Diese Kartons kommen von Herzen

Das Bieler Hilfswerk Cartons du Cœur sammelt mit Hilfe von La Werkstadt während der Adventszeit Spenden für Bedürftige aus der Region.

Chantal Dutoit (links) und Christine Meziane nehmen in La Werkstadt die Spenden entgegen. Bild: Aime Ehi

Tabitha Zimmermann

«Wir wollen die Leute während der Adventszeit daran erinnern, dass es auch in Biel viele Bedürftige gibt», sagt Chantal Dutoit, die Präsidentin der Organisation Cartons du Coeur. Diese sammelt vom 2. bis 19. Dezember Geldspenden, Lebensmittel und Alltagsartikel für bedürftige Haushalte in Biel und der Region. Laut Dutoit verspüren die Menschen während der Weihnachtszeit ein grösseres Bedürfnis, ihr Glück mit anderen zu teilen.

Cartons du Coeur existiert nicht nur in Biel, sondern schweizweit. Alle Standorte funktionieren aber eigenständig. In Biel vertritt der Verein das Prinzip, dass die Bedürftigen sich selber per Telefonanruf melden müssen, um Spenden zu erhalten. Teilweise sorge dies für Hemmungen unter den Betroffenen, sagt Dutoit: «Viele müssen sich überwinden, bei uns anzurufen. Einige schämen sich, zuzugeben, dass sie Hilfe benötigen. Wir versuchen es ihnen aber so angenehm wie möglich zu machen.» Die Organisation frage zwar nach den Gründen für die benötigte Spende, die Anrufer müssten aber keine Formulare ausfüllen und könnten anonym bleiben. Spätestens beim Ausliefern merke man sowieso, ob die jeweiligen Personen wirklich auf die Spenden angewiesen seien.

Für kurzfristige Notlagen

Da die Organisation saisonbedingt zwei bis fünf Anfragen pro Tag bekomme, erlaube sie jedem Haushalt lediglich zweimal im Jahr, Spenden zu beantragen. Der Verein zielt mehr auf eine vorübergehende Hilfestellung, als auf eine permanente Unterstützung hin und ermöglicht somit eine kurzfristige Notlage zu überbrücken.

Auch wenn man das in Biel laut Dutoit nicht mitbekomme, befinden sich viele mittellose Senioren, Alleinerziehende, Arbeitslose, Kranke und Ausgesteuerte in einer Notlage. Auch viele Grossfamilien kontaktieren den Verein. «Sie sind uns immer sehr dankbar und freuen sich über unseren Besuch. Viele sind erstaunt, wie gross und vielfältig unsere Spenden sind. Oft erwarten uns am Eingang schon Kinder, die voller Vorfreude unsere Lieferung entgegennehmen.»

Für eine vierköpfige Familie rechnet Dutoit etwa vier volle Kartonkisten mit nicht verderblichen Produkten und zwei Einkaufstaschen mit Milchprodukten, frischem Obst und Gemüse.

Die Spendenaktionen von Cartons du Coeur laufen auch ausserhalb der Adventszeit, dann allerdings meistens in Form von Geldspenden übers Internet. Mit diesem werden vom Verein Bestellungen aufgegeben und neue Spendenwaren gekauft.

Täglich fünf Haushalte

Das Hilfswerk organisiert ausserdem zweimal jährlich eine Spendenaktion vor einem Einkaufsladen, wie Coop oder Migros. Dort animieren sie Leute, bewusst mehr einzukaufen, um beim Hinausgehen etwas zu spenden. So kamen beim vergangenen Anlass vor der Coop Filliale im Centre Bahnhof rund 1000 Kilo an Nahrungsmitteln zusammen. Das sei jedoch nicht genug, sagt Dutoit, denn Cartons du Coeur beliefere täglich vier bis fünf Haushalte.

Hauptsächlich wirbt die Organisation über die Sozialen Medien. Für die Adventsaktion habe der Verein auch Flyer in Schulen verteilt. «Wenn jedes Kind nur schon eine Konservendose von zuhause mitbrächte, würde einiges zusammenkommen.»

Die Spenden werden bis zum Transport in einem Lager untergebracht. Wo sich dieses genau befindet, möchte Dutoit nicht preisgeben, da es sonst Personen gebe, die direkt zum Lager kämen, um sich zu bedienen. «Es kam bereits vor, dass Bedürftige plötzlich bei mir zuhause auftauchten, um sich Spenden abzuholen.» Die Präsidentin nimmt dies zwar mit Humor, möchte aber trotzdem klarstellen, dass der Verein keine öffentliche Anlaufstelle ist, sondern die Spenden gezielt selber ausliefert.

Interaktion in digitaler Welt

Cartons du Coeur besteht aus 70 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Jeder Einzelne ist zu vier Stunden Arbeit im Monat verpflichtet. Die Arbeit besteht aus Telefondienst, dem Aufgeben von Bestellungen, dem Präparieren von Kisten und der Auslieferung. «Am meisten gefällt mir das Ausliefern der Ware, denn so kommen wir direkt mit den Menschen in Kontakt, für die wir den ganzen Aufwand betreiben, und spüren deren Dankbarkeit.»

Die Partnerschaft mit La Werkstadt begann vor rund zwei Jahren. La Werkstadt, in der Bahnhofstrasse, ist ein sogenannter Coworking Space, ein Raum, der zur Zusammenarbeit freiberuflicher Personen oder Studenten dient. Laut Christine Meziane, der Verantwortlichen von La Werkstadt, wird die Interaktion zwischen Menschen umso wichtiger, je digitaler unsere Welt wird. Meziane findet, dass Cartons du Coeur in der Deutschschweiz zu wenig bekannt sei. Sie wolle dem Verein mit La Werkstadt deshalb einen Ort bieten, um sich zu etablieren.

«Leider geht es bei dem Projekt um eine eher traurige Nachfrage, aber wir haben zum Ziel, die Wahrheit ins Gewissen der Leute zu bringen.» Ein finanzieller Abstieg könne laut Meziane jedem widerfahren und vor allem sehr schnell und unerwartet kommen. Grund dafür sei oft eine Trennung oder Kündigung der Arbeitsstelle. «Auch in der Schweiz geht es nicht allen gleich gut – vielen ist das in unserer Gesellschaft zu wenig bewusst und wir wollen sie mit unserer Aktion daran erinnern», sagt Dutoit.

Bisher sei die Spendenaktion eher ruhig angelaufen. Die zwei Organisatorinnen denken aber, dass der grosse Ansturm eher gegen Ende der Adventszeit kommen wird. Bereits 2016 lancierte die Organisation eine Adventsaktion. «Sie rannten uns regelrecht die Bude ein.» Dutoit erhofft sich bei der diesjährigen Aktion den gleichen Erfolg. Meziane wünscht sich hingegen vor allem, dass Cartons du Coeur durch die Aktion mehr Bekanntheit in der Deutschschweiz erlangt und somit noch mehr Unterstützung erhält. Ausserdem möchte Dutoit vermehrt jüngere Leute für die Mirabeit bei Cartons du Coeur motivieren, denn momentan besteht das Team grösstenteils aus älteren Personen. «Neue, jüngere Mitglieder würden unser Team erweitern und neuen Elan und Power einbringen», so Dutoit.

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