Sie sind hier

Abo

Biel

Musizieren via Whatsapp

Christoph Staudenmann ist seit 20 Jahren Schlagzeuglehrer an der Musikschule Biel. Wegen der Coronakrise unterrichtet er seine Schüler mithilfe von Videos und Sprachnachrichten.

«Kann eine Chance sein»: 
Christoph Staudenmann in seinem Übungsraum.
 Bild: Matthias Käser
  • Dossier

Aufgezeichnet:
Sarah Grandjean

Konzerte sind in diesem Frühling wohl kein Thema. Wir treten zwar derzeit ohnehin nicht häufig auf und es fallen nicht allzu viele Konzerte ins Wasser. Aber natürlich reut es mich, ich spiele immer gerne und jeder einzelne Auftritt ist für mich wichtig. Ich hoffe natürlich, dass die Konzerte verschoben und nicht ganz abgesagt werden; irgendwann ist diese Krise ja auch vorbei.

Ich wollte schon immer Schlagzeug spielen. Als Kind habe ich mit Küchenbesteck oder Bleistiften auf irgendwelchen Objekten getrommelt, später habe ich das Radio laufen lassen und dazu gespielt. An der Musikschule hat man damals gesagt, zum Anfangen sei Blockflöte geeignet. Das habe ich dann einige Jahre gemacht. Mit zehn habe ich beim Tambourenverein Biel das Basler Trommeln gelernt, mit 17 habe ich mein erstes Schlagzeug gekauft. Das hat mir den Ärmel reingenommen: Ich habe in meiner freien Zeit praktisch nichts anderes mehr gemacht.

Als es zum Thema wurde, das Schlagzeugspielen zum Beruf zu machen, habe ich an der Musikschule Biel in der damals ganz neuen Jazz-Pop-Rock-Abteilung Unterricht genommen. Das hat mir ein Universum geöffnet. Später habe ich die Jazzschule in Bern besucht, dort hat Billy Brooks, ein legendärer Drummer, unterrichtet. Schliesslich habe ich an der Jazzschule Luzern mein Diplom gemacht. Dabei habe ich neue Leute kennengelernt und verschiedene Stile ausprobiert, und so bin ich immer mehr in diesen Beruf reingerutscht.

Seit nun 20 Jahren unterrichte ich selbst an der Musikschule Biel. Ich habe damals vom Schlagzeugunterricht sehr profitiert und finde es wichtig, das auch weiterzugeben. Ich unterrichte 15 Kinder, drei Erwachsene und vier Erwachsenen-Gruppen. Zudem gebe ich in Madretsch einer sechsten Klasse Trommelunterricht. Im Moment habe ich wegen der Corona-Krise keinen Präsenzunterricht, aber die Musikschule macht Fernunterricht. Also gehe ich jeden Tag in meinen Proberaum an der Spitalstrasse und bereite dort Audio- und Videodateien für meine Schülerinnen und Schüler vor. Von manchen habe ich Videos zurückbekommen, auf denen sie die Stücke spielen, diese Videos kann ich dann wiederum zurückkommentieren.

Fernunterricht ist für mich eine Herausforderung, aber ich finde es auch spannend, mal etwas ganz Anderes ausprobieren und nach neuen Ideen suchen zu müssen. Trotzdem, für mich ist Präsenzunterricht durch nichts zu ersetzen. Diese unmittelbare und spontane Interaktion fällt weg. Und schlicht auch die physische Präsenz; dass man als Mensch da ist, einander sieht und aufeinander reagieren kann. Zudem kann man zusammen spielen, improvisieren, Neues ausprobieren. Aber ich sehe das durchaus auch als Chance, neue Formen und Medien auszuprobieren. Vielleicht bleibt ja etwas hängen und ich kann das eine oder andere beibehalten, sobald der Präsenzunterricht wieder stattfinden kann.

Der soziale Austausch fehlt mir. Ich bin jetzt viel mehr zuhause, mehr auf mich selbst zurückgeworfen. Ich versuche dennoch, das schöne Frühlingswetter auf der Terrasse zu geniessen. Die Sonne, die blühenden Pflanzen. Und ich kann immer noch zur Musikschule fahren und für mich selbst Schlagzeug spielen, etwas herumtüfteln und üben. Langweilig wird mir nicht so schnell. Und ich finde es auch schön, dass man jetzt mal etwas runterfahren muss. Bei allen Schwierigkeiten, die diese Situation mit sich bringt, tut sie vielleicht unserer Gesellschaft auch gut. Es kann eine Chance sein, mal weniger herumzureisen und zu konsumieren, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Klimadebatte. Ja, das Virus zwingt uns, etwas mehr Sorge zu tragen zur Umwelt. Ich bin mir aber bewusst, was das für die Wirtschaft für Folgen haben kann – schliesslich bin ich selbst auch direkt davon betroffen, wenn Konzerte meiner Bands nicht stattfinden können oder der Musikschule neue Schüler fehlen.

*****************

Die Musikschule bietet Fernunterricht

Ab heute findet für alle Schülerinnen und Schüler der Musikschule Biel Fernunterricht statt, dies im Auftrag der kantonalen Bildungs- und Kulturkommission. Dazu gebe es verschiedene Methoden, sagt Lionel Zürcher, Leiter der Musikschule. Manche Lehrer telefonieren oder skypen mit ihren Schülern, sie machen Videokonferenzen oder kommunizieren über Whatsapp. «Das ist eine neue Welt», so Zürcher. Die Lehrer seien bemüht, die bestmögliche Lösung zu finden, und motiviert, den Kontakt zu ihren Schülern zu halten. Die Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler reagieren verständnisvoll und dankbar.

Da gebe es einen grossen Kontrast zwischen dem Draussen, wo es ruhig ist wie an einem Sonntag, und dem Drinnen, wo die Lehrpersonen aktiv nach Lösungen suchen. Dass Veranstaltungen wie das Musikfest und der Tag der offenen Tür ausfallen, kann dazu führen, dass die Musikschule weniger neue Schüler gewinnen wird. Dies werde auch finanzielle Auswirkungen haben, sagt Zürcher. Wie ausgeprägt diese sein werden, lasse sich nicht vorhersagen. sg

Nachrichten zu Biel »