Sie sind hier

Abo

Gampelen/Gals

«Jetzt habe ich an Heiligabend mal frei»

Martin-Christian Thöni, Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Gampelen-Gals, macht nicht einen Livestream-Gottesdienst wegen Corona, sondern hat einen «Weihnachtsbrief» verschickt.

Pfarrer Martin-Christian Thöni zeigt zwei seiner vier selbstgemachten Kreuze aus Nägeln. Peter Samuel Jaggi

Beat Kuhn

Der Adventsgottesdient mit Liedervortrag des Frauenchors am zweiten Adventssonntag sowie die Christnachtfeier an Heiligabend, also am 24. Dezember, sind den reformierten Kirchgängern von Gampelen und Gals heilig: Sie gehören zu den Fixpunkten im Jahresprogramm. Wegen der Coronapandemie hat der Kirchgemeinderat die beiden Anlässe für dieses Jahr jedoch annulliert.

Das eröffnet Martin-Christian Thöni, dem reformierten Pfarrer der Kirchgemeinde Gampelen-Gals mit etwa 1500 Mitgliedern, ungeahnte Perspektiven: «Jetzt habe ich an Heiligabend mal frei, und wir können unser Familienfest schon dann, vor dem 25. oder 26. Dezember, feiern.»

Rundbrief altersgemässer
Als Corona-Ersatz machen viele Pfarrpersonen Livestream-Gottesdienste, die man zuhause über das Internet verfolgen kann. «Ich habe mich aber gefragt, ob dies wirklich das richtige Medium ist», so Thöni. Da das regelmässige Gottesdienst-Publikum aus älteren Semestern bestehe, habe er sich stattdessen für einen «Weihnachtsbrief» entschieden, den er an «alle treuen Predigtgängerinnen und -gänger» verschickt habe. Dies auch, weil er wisse, dass sein jeweiliger Leitartikel zu einem aktuellen Thema im lokalen Teil der Zeitung «reformiert.ch» gut gelesen werde.

Hinzugekommen sind gestern Blitzbesuche bei diesen treuen Seelen, wobei der Pfarrer gute Weihnachtswünsche und eine Schokoladekugel zur Versüssung der dieses Jahr etwas tristen Weihnachtssituation überbracht hat.
Nägel zu Kreuzen verbunden

In dem weihnächtlichen Rundbrief berichtet Thöni, wie er in seinem Bastelkeller aus Nägeln von gebrauchten Holzpaletten vier Varianten des christlichen Kreuzes geschaffen hat – Jesus wurde ja mit riesigen Nägeln durch Hände und Füsse gekreuzigt. Da der Theologe zunächst eine Lehre als Mechaniker gemacht hatte, ist ihm das Hantieren mit dem Schweissbrenner leichter gefallen, als es bei anderen der Fall wäre. Er schreibt, die Nägel würden bewusst nur durch sogenannte Schweisstupfer zusammengehalten, seien also fragil. Damit seien sie ein Symbol für den Menschen. «Oftmals haben wir im Leben auch Schwieriges erlebt – ich sogar einen veritablen Hausbrand, bei dem ich vieles schnell loslassen musste.»

Die «Gebrauchtnagelwerke», wie er sie nennt, stellt Thöni über die Weihnachtstage in der Kirche Gampelen beim Taufstein auf. Dort kann sie jedermann nach Lust und Laune anschauen gehen und auf einer Liste angeben, welches ihm am besten gefällt. Dasjenige, das am meisten Stimmen erhält, will der Pfarrer der Kirchgemeinde schenken, wenn er Ende Mai in Pension geht, «zur Erinnerung an Corona, dass das kein Zuckerschlecken ist».

Reduziertes Programm
Viele Menschen haben «Weihnachtsstress», sei es, weil sie möglichst gute Geschenke einkaufen wollen, sei es, weil sie Vorbereitungen für die Familienfeier zu treffen haben. Wie ist das bei einem Pfarrer? «Die meisten Weihnachtsfeiern, zu denen ich eingeladen werde, sind gegen Ende November», sagt Thöni. «Der Dezember ist da eher locker.»

Dieses Jahr sind die Einladungen spärlicher. So wurde die Feier im Alters- und Pflegeheim Gals wegen Corona wieder abgesagt. Auch die Weihnachtsfeier des Tannenhof-Heims, in der Frauen und Männer mit psychischen und sozialen Problemen wohnen und arbeiten, hat nicht stattgefunden.

«Dass mich jemand um ein Gespräch bittet, kommt sehr selten vor», sagt Thöni. Das sei im Coronajahr nicht anders gewesen als sonst. Um nicht aufdringlich zu wirken, sei er umgekehrt zurückhaltend mit Hausbesuchen. Wichtiger als persönliche Seelsorge sei den Leuten offenbar, dass der Pfarrer zum Beispiel würdevolle Abdankungen halte. Gern gesehen sei er auch an Dorfanlässen, bis hin zum Seifenkistenrennen. «Dort werde ich dann auch als nahbar erlebt.»

Konfirmation in Sporthalle
Der letzte Gottesdienst der Weihnachtszeit ist in der Regel die Christnachtfeier an Heiligabend. Diesmal war es aber der Gottesdienst am vierten Advent, also am 20. Dezember. «Diesen habe ich allerdings ein wenig als Ersatz für die ausfallende Christnachtfeier gestaltet.» Und weil ohnehin immer nur wenige kommen, brauchte es dafür auch kein Schutzkonzept oder gar einen Livestream.

In Gals war der letzte Gottesdienst schon am 13. Dezember, wie immer am zweiten Sonntag im Monat. Dort dient das Foyer des Mehrzweckgebäudes als Gottesdienstraum, bei grossen Beerdigungen oder dem Konzert der Musikgesellschaft Gals am Reformationssonntag allenfalls die Turnhalle. Für die Konfirmationsfeier war die Sporthalle dieses Jahr ideal, weil nur dort Platz für genügend Social Distancing war.

Pfarrbüro im Waschhaus
Als Thöni mit 59 Jahren seine jetzige Stelle antrat, wohnten er und seine Frau kurze Zeit im Pfarrhaus. Dieses befindet sich nicht wie üblich direkt neben der Kirche mitten in Gampelen, sondern am Dorfrand und leicht erhöht am Hang. Mit 60 hat Thöni die Möglichkeit genutzt, von der sogenannten Residenzpflicht befreit zu werden.

Seither wohnt er mit seiner Frau in Lyss, wo das Paar eine Attikawohnung besitzt. Dort macht Thöni jetzt oft Homeoffice. Als offizielles Pfarrbüro gilt das sogenannte Pfarrstöckli, das originell ausgebaute einstige Waschhäuschen neben dem Pfarrhaus. Waschen kann man dort allerdings nicht mehr.

 

Nachrichten zu Seeland »