, hatte ich meine Rede zum Falle einer Abwahl bereits geschrieben. Diese werde ich sicher eines Tages publizieren, als eine glücklicherweise nicht gehaltene Rede. Da Simonetta Sommaruga im nächsten Jahr zur Bundespräsidentin gewählt wird, haben wir beschlossen, unsere beiden Präsidenten-Feiern gemeinsam zu gestalten. Es ist vorgesehen, diese im Zentrum von Biel und in der Bieler Altstadt abzuhalten.

 

Bei welchen politischen Vorlagen wird es schwierig sein, mit Werner Salzmann zu verhandeln?

Es ist klar, Werner Luginbühl (BDP) und ich waren ein gutes und eingespieltes Team. Werner Salzmann und ich werden uns sicher stärker zusammenraufen müssen. Es gilt verschiedene Themen miteinander zu diskutieren, schliesslich ist es wichtig für den Kanton Bern, dass sich unsere Stimmen nicht gegenseitig aufheben. Auch Werner Salzmann wird sich überlegen müssen, ob er die Interessen des Kantons und der klar geäusserten Haltung des Regierungsrates oder die der Partei höher gewichten will – vor allem natürlich in der Frage der Personenfreizügigkeit und des Rahmenabkommens. Ich werde unseren Kanton Bern als Industriekanton, als innovativen und zweisprachigen Kanton kraftvoll zu vertreten wissen. Dabei wird mir das Präsidium des Ständerates eine gute Plattform geben.

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