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Konzertreihe

Tapsende Tuba, tanzende Bilder

Ungewohnte Besetzungen, spezielle Aufführungsorte: Wenn die Lehrkräfte der Musikschule Biel auftreten, sind Überraschungen vorgesehen. Die Konzertreihe Cadenza ist gesichert – vorerst.

Was ist hier «falsch»? Kammermusik surprise ersetzen das Cello durch die Tuba. Bild: Tobias Graden

Tobias Graden

Ein Flügel. Ein zweiter Flügel. Eine Violine. Und... eine Tuba. Die allergeläufigste Kammermusik-Besetzung ist das nicht gerade. Karin Schneider (Klavier), Roumiana Kirtcheva (Klavier), Anita Fatton (Violine) und Pascal Schafer (Tuba) beginnen zu spielen. Die Rapsodie norvegiénne op.21 No 3 des norwegischen Komponisten Johan Svendsen.

Der erste Eindruck, die Geige habe sich der klanglichen Übermacht zu beugen, weicht rasch. Vielmehr merkt man bald: Sie bringt nicht nur schiffshornartige Wucht, die Tuba, sie kann in der lüpfigen Komposition auch sanft tapsen. Und überhaupt ist da viel Präzision, grosse Spielfreude und gegenseitige Rücksichtnahme auszumachen in dem Vortrag der eigenartigen Formation.

Kein Wunder, schliesslich sind hier Profis am Werk: Die drei Musikerinnen und der Musiker sind Lehrkräfte an der Musikschule Biel, ihr Quartett nennen sie Kammermusik surprise, am späten Sonntagnachmittag geben sie ein Konzert in der Burg, das Programm heisst unprätentiös «Concert entre amis».

Gemeinden springen ein
Der Auftritt markiert den Auftakt zur diesjährigen Cadenza, der Konzertreihe von Lehrkräften der Musikschule. Selbstverständlich ist das nicht: «Ich freue mich, dass es die Cadenza überhaupt noch gibt», sagt die stellvertretende Schulleiterin Isabelle Lehmann an der gestrigen Medienkonferenz. Als das Komitee, das für die Konzertreihe verantwortlich zeichnet, im Juli vergangenen Jahres das Programm zusammenstellte, tat sie dies im Ungewissen über deren Weiterbestehen.

Die Konzertreihe findet nun zum 16. Mal statt. Ihr Ursprung liegt über 15 Jahre zurück, als eine Privatperson der Musikschule einen Geldbetrag spendete mit der Auflage, damit Aufführungen von Lehrkräften der Musikschule zu finanzieren. Bis ins letzte Jahr reichte der Betrag aus – dank bescheidenen Umgangs damit, wie Lehmann betont. Honorare erhielten nur die Angestellten der Musikschule, wer auswärtige Musiker einlud, hatte mit ihnen zu teilen.

Nun aber ging das Geld zur Neige. In die Bresche springen die Gemeinden Biel, Nidau und Brügg, der Kanton Bern sowie drei Stiftungen. Sie sichern den Weiterbestand der Reihe vorerst für dieses Jahr – danach braucht es erneute Gesuche.

Möglichst offen und breit
Warum braucht es in einer an Konzertveranstaltungen nicht armen Stadt überhaupt eine solche Konzertreihe? «Cadenza unterscheidet sich von anderen Konzertreihen», sagt Isabelle Lehmann, «wir präsentieren fast ausschliesslich Musiker aus der Region.» Zudem sei die Musikschule zwar in erster Linie ein Zentrum für die musikalische Ausbildung, «aber eben auch ein Ort, wo Kultur stattfindet».

Andreas Engler, Geigenlehrer, Cadenza-Komiteemitglied und heuer selber Auftretender, doppelt nach: «Wir wollen das künstlerische Potenzial der Schule auch gegen aussen zeigen. Zudem lernen sich so die Unterrichtenden teils auf ganz neue Weise kennen.» Wie das Beispiel von Kammermusik surprise zeigt, finden nämlich nicht selten Gruppen extra für ein Cadenza-Konzert zueinander. Andere wiederum geben wie Die Matrosen als bestehende Formation ein Konzert (Programm vgl. Infobox). Engler schliesslich hat den Bandoneonisten, Gitarristen und Sänger Jonatan Blaty eingeladen und wird mit ihm den Spuren des Tangos auf der ganzen Welt nachgehen.

Es ist denn auch das Ziel, stilistisch möglichst offen und breit zu programmieren, was in den sechs Konzerten deutlich zu sehen und hören ist. Die Reise geht von Barockmusik auf historischen Instrumenten bis zur Improvisation mit sechs Tänzerinnen, die unter dem Motto «Klingende Räume – tanzende Bilder» das Kunstmuseum Pasquart bespielen werden. Als Beitragszahler kommen auch die umliegenden Gemeinden Brügg und Nidau zu Konzerten.

Ansporn für Schüler
Das vierköpfige Programm-Komitee hatte diesmal jedenfalls eine knifflige Aufgabe: Für die sechs «Startplätze» gab es 13 Bewerbungen – Engler und sein Team mussten also notgedrungen manchen Kolleginnen und Kollegen auch absagen. «Böses Blut hat es deswegen noch nie gegeben», sagt Andreas Engler und beteuert, sein eigener Auftritt erfolge an einem Datum, das ohnehin wenig begehrt gewesen sei.

Nicht zuletzt soll Cadenza eine Inspiration für die Schülerinnen und Schüler der Musikschule sein. «Wenn sie sehen, wie ihre Lehrkräfte zusammen musizieren, ist dies auch ihnen ein Ansporn», sagt Pianistin Roumiana Kirtcheva. Wie Kammermusik surprise selber aufzeigen, kann der Ansporn gerade darin bestehen, mit klassischer Musik spielerisch umzugehen. Das Violoncello durch eine Tuba zu ersetzen, ist schliesslich nicht Brahms selber in den Sinn gekommen.


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Das Programm
26. Januar, 17 Uhr, HKB Burg, Biel: Kammermusik surprise (vgl. Haupttext)
23. Februar, 10 Uhr, Brasserie la Rotonde, Biel: Die Matrosen (Rahel Thierstein, Rhodes; Samuel Joss, Kontrabass; Thomas Danzeisen, Altsax; Lukas Bitterlin, Drums)
1. März, 17 Uhr, Kirche Nidau: Dialogue, Musik für Cello und Gitarre (Alina Kudelevic, Violoncello;Ernesto Mayhuire, Gitarre)
5. April, 17 Uhr, Kunsthaus Pasquart, Biel: Trilhas sonoras, klingende Räume – tanzende Bilder (Daniel Erismann, Flügelhorn, Perkussion, Soundscapes; dazu die Tänzerinnen Denise Herren, Pauline Staubli, Anita Neuhaus, Laetitia Roulin, Manuela Scheck)
10. Mai, 10 Uhr, Brasserie la Rotonde, Biel: Mundo Tango (Andreas Engler, Violine; Jonatan Blaty, Bandoneon, Gitarre, Gesang)
7. Juni, 17 Uhr, Aula Bärlet, Brügg: Le parnasse ou l’apothéose de Corelli, Barockmusik auf historischen Instrumenten (Muriel Affolter, Barockvioline;Regula Schwaar, Barockvioline; Martin Birnstiel, Barockcello; Eriko Wakita, Cembalo) tg

 

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