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Die Uhr aller Uhren

Das Museum für Gestaltung in Zürich lässt den optischen Auftritt der Schweizerischen Bundesbahnen seit der Gründung 1902 Revue passieren. Glanzstück ist die Bahnhofsuhr, die dieses Jahr 75 wird. Ihretwegen haben sich die SBB mal mit Apple angelegt.

Der Zeiger soll an die Kelle eines Stationsvorstandes erinnern: Die 1944 von Hans Hilfiker entworfene Schweizer Bahnhofsuhr ist eine Design-Ikone. Der Computergigant Apple machte sie durch eine unerlaubte App weltberühmt. Bilder: zvg

Beat Kuhn

Apple hat bei Weitem nicht alle eigenen Applikationen selber erfunden. Manches wurde von andern Computerfirmen übernommen, gesetzeskonform gegen Geld – ausser als der Konzern 2012 eine App mit dem Design der Schweizer Bahnhofsuhr aufschaltete. Denn dafür hatte er sich die Rechte nie gesichert. Das gab Ärger. Nach Zahlung einer Lizenzgebühr, die 20 Millionen Franken betragen haben soll, konnte der Streit mit den Schweizerischen Bundesbahnen, für die das Design der Uhr geschützt ist, aber beigelegt werden.

Im darauffolgenden Jahr entfernte Apple das Uhrendesign wieder aus seinem Betriebssystem iOS, nachdem das Unternehmen zuvor den Entwickler der App, Swiss Rail Clock, aufgefordert hatte, deren Vertrieb einzustellen. Seit 2017 ist die App aber zurück im Store von Apple, wo man sie mit dem Suchbegriff «SBB Uhr» findet und gratis herunterladen kann.

Was Apple da getan hatte, war nicht nur ein Rechtsbruch gewesen, sondern auch ein Sakrileg. Denn die Bahnhofsuhr ist ein helvetisches Nationalheiligtum, das man nicht ungestraft abkupfert. Inoffiziell war dieser Diebstahl geistigen Eigentums durch den Weltkonzern aus dem Silicon Valley aber natürlich eine grosse Ehre. Wie eng die SBB mit der Eidgenossenschaft verbunden ist, zeigt sich auch etwa daran, dass der Bundesrat den Rot-Ton des Logos zur offiziellen Farbe des Schweizer Wappens erklärt hat, nachdem diese zuvor gar nicht festgelegt gewesen war.

Wieso der Zeiger kurz stoppt

Die Klasse, die die Bahnhofsuhr hat, zeigt sich auch daran, dass man ihr das Alter nicht ansieht. Sie wird heuer nämlich – man kann es kaum glauben – 75 Jahre alt. Erfunden hat sie 1944 der Elektroingenieur und Gestalter Hans Hilfiker. Ihr schnörkelloses Design mit schwarzen Balken statt Zahlen, auf dem die Zeit auch aus grösserer Entfernung gut ablesbar ist, wurde international zum Vorbild für Bahnhofsuhren.

Der rote Sekundenzeiger – dessen Form an die Kelle eines Stationsvorstandes erinnern soll – kam erst in einem zweiten Schritt hinzu. Er läuft etwas zu schnell und bleibt dann zu jeder vollen Minute 1,5 Sekunden stehen, um pünktlich auf die darauffolgende Minute fortzufahren. Der kurze Stopp wurde ursprünglich eingelegt, weil es mit den technischen Möglichkeiten von damals nicht anders ging. Heute könnte er zwar ausgelassen werden, doch wird er aus Tradition beibehalten. Auch die App hat ihn übernommen. Die Armbanduhr, die die Firma Mondaine im schwyzerischen Pfäffikon seit 1986 herstellt, gibt es sowohl in der Variante «mit» als auch «ohne».

Zeitreise in der Bahnhofshalle

Die Uhr ist sicher das berühmteste Stück der Ausstellung «SBB CFF FFS», die derzeit im Museum für Gestaltung in Zürich läuft. Bekannt sind die dortigen Ausstellungsstücke aber allesamt, weil sie zum Alltag gehören, weil das Erscheinungsbild der SBB mit ihren Bahnhöfen und Zügen das öffentliche Leben in der Schweiz wesentlich mitprägt.

Der Ausstellungsraum des Museums ist in eine Bahnhofshalle verwandelt worden, mit allem, was dazugehört: elektronische Anzeigetafel, Durchsagen für die Passagiere sowie Hintergrundgeräusche. Jeder der vier stilisierten Züge, die darin stehen, beleuchtet einen der vier thematisierten Bereiche: die Architektur, das Industriedesign, die visuelle Kommunikation und die SBB als System, in dem all diese Elemente zusammenkommen.

Die Besucher werden zu einer Zeitreise eingeladen, die bei der Gründung der SBB 1902 beginnt und bei der Mobilität von morgen endet. Neben Plakaten und Fotografien sowie Video- und Klanginstallationen sind auch zahlreiche Originalobjekte zu sehen. Da gibt es etwa ein Wiedersehen mit der roten Zugführertasche mit langem Lederbändel, die vor 15 Jahren ausser Dienst gestellt wurde. Zudem drehen auf einer Modelleisenbahn verschiedene Züge ihre Runden, und schliesslich laden Holzschienen Klein und Gross ein, selbst eine Bahnstrecke zu bauen.

007 reist im statt auf dem Zuge

Werbung macht die SBB nicht gegen andere Bahnbetreiber, mit denen man sich vielmehr ergänzt, sondern gegen den motorisierten Verkehr. Denn die Schweizer mögen zwar Europameister im Zugfahren sein – wie es auf einem Plakat heisst, das 2008 zur Fussball-EM in der Schweiz und Österreich erschien –, doch schon 1953 hat der Personenverkehr auf der Strasse jenen auf der Schiene überholt. Slogans wie «Der Kluge reist im Zuge» oder «Gute Idee SBB» kennt man auch nach einem halben Jahrhundert noch. Und unvergessen ist auch der TV-Spot, in dem der Wahlschweizer Roger Moore alias James Bond für das Halbtax-Abo wirbt. Sein Honorar bestand übrigens aus einem solchen Abo – für ein Jahr. «That’s Switzerland ...!», kommentierte er einmal schmunzelnd.

Info: Die Ausstellung «SBB CFF FFS» im Museum für Gestaltung in Zürich (am Standort Ausstellungsstrasse 60) läuft noch bis zum 5. Januar.

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