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100 Jahre

Die erste Frau am Postschalter

Frieda Kyburz aus Mett war die erste Frau, die an einem Postschalter arbeitete. 
Heute wird sie 100 Jahre alt und lebt alleine in ihrer Wohnung im dritten Stock – ohne Lift.

Frieda Kyburz geniesst ihren grossen Balkon in Mett. Bloss die Blumen kann die 100-Jährige nicht mehr selber pflegen. Bild: Mattia Coda

Stephanie Matti

Als Mädchen wuchs Frieda Kyburz mit ihren Eltern und zwei Brüdern in Bern im Eichholzquartier auf. Sie hatten einen grossen Garten, ein Bienenhaus und ein Hühnergehege, erzählt die 100-Jährige. Als sie die Schule abgeschlossen hatte, zog sie mit ihrer Familie nach Nidau, weil ihr Vater dort die Stelle als Posthalter erhalten hatte.

Frieda Kyburz sagt, sie habe es sehr aufregend und interessant gefunden, an einen neuen Ort zu ziehen. Ihr Vater wollte, dass auch sie auf seiner Post arbeitete. Das war Frauen damals aber nicht erlaubt. Der Vater gab jedoch nicht auf und erreichte schliesslich, dass er seine Tochter einstellen durfte. Frieda Kyburz sagt lächelnd: «Ich war eine der ersten Frauen, die auf der Post arbeiteten.» Ihr Sohn, Peter Kyburz, der neben ihr auf dem Sofa ihrer Wohnung sitzt, entgegnet, dass sie nicht eine der ersten Frauen gewesen sei, sondern sogar die allererste.

Ein interessanter Mann

Frieda Kyburz erzählt, die Arbeit am Postschalter sei interessant gewesen. Es gab allerdings noch etwas anderes, das ihr gefiel: Jeden Tag sei ein junger Mann vorbeigekommen, um die Post für seinen Arbeitgeber abzuholen. Während er die Post von aussen aus seinem Postfächli holte, behielt sie das Fächli von innen etwas länger als nötig offen, um ihn anzusehen.

Man lernte sich kennen, und mit 23 Jahren heiratete sie den Mann. Sie bekamen fünf Kinder: zwei Töchter und drei Söhne. Heute ist Peter Kyburz der Einzige, der mit seiner Familie in der Nähe der Mutter wohnt. Der 74-Jährige geht oft für sie einkaufen und kommt zu Besuch. Frieda Kyburz legt ihrem Sohn die Hand auf die Schulter und meint: «Ich bin froh, dass du da bist.» Bei den Besuchen klopfen Mutter und Sohn gerne einen Jass. Früher fuhr sie oft mit Freundinnen in ein Restaurant, wo sie stundenlang jassten.

Mit ihrem Mann und den Kindern hat Frieda Kyburz lange Zeit in einem Haus in Pieterlen gewohnt. Da die fünf Kinder ziemlich laut waren, störten sich die Nachbarn und die Familie musste ausziehen. Peter Kyburz lacht: «Wir waren eine richtige Rasselbande.» Die Familie zog nach Safnern und liess ein Haus bauen. In Safnern stand auch die Firma von Frieda Kyburzs Mann, die Victor Kyburz AG. Die 100-Jährige erzählt, dass auch sie dort gearbeitet habe, als «Mädchen für alles». Die Victor Kyburz AG steht bis heute und wird immer noch von Familienmitgliedern geführt. Im Sommer ging die Familie Kyburz gerne wandern und im Winter wurde Ski gefahren. Ein besonders schöner Ausflug, den die Familie oft gemacht habe, sei gewesen, auf den Bözingenberg zu wandern und eine Meringue zu essen.

Im Leben der Familie hat es aber auch schwere Zeiten gegeben. Bevor Victor Kyburz seine Firma gründete, hatte die Familie fast kein Geld und musste sich selbst ernähren. Auf einem Moos in Pieterlen pflanzten sie das eigene Gemüse an und alle Kinder mussten bei der Ernte helfen. Als Victor Kyburz seine eigene Firma gründete, ging es der Familie besser. 25 Jahre nach der Gründung der Fabrik starb Victor Kyburz mit 55 Jahren und die Familie musste eine weitere schwierige Zeit durchstehen.

Die Welt entdecken

Frieda Kyburz erzählt, nachdem ihr Mann gestorben sei, habe sie viele Heiratsanträge bekommen. Sie hatte aber andere Pläne: Sie wollte die Welt entdecken. Zusammen mit Freundinnen reiste sie in verschiedene Länder. Sie zählt auf: Bali, Australien, Afrika, Schweden und viele weitere Länder habe sie gesehen. Am besten habe ihr Afrika gefallen. Die 100-Jährige denkt gerne an ihre Reisen zurück oder blättert in ihren Fotoalben. Sie sei immer diejenige gewesen, die alles geplant und organisiert habe für die Ferien.

Auch heute, in ihrem hohen Alter, ist Frieda Kyburz noch sehr selbstständig. Sie lebt alleine in Mett, in einer Wohnung im dritten Stock, und das Haus hat keinen Lift. Als wäre es nichts Ungewöhnliches, erklärt Frieda Kyburz, sie könne alleine die Treppen hinuntergehen, ins Lädeli um die Ecke einkaufen gehen und wieder in den dritten Stock hochsteigen. Peter Kyburz lacht und sagt: «Das Treppensteigen hält sie fit.» Jeden Abend komme eine jüngere Freundin bei Frieda Kyburz vorbei, um für sie zu putzen und zu kochen.

Eine einsame Zeit

Die Coronakrise war für die 100-Jährige besonders schlimm. Sie durfte keinen Besuch mehr empfangen und im nahe gelegenen Altersheim durfte sie nicht mehr mittagessen. Sie sei sehr einsam gewesen, meint Frieda Kyburz.

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass das Coronavirus schnell verschwindet und sie ihre Liebsten wieder öfters sehen kann. Der letztere Wunsch soll ihr bereits heute an ihrem Geburtstag erfüllt werden. Ihre Kinder werden mit den Grosskindern und deren Kindern vorbeikommen. Zusammen wollen sie ein Apéro trinken und die gemeinsame Zeit geniessen.

Stichwörter: 100 Jahre, Alter, Pensionierung

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