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„Krawattenzwang“

Das «Müra-Chemi» – Wetterhahn einer ganzen Stadt

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Das «Müra-Chemi» – Wetterhahn einer ganzen Stadt.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Wissen, woher der Wind weht: Die Redensart beschreibt umgangssprachlich, dass man Bescheid weiss. Wann und worüber auch immer – der Spruch gilt. Auch wenn entgegnet werden muss, dass wohl niemand stets genau vorhersagen kann, was passiert. Zum Glück.

Der Gedankengang bezieht sich auch auf das Eigentliche, nämlich den «echten» Wind. Viele von uns beschäftigen sich regelmässig mit Wetterprognosen. Sei es, weil wir tatsächlich draussen den Elementen ausgesetzt sind, sei es aus Interesse und Gwunder. Wir nutzen dazu neben vielen Apps die herkömmlichen Karten und Prognosen in den Medien, im Wissen, dass die Fortschritte in der Meteorologie gewaltig sind.

Auch die Publikation von präzisen Wetterprognosen im «Bieler Tagblatt» darf übrigens nicht unterschätzt werden, wie regelmässig Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern zeigen. Obwohl extern produziert und angeliefert, ist und bleibt diese Rubrik in einer Tageszeitung wichtig. Gelegentlich zum Leid der Tourismusorganisationen, zum Beispiel im Berner Oberland. Dort wird der ausbleibende Besuch aus dem Unterland bemängelt, wenn entgegen der schlechten Prognose in den Zeitungen ein wunderbarer Sonnentag grüsst. Die schlechten Aussichten hätten den Touristenansturm verhindert, wird dann moniert. Auch das bekommen wir in der Redaktion in aller Deutlichkeit zu hören.

Um ganz sicher zu sein, hilft in der Regel vor Ort nur der Blick in den Himmel. Gemäss dem Grundsatz, dass das Wetter immer draussen stattfindet, ist allein der Verlass auf die beschriebenen Hilfsmittel nicht immer die allein gültige Entscheidungsgrundlage für Aktivitäten im Freien. Wer draussen arbeitet, kennt das ganz genau. Er oder sie weiss auch, wie schnell sich das Wetter ändern kann. Und wie speziell die Situation in unterschiedlichen Gebieten sein kann. Kein Tal kennt Wetter wie das andere, kein Gewässer hat den gleichen Einfluss wie das andere.

In Biel kennen wir dazu einen sicheren Wert: den Blick zum «Müra-Chemi». Der Hochkamin – von einigen als Schandfleck gescholten, von andern als Teil des Stadtbildes geschätzt – stösst meist völlig ungefährliche, weit sichtbare weisse Wolken aus. Und weil die Windrichtung sehr genau anzeigt, wie sich das Wetter in Biel und dem Seeland entwickelt, ist der Blick in die entsprechende Richtung bei vielen eingeübt und ein regelmässiges Ritual. Das «Müra-Chemi» ist quasi Biels Wetterhahn.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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