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Konzert

Zu Tisch mit Beethoven, vier Schlagzeugern und einem DJ

Nebia präsentiert am Samstag das musikalisch-theatralische Spektakel «Une soirée chez B.».
Zu erleben ist auch ein Werk, in dem virtuell fliegende Eier und Klaviermusik-Fetzen kühn harmonieren.

Die Schwestern Laura und Stephanie Haensler: Ein kreatives Künstlerinnen-Duo Foto: Dominic Steigmeier

Annelise Alder

Wenn sie nicht frisch waren, konnte er richtig wütend werden. Beethoven warf dann die Eier, die ihm serviert wurden, an die Wand oder der Haushälterin entgegen. An normalen Tagen aber verspeiste der Komponist gerne zehn Stück davon, am liebsten zu Brotsuppe, einem seiner Lieblingsgerichte.

Der Speisezettel Beethovens ist gut dokumentiert. Schliesslich mussten die Haushälterinnen, die für den Meister kochten, über die Ausgaben streng Buch führen. Eine weitere wichtige Quelle über die kulinarischen Vorlieben des Komponisten sind seine Konversationshefte. Diese benutzte der taube Beethoven, um mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren. So teilte er auf diesem Weg auch mit, was er zu essen wünschte. Nicht selten notierte er «Makkaroni mit Parmesan», was er besonders gern mochte.

Ein skurriles Werk, in dem es um mehr als um Musik geht
Essen spielt eine zentrale Rolle im Stück «Zu Tisch» von Stephanie und Laura Haensler, das am Samstag im Nebia im Rahmen der Veranstaltung «Une soirée chez B.» uraufgeführt wird. Das ist kein Zufall. «Ich habe über das Verhältnis von Food und Gender geforscht», sagt Laura Haensler. Lebensmittel und Konsumverhalten spielen also eine wichtige Rolle in den Arbeiten der Designerin, die freiberuflich auch als Videokünstlerin wirkt.

Thema in «Zu Tisch» ist auch Beethoven. Schliesslich feiert die Musikwelt dieses Jahr den 250. Geburtstag des Meisters. Die Société Philharmonique de Bienne als Co-Veranstalterin von «Une soirée chez B.» im Nebia präsentiert diese Saison sämtliche Klaviersonaten des Komponisten (vgl. Zweittext). Der Konzertveranstalter erteilte der Komponistin Stephanie Haensler überdies den Auftrag, «ein skurriles Werk» zu schreiben. «Es sollte um mehr als nur um Musik gehen», sagt die 34-jährige Aargauer Komponistin.

So lag es für Stephanie Haensler nahe, mit ihrer Schwester zusammenzuspannen, um ein «interdisziplinäres Spektakel» zu kreieren. Die Annäherung an einen der grössten Komponisten der Zeit geschieht zwar über seine kulinarischen Vorlieben. «Für uns sind die Esswaren aber lediglich biografisch überlieferte Vehikel», sagt die Videokünstlerin. Brot, Eier und Makkaroni dienen als roten Faden, sie werden aber auf einer abstrakten Ebene abgehandelt. «Wir wollen Beethoven nicht verherrlichen, ihn vielmehr von seinem Marmorsockel herunterholen».

Wie einem Todgeweihten Leben eingehaucht wird
Schliesslich darf nicht vergessen gehen, dass der oft als Titan dargestellte Komponist fast sein Leben lang an verschiedenen Krankheiten litt, am schwerwiegendsten unter seiner Taubheit, die schon im Alter von 30 Jahren weit vorangeschritten war. «Uns war es wichtig, den verletzlichen und tauben Komponisten aufzuzeigen», sagt Stephanie Haensler. Die hohle Makkaroni-Nudel steht somit auch für das Hörrohr, das Beethoven als akustische Verstärkung benutzte. «Essen ist oft mit Kindheitserinnerungen verbunden», sagt die Komponistin. Es dient im Stück daher auch der biografischen Annäherung an Beethoven. Und indem der Komponist etwas zu sich nehme, werde ihm Vitalität und Jugendlichkeit zurückgegeben: «Damit lassen wir den von der Umwelt abgeschnittenen, alternden Komponisten wieder aufleben.»

Das Publikum taucht zu Beginn von «Une soirée chez B.» somit in eine Art «kafkaeske Traumwelt» ein, in der faszinierende Bilder, Zitate aus Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven und moderne Klänge und Geräusche eine einzigartige Verbindung eingehen.

«Hammerklavier»-Sonate als Dreh- und Angelpunkt
Auch die Fortsetzung des Abends verheisst anregende musikalisch-interdisziplinäre Unterhaltung: Die vier Schlagzeuger des Ensembles Splash Perkussion NRW führen in «Musique de table» von Thierry de Mey das akustische Potenzial eines einfachen Holzbretts vor.

Hauptwerk des Abends bildet schliesslich «Alle Menschen werden Brüder» des deutschen Komponisten, Schlagzeugers und Performers Stephan Fro-
leyks, einem «komisch-melancholischen, aber niemals wehleidigen Requiem aus Musik und Theater», wie der Komponist sein Werk selbst bezeichnet.

Auf der Bühne befinden sich nicht nur vier in Schlagzeugin-strumente verwandelte Klaviere, sondern auch ein DJ. Inspiriert wurde das Werk aus dem Jahre 2013 von Beethovens berühmter «Hammerklavier»-Sonate».

Es leitet somit nahtlos über zur nächsten Veranstaltung der Société Philharmonique de Bienne. Sie findet am Sonntag um 17 und 20 Uhr im Logensaal in Biel statt. Dann spielt Alexander Lonquich unter anderem die wegen ihrer Schwierigkeit berühmt-berüchtigte «Hammerklavier»-Sonate von Ludwig van Beethoven.

Info: Samstag, 17. Oktober, 19 Uhr, Nebia, Biel: «Une soirée chez B.». Mit diesen Werken: «Zu Tisch», von Stephanie Haensler (Musik) und Laura Haensler (Video), «Musique de table», von Theirry de Mey, «Alle Menschen werden Brüder», von Stephan Froleyks.
Sonntag, 18. Oktober, 17 und 20 Uhr, Logensaal, Biel: Alexander Lonquich spielt von Ludwig van Beethoven die Sonaten Nr. 12 As-Dur, op. 26, Nr. 17 e-Moll, op. 90 und Nr. 29 B-Dur, op. 106 «Hammerklavier».

Beehoven 2020
Start war im Januar. Dann kam der Lockdown. Nun setzt die Société Philharmonique de Bienne ihr ambitiöses Beethoven-Projekt aus Anlass des 250. Geburtstags des Meisters leicht modifiziert fort.

Im Mittelpunkt des Vorhabens unter dem Motto «Beethoven 2020» steht die Aufführung aller 32 Klaviersonaten des Komponisten. Alle Klavierrezitals finden neu ohne Pause statt und werden der beschränkten Platzzahl wegen doppelt geführt: Beginn jeweils um 17 und 20 Uhr. Höhepunkt bildet am 9. Mai 2021 das Konzert mit dem Quatuor Sine Nomine. Zu hören ist unter anderem die Uraufführung des Streichquartetts der Gewinnerin oder des Gewinners des von der Philharmonischen Gesellschaft ausgeschriebenen Kompositionswettbewerbs «Beethoven 2020».

Info: Weitere Infos dazu sowie zu den Konzerten in diesem Jahr mit Alexander Lonquich (18. Oktober), Jean-Sélim Abdelmoula (8. November), Benjamin Grosvenor (29. November) zu finden unter www.philharmonique.ch

Stichwörter: Kultur, Musik, Theater, Nebia

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