Sie sind hier

Abo

Nidau

Der Leerstand im Stadtli soll verschwinden

Die beiden Nidauer Stadträte Noemi und Nlis Kallen (SP) fordern ein Reflement für die Zwischennutzung von Leerraum - analog dazu, wie es in Biel seit einem Jahr in Kraft ist. Der Nidauer Gemeinderat hält davon aber nicht viel.

Das Guggerhaus (rechts) steht seit Jahren leer. Das ist den beiden ein Dorn im Auge. Bild: Peter Samuel Jaggi

Carmen Stalder

Das Guggerhaus an der Hauptstrasse 78 ist in einem schlechten Zustand. In der Liegenschaft, die der Stadt Nidau gehört, sind die Heizungen durch Frost geborsten, Böden und Wände leiden unter Wasserschäden und die Fenster sind undicht (das BT berichtete). Für die beiden Nidauer Stadtratsmitglieder Noemi und Nils Kallen (SP) ist klar: Stände das denkmalgeschützte Haus nicht seit Jahren leer, befände es sich nicht in diesem desolaten Zustand.

Am Beispiel des Guggerhauses plädieren die beiden für eine geregelte Zwischennutzung von Leerraum. Mit einer Motion beauftragen sie den Gemeinderat, ein Reglement zu erarbeiten: Länger als drei Monate leer stehende Gebäude und Räume auf Nidauer Boden sollen der Stadt gemeldet werden müssen. Diese soll den Leerraum danach für vertraglich geregelte Zwischennutzungen ausschreiben. Die Behörden übernehmen zudem die Vermittlung zwischen potenziellen Nutzenden und Eigentümern oder delegieren diese an eine private Institution.


Wem dies bekannt vorkommt, liegt nicht falsch: Mit der Initiative «Leerraum beleben!» hat bereits die Juso Biel mehr Zwischennutzungen für kulturelle und soziale Projekte gefordert – zu einer Volksabstimmung kam es aber nicht, weil bereits das Parlament die Forderung erfüllt hat. Im Januar 2020 ist das Reglement für die Zwischennutzung von Leerraum in Kraft getreten. Seither gilt: Steht in Biel ein Gebäude, ein Raum oder eine Fläche mehr als drei Monate leer, muss der Eigentümer oder die Eigentümerin das der Stadt melden.


Platz für Start-ups
Durch die quasi gleichlautende Forderung liegt die Vermutung nahe, dass die Geschwister Kallen in Biel abgeschaut haben. Architekturstudentin Noemi Kallen bestätigt dies: «Wir waren begeistert von der Initiative in Biel und überzeugt, dass es so etwas in Nidau auch braucht.» Auslöser für die Motion sei das Guggerhaus gewesen. In Nidau gebe es aber weitere ungenutzte Lokale und Flächen, so beispielsweise das Expo-Areal: «Da sollte doch mehr drin liegen als zehn Tage Lakelive-Festival pro Jahr sowie einer Bar im Sommer», sagt sie. Und auch falls Agglolac dereinst wie geplant in Etappen gebaut würde, blieben diverse Parzellen noch lange Zeit ungenutzt.


Weiter nennt sie die Dispo-Halle, die jahrelang leer stand: Mittlerweile gibt es dort zwar eine Zwischennutzung, dies jedoch erst nach langen Verhandlungen. Bei den Alpha-Gebäuden an der Schlossstrasse stellt sich bald dieselbe Frage. Und auch im Stedtli gebe es diverse leere Ladenlokale und Restaurants. Als mögliche Nutzungen zählt Kallen Pop-Up-Läden auf, Büros für Leute, die das Homeoffice satthaben sowie Lokale für Start-ups, Jungunternehmen und Co-Working-Spaces. «Man sollte bei Zwischennutzungen nicht an graffitisprayende Jugendliche und vermummte Hausbesetzer denken», sagt die Stadträtin.


Sie und ihr Bruder sind überzeugt: Von einer Zwischennutzung profitieren auch die Eigentümerinnen und Eigentümer. Erstens würden diese eine Miete erhalten. Und zweitens könnten durch Leerstand bedingte Schäden an der Bausubstanz vermieden werden. Die beiden schreiben in ihrem Vorstoss von einem grossen Bedürfnis, brachliegende Liegenschaften für innovative Projekte zu nutzen. Durch Aufwertung und Siedlungsentwicklung nach Innen erfülle ihr Anliegen zudem ein öffentliches Interesse. «Nichtnutzung ist nutzlos für alle Beteiligten», fasst Kallen zusammen.


Keine Probleme bekannt
Seit letzter Woche liegt die Antwort des Gemeinderats zur Motion vor. Er schlägt vor, eine «Leerstands-Börse» für ungenutzte Gebäude oder Flächen auf der Website der Stadt Nidau einzurichten. Die Motion selbst lehnt er jedoch ab. Mit Ausnahme des Guggerhauses seien dem Gemeinderat keine Probleme mit jahrelang leer stehenden Lokalen bekannt. «Einzig im Stedtli stehen regelmässig Lokale leer», schreibt der Gemeinderat. Die Leerstände seien von aussen gut sichtbar und Interessierte könnten sich direkt an die Besitzer wenden. «Einfach zu sagen, dass man den Leerstand ja sehen und entsprechend handeln könne, ist für mich kein Argument», sagt Noemi Kallen dazu.


Der Gemeinderat vertritt die Haltung, dass mit der im Rahmen der Ortsplanungsrevision beabsichtigten Einführung der Mischzonen und deren offenen Definitionen die grösstmögliche Massnahme zur Erleichterung von Zwischennutzungen getroffen wurde. Weiter weise eine gesetzlich vorgegebene Meldepflicht und Vermittlung von Leerstand erstens ein ungünstiges Aufwand- und Nutzenverhältnis auf und stelle zweitens ein unverhältnismässiger Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar. Zudem ist die Vermittlung von leer stehenden Gebäuden und Räumen gemäss Ansicht des Gemeinderates keine öffentliche Aufgabe.


Mit dieser Antwort gibt sich Noemi Kallen nicht zufrieden. «Wirtschaftsförderung ist eine öffentliche Aufgabe – und Zwischennutzungen sind nach meiner Meinung ein Teil davon.» Von einem Eingriff in die Eigentumsfreiheit will sie nichts wissen, es werde schliesslich niemand zu einer unpassenden Zwischennutzung gezwungen. Die vom Gemeinderat vorgeschlagene Online-Börse bezeichnet sie als blosses Lippenbekenntnis: Ohne Meldepflicht werde sich die aktuelle Situation kaum verbessern. Wie und durch wen die Leerstand-Meldungen überprüft würden, lässt die Motion allerdings offen.


Nidau soll mehr Erfolg haben
Nun ist es so, dass Biel nicht gerade als Vorzeigebeispiel dienen kann. Trotz Reglement und Meldepflicht ist es 2020 kaum zu mehr Zwischennutzungen gekommen. Besteht nicht die Gefahr, dass das Ergebnis in Nidau ähnlich bescheiden ausfiele? Nein, ist sich Noemi Kallen sicher. Anders als in Biel läge der Fokus in Nidau nicht nur auf nichtkommerziellen Projekten. Die entsprechende Klausel habe man bewusst weggelassen, da man sie nicht als zielführend erachte.
Sie und ihr Bruder hoffen nun, dass die Motion entgegen dem Antrag des Gemeinderats vom Parlament gutgeheissen wird. «Auch die Bürgerlichen sollten den ökonomischen Nutzen unseres Anliegens sehen», sagt sie. Traktandiert ist der Vorstoss an der Stadtratssitzung vom 25. März.

Nachrichten zu Biel »