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Sozialdemokraten

Koalitionskritiker 
setzen sich durch

Nach der Wahl des neuen SPD-Führungsduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans droht der grossen Regierungskoalition die Zerreissprobe.

Wollen Koalition neu verhandel: Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Bild: Keystone

Mit der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben die Sozialdemokraten am Wochenende zwei GroKo-Kritiker an ihre Spitze gewählt. Nach ihrem innerparteilichen Triumph über Vizekanzler Olaf Scholz und die Brandenburger Politikerin Klara Geywitz forderte das neue Führungsteam denn auch erneut Kurskorrekturen der Regierung. Beide vermieden aber eine offene Drohung mit Koalitionsbruch. Sie planten «keinen Alleingang», sondern einen gemeinsamen Kurs mit der Bundestagsfraktion und den SPD-Ministern, sagte Saskia Esken am Samstagabend im Sender ARD.

Mit der Bürde der Niederlage steht auch die politische Zukunft von Finanzminister Scholz in Frage. Das Duo Scholz/Geywitz kam nur auf 45,33 Prozent der Stimmen, der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Esken lagen in der Stichwahl mit 53,06 Prozent deutlich vorn. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 54 Prozent.

Klarer Fahrplan

Das designierte Spitzenduo, dessen Bestätigung auf dem am Freitag beginnenden Parteitag als Formsache gilt, hat sich nach Informationen aus der SPD einen klaren Fahrplan gesetzt. Morgen trifft sich das erweitere Präsidium mit Esken und Walter-Borjans, wie es gestern in der Partei hiess.

Beraten werde ein Antrag, in dem nicht nur die Halbzeitbilanz der Koalition bewertet werden soll, sondern auch neue Aufgaben für eine Fortsetzung der Regierung beschrieben werden. Vor allem Esken hatte im Kampf um den Parteivorsitz den Fortbestand der Koalition an neue Verhandlungen mit der Union geknüpft. Konkret wolle man den Koalitionsvertrag unter den Aspekten Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und staatliche Investitionen in Strassen, Schulen und Bahn neu verhandeln.

Am Donnerstag soll sich der SPD-Vorstand mit den Empfehlungen für den Parteitag befassen und möglichst beschliessen. Mit einem Beschluss für ein sofortiges GroKo-Aus wird nicht gerechnet. Spannend wird, wie hoch die Latte für ein Weiterregieren gelegt wird.

Auf dem Parteitag am Freitag wollten sie inhaltliche Punkte benennen und die Delegierten darüber entscheiden lassen, «was jetzt so dringend umgesetzt wird, dass wir daran auch die Koalitionsfrage stellen», sagte Walter-Borjans.

Union fordert Koalitionstreue

Angesichts der neuen Konstellation wird in Koalitionskreisen davon ausgegangen, dass es schnell nach dem dreitägigen SPD-Parteitag einen Koalitionsausschuss geben wird. Die Union warnte die SPD vor einem harten Schwenk nach links und forderte Koalitionstreue. «Wir stehen zu dieser Koalition auf der Grundlage, die verhandelt ist», sagte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gestern bei einem Besuch in Split in Kroatien. «Das ist für die CDU die Geschäftsgrundlage.»

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) kommentierte das SPD-Ergebnis mit Sorge: «Es passt zum Selbstzerstörungsmodus der SPD.» Für die Union gelte: «Ruhe bewahren, aber standhaft bleiben», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Rund ein halbes Jahr hat die SPD eine neue Führung gesucht. Im Sommer war die bisherige Parteichefin Andrea Nahles nach Machtkämpfen zurückgetreten.

Spitzenpolitiker anderer Parteien zeigten sich von dem Ergebnis überrascht. «Ich bin völlig baff», schrieb FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter. Die Führungsspitze der Grünen gratulierte Esken und Walter-Borjans: «Wir wünschen ihnen viel Erfolg und freuen uns auf eine faire, sachliche und konstruktive Zusammenarbeit.» sda

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