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„Krawattenzwang“

Start in den Tag mit einer Portion Glacé

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Start in den Tag mit einer Portion Glacé.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Viele durften/mussten/konnten über die Festtage das eine oder andere Spezialmenu geniessen. Die Zeit der Ruhe, der Familie und des Zusammenseins ist traditionell auch die Zeit der kulinarischen Sünden. Dabei sind die Reize oft grösser als die Vernunft. Man gönnt sich ja sonst nichts ...

Im strengen Januar-Regime angekommen, erinnert man sich gerne an die kleinen Übertretungen. Meist wird der Festtagsschmaus mit einem Dessert abgeschlossen. Die Dessert-Liebhaber unterscheiden sich dabei ganz grob in drei Gruppen: Käse, Süsses oder Früchte. Dem lauten Ja zum Dessertgenuss sei nachgeschoben: In der «richtigen» Menge genossen, wird der Schaden nicht allzu gross sein. Dass als Synonym für das Wort «Genussmenschen» der Ausdruck «Genussspecht» auftaucht, motiviert: Picken wir uns, was guttut.

Käse und Früchte sind nicht allein für Dessert reserviert, die geniesst man eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit gerne. Beim Süssen gilt trotz dem vorherigen Aufruf zu Unvernunft eher Zurückhaltung und deshalb auch ein viel weniger regelmässiger Genuss. Es gilt das Motto «Allzu viel ist ungesund.» Also Glacé zum Frühstück? Eher nicht.

Denkste, wie ein Erlebnis in den letzten Tagen zeigte: Während unsereiner nach dem Aufstehen nach dem ersten Kaffee lechzt, war die Bestellung der jungen Frau klar und deutlich: «Bitte eine Portion Caramel-Glacé.» Nach anfänglichem Staunen wurde der Wunsch selbstverständlich erfüllt. Die Bestellerin genoss das Caramel-Eis noch vor dem Frühstück. Und – ehrlich: Sie hat recht. Glacé zum Frühstück? Sicher auch! Mit dem «normalen» Kaffee zum Tagesstart wirkte das Umfeld fast etwas bescheiden, ja bünzlig. Gerne hätte sich der oder die eine oder andere angeschlossen.

Die kleine Dessert-Geschichte führt (wieder einmal) zum Gedanken, sich gelegentlich ausserhalb der Traditionen und Normen zu bewegen. Es geht nicht darum, extra aufzufallen oder als Querulant aufzutreten. Das Denken und Handeln ausserhalb des gewohnten Rahmens ist wichtig für Kreativität und Fortschritt. Es ermöglicht häufig Entwicklungen, die ohne aussergewöhnliche Ideen nicht möglich wären. Zögern wir also nicht, in jeder Situation unsere Inputs zu geben. So schräg sie auch im ersten Moment erscheinen mögen.

Beim nächsten speziellen Frühstück für mich auch Glacé, bitte – nicht täglich, aber zwischendurch etwas spinnen tut gut.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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