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Biel

Fünf Jahre Gefängnis, 
weil sie zur Tötung angestiftet hat

2015 wurde vor dem Duo Club ein Mann mit einem Messer attackiert. Das Berner Obergericht hat gestern nicht nur die Haftstrafe für den Angreifer bestätigt, sondern auch die Strafe für die Anstifterin verschärft.

Das Opfer hat vor dem Duo Club als Sicherheitsmann gearbeitet, als kurz nach Mitternacht die Messerattacke erfolgte. Bild: Peter Samuel Jaggi

Lino Schaeren

Ein junger Kurde hat im Juli 2015 einen Security-Mitarbeiter vor dem Bieler Duo Club mit einem Messer attackiert. Dafür soll er wegen versuchter Tötung eine siebenjährige Haftstrafe kassieren: Die zweite Strafkammer des Berner Obergerichts hat gestern ein entsprechendes Urteil des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland bestätigt. Gar verschärft hat die Oberinstanz den Schuldspruch gegen die junge Frau, die ihren Freund überhaupt erst zu der Tat angestiftet haben soll: Sie soll wegen Anstiftung zur Tötung fünf Jahre in Haft; das Regionalgericht hatte sie noch mit einer bedingten Gefängnisstrafe wegen Anstiftung zur einfachen Körperverletzung davonkommen lassen wollen. Bestätigt wurde auch der Freispruch für den attackierten Security-Mitarbeiter, der den Angreifer mit den Fäusten traktiert und verletzt hatte – laut Gericht in Notwehr.

Das Obergericht ist damit mit seinen Schuldsprüchen vollumfänglich den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der junge Kurde im Sommer 2015 mit einem Küchenmesser im Ärmel versteckt vor dem Nachtlokal auftauchte, um den Sicherheitsmann zu töten. Anders als die erste Instanz geht das Obergericht davon aus, dass der Angreifer mit mehreren Stichbewegungen gegen die Bauchregion nicht nur den Tod seines Kontrahenten in Kauf genommen hat, sondern in Tötungsabsicht zum Duo Club marschierte.

Dazu angestachelt habe ihn seine damalige Freundin. Diese hatte wie der Hauptbeschuldigte auf der Anklagebank zwar ausgesagt, dass sie zum Tatzeitpunkt bereits getrennt gewesen seien, was das Obergericht allerdings als reine Schutzbehauptung abtat; bei der ersten polizeilichen Einvernahme hatten nämlich beide noch vom Freund, beziehungsweise von der Freundin gesprochen.

 

Komplott erfunden

Die junge Frau soll, so die Aussage eines Zeugen, dessen Aussagen das Gericht als glaubhaft einstuft, ihren Freund an diesem Abend im Juli 2015 regelrecht gedrängt haben, den Security-Mitarbeiter «auszuschalten». Dieser war einst eine Art Jugendliebe der Anstifterin, dem sie Jahre später vorwarf, sie in der Kurden-Community als Schlampe darzustellen. Am Telefon soll sie ihrem Freund deshalb angestachelt haben, mit einem Messer vor dem Duo Club aufzutauchen, indem sie ihm vorwarf nicht Mann genug zu sein, sich dem Security-Mann zu stellen, er habe Angst vor diesem. «Sie wusste aufgrund der langjährigen intimen Beziehung genau, wie sie ihn dazu kriegt, die von ihr gewollte Handlung auszuführen», sagte Gerichtspräsidentin Franziska Friederich Hörr bei der gestrigen Urteilseröffnung. Mit der fünfjährigen Haftstrafe geht das Obergericht für die Anstiftung zur Tötung sogar weiter, als von der Staatsanwaltschaft gefordert: Diese hatte «nur» viereinhalb Jahre Gefängnis beantragt.

Der Messerstecher und die Anstifterin hatten im mehrjährigen Strafverfahren versucht, das Bild eines Komplotts zu zeichnen, der das eigentliche Opfer zusammen mit einem Zeugen und weiteren Security-Mitarbeitern geplant habe. Laut Darstellung des Angreifers sei er in einen Hinterhalt geraten und sei brutal verprügelt worden – er verlor beim Vorfall tatsächlich drei Zähne. Noch vor dem Regionalgericht stritt er ab, ein Küchenmesser zum Nachtklub mitgebracht zu haben; er habe lediglich ein kleines Taschenmesser in der Tasche gehabt, nicht viel mehr als eine Nagelfeile. Das Messer mit einer 12,5 Zentimeter langen Klinge, so seine Darstellung, sei ihm von den Security-Leuten untergejubelt worden, als er am Boden fixiert wurde, um ihm eine Straftat anzuhängen.

Erst vor Obergericht hatte er vergangene Woche erstmals zugegeben, das Küchenmesser selber griffbereit im Ärmel versteckt mitgebracht zu haben, womit die konstruierte Verschwörung gegen ihn und seine Freundin gewissermassen wie ein Kartenhaus zusammenfiel. Mit der einigermassen spektakulären Kehrtwende fast sechs Jahre nach der Tatnacht verschaffte er sich beim Gericht zudem nicht zusätzliche Glaubwürdigkeit.

Der Angreifer beharrte jedoch weiterhin auf seiner Darstellung, er habe den Security-Mann nur zur Rede stellen wollen. Das Messer, sagte er, habe er nur deshalb mitgenommen, damit er sich gegen den körperlich überlegenen Security-Mann verteidigen könne. Auch das tat das Obergericht als abstruse Schutzbehauptung ab: «Um jemanden zur Rede zu stellen, braucht es kein griffbereites Messer», so die Gerichtsvorsteherin.

 

In Fuss- und Handfesseln

Die Verteidigung hatte erfolglos versucht, einen vollumfänglichen Freispruch für den Messerstecher und die Anstifterin zu erreichen. Der Hauptbeschuldigte wurde gestern zurück ins Gefängnis gebracht, er befindet sich seit Dezember 2018 im vorzeitigen Strafvollzug. Die junge Kurdin bleibt auf freiem Fuss, das Urteil ist nicht rechtskräftig und kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. Sie wünsche, meinte die Gerichtspräsidentin zum Schluss der gestrigen Urteilsbegründung, den Beschuldigten ehrlich alles Gute. «Das mag für Sie zynisch klingen», sagte Friederich Hörr mit Blick auf das soeben verhängte Strafmass, «aber wir haben hier alleine die Taten zu beurteilen, nicht den Menschen per se.»

Vor dem Gerichtssaal begegneten sich der Angreifer und seine Ex-Freundin dann noch einmal. «Kopf hoch», sagte er zu ihr, ehe er von den Polizisten in Fuss- und Handfesseln abgeführt wurde.

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