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Titelgeschichte

Wie das Vibez-Festival
 eine Legende ausdribbelte

Sigma, Wyclef Jean, Pelé: Mit ihnen hatte das Bieler Vibez-Festival Verträge abgeschlossen, aber die Zahlungen nicht geleistet. Was wirklich dahinter steckte, ist unklar. Spuren reichen bis zu einem europaweiten Finanzskandal.

Pelé, Bild: Keystone

Tobias Graden

Am 19. Mai um 13 Uhr war Schluss. Mit Entscheid des Einzelgerichts wurde über den Verein Seamotion, Veranstalter des Vibez-Festivals vom letzten Juni in Biel, der Konkurs eröffnet. Damit sei das letzte Kapitel dieser denkwürdigen Veranstaltung geschlossen, könnte man denken.

 

Morgensterns halbe Million

Ein Betreibungsregisterauszug aus dem April dieses Jahres, der dem «Bieler Tagblatt» vorliegt, zeigt auf, welche Forderungen Seamotion nicht erfüllt hat. Die Gesamtsumme der Forderungen beträgt über 3,6 Millionen Franken. Es finden sich kleine Beträge wie die 377.25 Franken, die der Energie Service Biel unter Konkursandrohung gefordert hat. Die Grenchner Fotra Gastro & Service GmbH hat einen vierstelligen Betrag gefordert, fünfstellig sind Forderungen etwa der Baufirma Frutiger AG oder der HC Bienne Gastro AG.

Einen grösseren Brocken fordert die Morgenstern Group Holding Limited: eine halbe Million Franken. Hinter diese Forderung ist allerdings ein Fragezeichen zu setzen. Sie passt zwar ungefähr zu dem, was Thomas Morgenstern letzten Juni gegenüber dem BT zu Protokoll gab: Dass er für den Verein Seamotion einen Monat lang Investoren in Dubai gesucht habe, wofür ihm ein Honorar von 500 000 Euro versprochen worden sei. Die Höhe rechtfertige sich damit, dass Morgenstern, im Immobiliengeschäft tätig, in dieser Zeit sein eigenes Business habe ruhen lassen müssen und Geschäftstätigkeiten am Golf ohnehin sehr kostspielig seien. Er habe trotz der Wirren um die widerrechtliche Verwendung des Emirates-Logos drei Investoren an der Angel gehabt, die bereit gewesen wären, 9 Millionen Euro aufzuwerfen. Dies, so darf vermutet werden, nicht alleine für die Ausrichtung des Musikfestivals, sondern für die Weiterentwicklung der damit verbundenen Informationstechnologie, verkürzt ausgedrückt: der Vibez-App (das BT berichtete).

Bloss: Peter Béres, der damalige Präsident des Vereins Seamotion, täuschte mit fingierten, irr überhöhten Vorverkaufszahlen nicht nur die involvierte Tabarak Investment Bank, er täuschte nach Morgensterns Angaben auch diesen selber. Morgenstern jedenfalls hat nach eigenen Angaben kein Geld gesehen, und so taucht seine Forderung im Betreibungsregisterauszug auf. Hinter seine Version der Geschichte dürfen allerdings durchaus Fragezeichen gesetzt werden: Hat er zu Beginn mit Béres gemeinsame Sache gemacht? Sowohl die Höhe des Honorars als auch die seitens Béres angegebene Höhe der angeblichen Vorverkaufszahlen (gegen 80 000 Tagestickets und über 44 000 Dreitagespässe) hätten jeden halbwegs vernünftigen Beobachter der hiesigen Festivallandschaft in ungläubiges Staunen versetzen müssen. Es wäre Morgenstern ein leichtes gewesen, diese Falschangaben zu entlarven. Hat er sich erst an die Medien gewendet, als er seinerseits von Béres sitzengelassen wurde? Solche Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben. Morgenstern ist unter seiner damaligen Nummer nicht mehr erreichbar, die Nummer seiner Holding in Baar nimmt «derzeit keine Anrufe entgegen», unter der angegebenen Kontaktnummer in Dubai meldet sich ein Herr, der angibt, nichts mit Morgenstern zu tun zu haben, und eine Kontaktanfrage über seine Anwältin blieb unbeantwortet. Unklar ist, ob Morgenstern selber Strafanzeige eingereicht hat – auf die entsprechende Frage antwortet seine Anwältin, sie könne dies nicht bestätigen.

 

Altmeister und eine Legende

Weiter in der Liste: 279 278 Franken fordert die Sigma HQ Ltd. mit Sitz in Manchester. Sigma ist ein britisches Drum’n’Bass-Duo, um das es in den letzten Jahren allerdings eher still geworden ist. Auf dem offiziellen Line-up des Vibez-Festivals tauchten Sigma nicht auf.

Fast eine Viertelmillion Franken fordert die Heads Music LLC in New York. Dies ist eine von Frauen geführte, unabhängige Musikagentur und ein gleichnamiges Label im Bereich Black Music und Hip Hop. Wer die Liste der Künstler durchgeht, stellt ebenfalls fest: Am Vibez war niemand davon. Doch der wichtigste Artist von Heads Music ist ein klingender Name, dessen Zenit allerdings auch in der Vergangenheit liegt: Wyclef Jean, Hip-Hop-Musiker, Songwriter und Produzent, dem breiten Publikum am ehesten bekannt als Teil der Gruppe Fugees, die in den 90er-Jahren grosse Erfolge feierte. Auch er war für Biel weder angekündigt, noch trat er auf. Sowohl Sigma als auch Wyclef Jean hätten auch kaum zum Konzept des Vibez-Festivals gepasst, das die Wahl seiner Headliner in erster Linie von der aktuellen Popularität bei einer jungen Zielgruppe auf den Streaming-Portralen abhängig machte.

Der grösste Brocken ist schliesslich die Forderung der 10 Ten Talent Ltd. in London: 2,24 Millionen Franken fordert sie, damit verbunden sind weitere 248 000 Franken der Sport Licensing International BV in Amsterdam. Wer die Liste der Klienten durchgeht, stutzt: 10 Ten Talent Ltd. vertritt hauptsächlich aktive und frühere Fussballer der englischen Premier League, aber auch die lebende brasilianische Legende Pelé. Was soll dies mit einem Musikfestival zu tun haben?

 

«Es war alles sehr seltsam»

Luca Bozzo ist Partner der Anwaltskanzlei Borel & Barbey in Genf. Sie vertritt die Interessen der oben genannten vier Akteure. Bozzo sagt: «Es gab rechtsgültige Verträge mit dem Verein Seamotion für ein Engagement von Sigma, Wyclef Jean und Pelé am Vibez-Festival.» Während die Musiker offenkundig fürs Festivalprogramm gedacht gewesen wären, habe Seamotion Pelé für einen VIP-Anlass engagieren wollen. Die Namen hätten aber nicht öffentlich genannt werden dürfen, bevor nicht ein guter Teil der vereinbarten Beträge überwiesen worden sei.

Der Kontakt zum Vibez-Festival sei vor allem über Peter Béres gelaufen. Dieser war seit dem 19. März 2019 Vorstandsmitglied des Vereins. Zu diesem Zeitpunkt trat dort Vibez-Organisator Daniel Meili aus. Gleichzeitig wurde Ivica Petric als Vertreter der Finantia AG, die das Festival finanzierte, Präsident des Vereins. Die Verträge der Engagements von Sigma, Wyclef Jean und Pelé wurden laut Bozzo Anfang Mai geschlossen, unterschrieben hat sie Peter Béres.

Allein: Das Geld traf nie ein. Béres habe zwar stets versichert, dass alles gut komme und die Beträge eintreffen würden, aber das war nicht der Fall. «Das ging so über Wochen», sagt Bozzo, «es ist alles sehr seltsam abgelaufen.» Im Juni ging das Vibez-Festival über die Bühne, natürlich ohne Sigma, Wyclef Jean und Pelé, doch die Forderungen blieben bestehen. «Unsere Klienten sind tief getroffen», sagt Bozzo, «wir haben den Auftrag, alle juristischen Mittel auszuschöpfen.»

 

Ausfallvergütung vereinbart

Ins Gewicht fällt für sie nämlich nicht nur die ausstehende Zahlung aus Biel – den Gepflogenheiten der Branche entsprechend war in den Verträgen auch festgehalten, dass sie an dem Wochenende an keinen anderen Anlässen auftreten dürfen. Ebenso war eine Vergütung festgehalten für den Fall, dass das Vibez nicht stattfinden würde. Dass die Namen der Künstler im Voraus nicht genannt wurden, ist auch nicht unüblich: Gerade grosse Stars halten oft fest, dass sie erst bekanntgegeben werden dürfen, wenn die vereinbarte Vorauszahlung eingetroffen ist.

Eine Strafanzeige hat die Anwaltskanzlei zwar noch nicht eingereicht, diese sei aber vorgesehen. Schon länger aktiv geworden ist offenbar die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern: Laut Bozzo hat sie die Anwaltskanzlei bereits letzten September kontaktiert. Borel & Barbey habe das Einfrieren der Seamotion-Konten gefordert, sagt Bozzo, und er unterstreicht: «Unsere Klienten werden weiterkämpfen, bis sie zu ihrem Recht kommen.»

 

Die Akteure schweigen

Das könnte allerdings schwierig werden, nicht nur wegen der Konkurseröffnung über den Verein. Die Geschichte wirft aber ein weiteres Schlaglicht auf das gesamte Vibez-Festival. So stellt sich beispielsweise wiederum die Frage, wieso für ein derart grosses Projekt die Rechtsform des Vereins gewählt wurde. Gemäss hiesigem Recht haftet der Verein gegenüber Dritten nämlich nur mit dem Vereinsvermögen – ausser, es sei dies anders festgehalten. Die Vorstandsmitglieder sind nicht persönlich haftbar.

Der Verein Seamotion hatte dies in seinen Statuten, die dem BT vorliegen, überflüssigerweise gar noch extra festgeschrieben: «Für die Verbindlichkeiten des Vereins haftet ausschliesslich das Vereinsvermögen. Eine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder ist ausdrücklich ausgeschlossen», heisst es in Absatz II, Artikel 6.

Ein Freipass für jegliche Schandtaten der Vorstandsmitglieder ist das aber natürlich nicht. Bei entsprechendem Verschulden haben sie ihre Handlungen, die sie in ihrer Vereinstätigkeit begangen haben, strafrechtlich zu verantworten.

Ob derzeit Verfahren gegen Peter Béres und Ivica Petric laufen, darüber gibt die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen keine Auskunft. Die Akteure selber sind wie Thomas Morgenstern abgetaucht oder hüllen sich in Schweigen: Ivica Petric ist für das BT nicht zu erreichen, er liess mehrere Kontaktanfragen unbeantwortet. Gleiches gilt für Peter Béres. Er hat die Schweiz womöglich schon länger verlassen, der slowakische Staatsbürger soll sich in Osteuropa aufhalten. Vibez-Organisator Daniel Meili, bis Mitte März letzten Jahres Seamotion-Vorstandsmitglied, lehnt gegenüber dem BT Stellungnahmen zu den Vibez-Vorkommnissen ab.

 

Wozu dienten die Verträge?

Die Episode hinterlässt wiederum viele offene Fragen. Wollte Seamotion die genannten Stars tatsächlich nach Biel bringen? Was wusste Vibez-Organisator Daniel Meili über diese Vorgänge? Dienten die Verträge, die seitens Seamotion nicht eingehalten wurden, womöglich anderen Zwecken innerhalb des Geflechts von Vibez-Festival, Verein Seamotion und Finantia? Die Engagements erscheinen zumindest mysteriös: Aus Sicht eines Festivals macht es wenig Sinn, so kurz vor dem Event noch weitere grosse Namen zu verpflichten. Und zum Zeitpunkt, als Sigma, Wyclef Jean und Pelé hingehalten wurden, war das Vibez-Festival wegen der Wirren um den erfundenen Partner Emirates, aber auch wegen den Ticket-Verschenkungsaktionen bereits schlecht beleumdet. Wäre zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden, dass Pelé nach Biel kommt, hätte sich das Publikum wohl umso ungläubiger die Augen gerieben.

Bemerkenswert sind aber nicht nur jene Posten, die im Betreibungsregisterauszug enthalten sind, sondern auch jene, die dort nicht drinstehen: Zwar hat das Vibez-Festival offenkundig einige Rechnungen von Zulieferern nicht bezahlt, und diese machen insgesamt immerhin eine Summe von gut 125 000 Franken aus. Aber die grossen Posten, insbesondere die Gagen jener Künstler, die aufgetreten sind, sind offenbar beglichen worden.

Wozu dienten also dem Verein Seamotion und insbesondere Peter Béres die Verträge mit Sigma, Wyclef Jean und Pelé wirklich? Der in der Öffentlichkeit als Gesicht des Vibez bekannt gewordene Daniel Meili war zum fraglichen Zeitpunkt bereits aus dem Verein ausgetragen und hüllt sich ohnehin in Schweigen. Ivica Petric hatte eine Doppelrolle inne: Er war Zeichnungsberechtigter bei Finantia und Präsident des Veranstalters Seamotion – und schweigt. Es gilt die Unschuldsvermutung – doch es steht die Frage im Raum, ob mit den Verträgen entweder bereits getätigte Geldflüsse zwischen den Vibez-Akteuren «dokumentiert» werden sollten oder ob sie umgekehrt dazu dienten, Geld von Seiten der Finantia AG zuhanden des Vereins fliessen zu lassen.

 

Europaweites Debakel

Womöglich bringen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dereinst eine Klärung. Denn die Vibez-Wirren sind Teil eines europaweiten Finanzskandals. Wie das Finanznachrichtenportal Finews.ch kürzlich berichtete, ging es bei Vibez nicht nur um ein mässig erfolgreiches Musikfestival. Vibez war auch Teil des Ruvercap-Debakels, das ein riesiges Finanzloch hinterliess und bei der Graubündner Kantonalbank zum Rücktritt des Bankrats Thomas Huber führte. Die Zürcher Ruvercap Investment tätigte laut Finews.ch über assoziierte Firmen «hochriskante Finanzierungen»: «Bankrotte Firmen in Serbien, eine Bank in Bosnien-Herzegowina, vermeintliche Luxushotels auf dem Balkan, ein Düngemittel-Lieferant in Südafrika.»

Ruvercap legte Investorengelder in so genannten Private-Debt-Fonds an. «Private Debt» ist eine alternative Finanzierungsform für Unternehmen. Wer Investitionen tätigen muss, dafür aber keine Kredite von seiner Bank bekommt oder keine Investoren auf den üblichen Wegen findet, kann bei Private-Debt-Anbietern, wie es Ruvercap Investment war, zu Geld kommen.

Bei Ruvercap investierten neben diversen Finanzmarkt-Akteuren unter anderen auch die Freiburger und die Graubündner Kantonalbank oder die Pensionskassen der Stadt Zug und des Kantons Thurgau. Im Negativzinsumfeld schienen solche Anlageformen attraktiv. Die Investoren hätten Ruvercap das Geld nur so nachgeworfen, sagte eine Quelle gegenüber Finews.ch. Allerdings habe man beim Risikomanagement offenbar beide Augen zugedrückt. Ruvercap habe immer mehr Kredite und Liquidität an Firmen vergeben, was über sogenannte «Sourcing Engines» erfolgte: «Diese Firmen sammelten die Kredite oder Vorfinanzierungen an die KMU, die Ruvercap anschliessend bündelte, verbriefte und in Kreditinstrumente, sogenannte Compartments, goss. Die Werthaltigkeit dieser Instrumente schien dabei immer zweifelhafter zu werden.»

Was dann wieder an Geld zurück kam, reichte schliesslich nicht mehr aus, um die Verbindlichkeiten bedienen zu können. Im Sommer 2019 wurden die Ruvercap-Fonds eingefroren, es ist die Rede von einem Loch von bis zu 500 Millionen Franken. Und ein kleiner Teil dieser Millionen steckte auch im Vibez-Festival.

 

Wie Ruvercap zu Vibez kam

Ruvercap-Mitgründer und CEO Marc Clapasson trat nämlich im Sommer 2018 in den Verwaltungsrat der Finantia ein. Wenig später übernahm laut Finews.ch Christian Schmalz, der später für Ruvercap direkt tätig wurde, die Geschäftsleitung der Finantia. Kurz vor dem Start des Vibez-Festivals traten die beiden wieder aus. Ruvercap-Verwaltungsratspräsident Jon Turnes bestätigte gegenüber Finews.ch: «Vibez war eine Kundin der Finantia.» Mittlerweile ermittelt angeblich die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen mehrere Akteure, unter anderem gegen Clapasson und Turner, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt.

Doch warum landeten Ruvercap-Gelder in einem Musikanlass? Der Grund dafür dürfte weniger das Vibez-Festival an sich gewesen sein, sondern die App-Technologie, die für dieses entwickelt worden war. Was man vereinfacht die Vibez-App nennen kann, war ein System, das von Ticketing über Kommunikation, Bezahlung, Sponsoren-Interaktion und Datenverwaltung sämtliche Funktionalitäten beinhalten sollte, die für die Organisation eines Festivals nötig sind (das BT berichtete). Eine solche Technologie ist potenziell disruptiv, denn bislang sind zumindest einzelne Bereiche – etwa das Ticketing – in den Händen von anderen Akteuren, während bei der Vibez-App alles in einer Hand gewesen wäre.

Entwickelt hatte diese Technologie die Zürcher Coundco, in die «Mr. Vibez» Daniel Meili 2018 als Chief Innovation Officer und designierter Nachfolger des Firmengründers eingetreten war. Ein erfolgreiches Festival sollte den «Proof of concept» für die Technologie liefern. Ursprünglich geplant war angeblich ein Grosskonzert mit Coldplay und Adèle, veranstaltet vom Verein Seamotion unter Daniel Meili. Dafür aber brauchte es Geld. In der Finantia fand man einen Finanzierer. Diese wollte aber das Geld nicht an einen Verein geben, sondern verstand es als zweckgebundenes Investment in die Coundco. Diese hatte bereits im Rahmen eines ICO (Initial Coin Offering, eine auf Kryptowährungen basierende erste Finanzierungsrunde) weitere Investoren gesucht, was aber nicht zustande kam, da die Technologie noch nicht fertig entwickelt war.

 

Firma in die Knie gezwungen

Coldplay und Adèle wären ein so genannter «No Brainer» gewesen: Sie ziehen dermassen viel Publikum an, dass man von einem Erfolg ausgehen kann. Allein: Ihre Verpflichtung klappte nicht, die genauen Hintergründe dafür sind unklar – insbesondere ist nicht bekannt, ob es überhaupt je tatsächlich Verträge mit den beiden Acts gegeben hat. Die Coundco stand also bei der Finantia (die wiederum von der Ruvercap rückfinanziert war und wie erwähnt zeitweise mit dem selben Personal wie Ruvercap agierte) mit einem gemäss BT-Informationen siebenstelligen Betrag in der Kreide, konnte aber bislang weder eine fertig entwickelte Technologie noch ein halbwegs organisiertes, in Aussicht stehendes Festival anbieten.

Und dann wechselte Meili gewissermassen die Seiten: Er verliess die Coundco und organisierte im Mandat für Finantia das Vibez-Festival auf eigene Faust. Seine ursprünglichen, aus der Region stammenden Mitstreiter im Verein Seamotion waren überrumpelt und zogen sich zurück. Konkret bestätigt hatte dies Meili gegenüber dem BT nicht, doch steht zu vermuten, dass mit Meilis Wechsel auch die Rechte an der Technologie an die Finantia übergingen. Das relevante Asset, in dessen Entwicklung die Coundco zuvor viele Ressourcen gesteckt hatte, hatte diese also verloren – die Coundco ging letzten Sommer nach der Austragung des Festivals konkurs.

Innerhalb der Finantia jedoch wurde an der Vibez-App offenbar nicht mehr viel gearbeitet. Jedenfalls war sie bis zum Festival nicht bereit, das Zahlungssystem etwa wurde von einem Drittanbieter gestellt (das BT berichtete). Vermutlich wäre die Weiterentwicklung der Job von Peter Béres gewesen: Den Slowaken habe man wegen seines Technologiehintergrunds engagiert, bestätigte Finantia im letzten Frühjahr gegenüber dem BT. Béres fiel dann aber eher mit seinen gefälschten Vorverkaufszahlen und eben dem angeblichen Engagement von Sigma, Wyclef Jean und Pelé auf als mit der Fertigstellung der Technologie.

 

Emirates: Verfahren sistiert

Ob auch die vermaledeite Emirates-Geschichte auf sein Konto geht? Jedenfalls zauberte das Vibez-Festival wenige Wochen vor dem Anlass die Fluggesellschaft als Presenting Partner hervor wie der Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut. Die genauen Hintergründe dafür sind nach wie vor unklar. Die plausibelste Erklärung ist, dass der Seamotion-Vorstand angesichts des überaus schleppenden Ticketvorverkaufs dringend handeln musste – eine Halbierung der Ticketpreise samt dem seriösen Anstrich eines international agierenden Unternehmens könnte als geeignetes Mittel erachtet worden sein, das Publikum für sich einzunehmen. Die Festivalmacher vor Ort fielen jedenfalls aus allen Wolken, als sich das Emirates-Engagement als Lügengebilde entpuppte und alle verfügbaren Kräfte auf dem Festivalgelände Scheren und schwarze Filzstifte behändigen mussten, um überall das Emirates-Logo zu eliminieren. Festzuhalten ist allerdings auch, dass Meili im Interview mit dem BT mitte Mai mit Nachdruck festgehalten hatte, dass mit Emirates direkt verhandelt worden und ein Vertrag über drei Jahre geschlossen worden sei.

Das Verfahren zwischen Emirates und dem Verein Seamotion ist laut Auskunft des Handelsgerichts übrigens sistiert – die Parteien befänden sich in Vergleichsverhandlungen. Weit sind sie offenbar nicht gekommen: Im Betreibungsregisterauszug findet sich eine Forderung von 26 630 Franken seitens der Fluggesellschaft, die sich nicht mehr zum Fall äussert.

 

Beschwerde gegen Konkurs

Überhaupt zeigt sich das Bild eines zerfallenen Kartenhauses. Die Coundco ist konkurs, die Akteure von damals sind verschwunden oder halten sich bedeckt, aus den entsprechenden Organen sind sie jedenfalls ausgeschieden.

Zwischenzeitlich sah es aus, als ob es mit dem Vibez doch irgendwie weitergehen könnte: Im August wurde die Finantia Holding AG in Vibez Entertainment AG umfirmiert, Ivica Petric wurde ausgetragen, neu eintragen liess sich neben Daniel Meili auch Marco Rosser. Rosser steht hinter dem Label «We love Techno», er organisierte den Samstag am Vibez-Festival, den erfolgreichsten Teil der Veranstaltung. Rosser gibt an, sozusagen als Dank in den Verwaltungsrat aufgenommen worden zu sein, danach aber nichts mehr von Meili vernommen zu haben, weswegen er dann per 31. Januar 2020 wieder ausgetreten sei. Meili selber verliess die Vibez Entertainment AG dann Ende März.

In Biel kursierte Anfang Jahr das Gerücht, wonach Vibez mit Stars of Sounds zusammenspanne und in Murten einen Neuanfang wage – doch Marc Zahnd, Organisator der Festivals in Aarberg und Murten, dementierte.

Ist also alles an sein Ende gekommen? Untote leben länger. Ivica Petric ist am 7. April aus dem Verein Seamotion ausgeschieden, neu eingetreten ist Bekim Kumnova, eine Person aus dem Umfeld Petrics. Seamotion hat gegen den Konkurs Beschwerde eingereicht, dieser wurde am 4. Juni die aufschiebende Wirkung gewährt. So etwas ist dann der Fall, wenn nachgewiesen werden kann, wie die Schulden bedient werden können.

Warum genau ein neuer Akteur plötzlich wieder Geld aufwerfen sollte, um Agenturen zu zahlen, deren Stars gar nicht aufgetreten sind; woher er dieses Geld hat; wem dies dient und wozu – solche Fragen werden wohl offenbleiben. Kumnova war gestern über die einzige auffindbare Nummer für das BT nicht erreichbar.

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