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Biel

Sozialpolitik: Hitzige Debatte um Macht steht an

Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) soll eine Kommission zur Seite gestellt werden, um die Sozialpolitik zu versachlichen. Seine Partei wehrt sich.

Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) fürchtet Entmachtung. Bild: Keystone

Lino Schaeren

Wer fällt künftig strategische Entscheide in der Bieler Sozialpolitik? Diese Frage klärt der Bieler Stadtrat heute Abend, wenn er die Ausgestaltung der Sozialbehörde diskutiert. Aktuell gibt im Sozialwesen die Sozialdirektion und damit faktisch Direktionsvorsteher Beat Feurer (SVP) alleine die Richtung vor. Geht es nach der vorberatenden Stadtratskommission (KSB), soll sich das ändern: Sie schlägt vor, dem Sozialdirektor ein Gremium zur Seite zu stellen, das künftig an seiner Stelle strategische Entscheide fällt. Das Geschäft ist politisch aufgeladen, die SVP sieht einen Versuch der linken Mehrheit, ihren unliebsamen Amtsinhaber Feurer kaltzustellen. Dieser wehrt sich seinerseits öffentlich gegen die Pläne, die auch vom Gesamtgemeinderat getragen werden. Feurer spricht unverblümt von einer drohenden politischen Entmachtung.

Die Neuorganisation der Sozialbehörde hat eine längere Geschichte und wurde mehrfach vertagt, zuletzt vor gut einem Monat, als das Geschäft aufgrund der intensiven Agglolac-Debatte im Parlament nicht mehr behandelt wurde. Die Diskussion um die Sozialbehörde geht auf einen parlamentarischen Vorstoss von Ruth Tennenbaum (Passerelle) aus dem Jahr 2015 zurück. Der Gemeinderat hatte daraufhin 2016 erstmals bekräftigt, die Sozialpolitik durch das Einsetzen einer Kommission entpolitisieren zu wollen. 2018 kam die Stadtregierung dann mit einem konkreten Vorschlag in den Stadtrat: Ein fünf- bis siebenköpfiges Gremium, bestehend aus Fachpersonen, soll die Direktion als Sozialbehörde ersetzen. Der Direktionsvorsteher wäre in diesem Fall immerhin noch als Präsident der Kommission vorgesehen gewesen. Das Parlament wies das Geschäft jedoch zurück, forderte umfassendere Abklärungen und setzte dafür die Spezialkommission KSB ein, deren Vorschlag jetzt auf dem Tisch liegt.

 

SVP steht ziemlich alleine

Dieser geht, was die angebliche politische Entmachtung angeht, sogar noch einen Schritt weiter als jener des Gemeinderats. Das Reglement, über das heute Abend diskutiert wird, sieht den Sozialdirektor zwar als Mitglied mit Stimmrecht in der neuen Sozialkommission vor, schliesst aber aus, dass er das Präsidium übernehmen kann. Das wiederum ist sogar den Sozialdemokraten zu viel des Guten. Die Fraktion SP/Juso fordert mittels Änderungsantrag, dass das Kommissionspräsidium für den Direktionsvorsteher offenstehen muss. Darüber hinaus kann die SVP allerdings bei ihrem Vorhaben, die Neuorganisation in der Sozialpolitik abzuwenden, von links auf keine Unterstützung hoffen: «Es braucht breiter abgestützte Entscheide», sagt SP-Fraktionspräsident Levin Koller im Vorfeld der Debatte.

Dieser Meinung dürften auch viele aus dem bürgerlichen Lager sein, weshalb die SVP heute Abend voraussichtlich einmal mehr ziemlich isoliert dastehen wird. Das Problem bei der heutigen Lösung: Indem faktisch eine Einzelperson die Sozialbehörde ist, werden die strategischen Entscheide, die sie zu fällen hat, schnell als politisch motiviert hingestellt oder wahrgenommen. Diese Erfahrung musste in der Vergangenheit nicht nur SVP-Mann Beat Feurer machen, dem von der Linken regelmässig vorgeworfen wurde, in seiner Position als Sozialdirektor alleine nach Parteiideologie zu amten. Auch sein sozialdemokratischer Vorgänger, Pierre-Yves Moeschler, bekam ähnliche Vorwürfe immer wieder zu hören – wenn auch von rechts. Dabei ist das Bieler Modell, in dem der Sozialdirektor oder die Sozialdirektorin alleine Sozialbehörde ist, ein absoluter Sonderfall: Keine einzige andere Gemeinde im Kanton Bern, die alleine einen Sozialdienst führt, handhabt das heute so.

 

Direktion politisch geschwächt?

Bei der Einführung einer Kommission geht es also darum, die Sozialbehörde breiter abzustützen – fachlich und politisch. Die KSB schlägt ein gemischtes neun bis dreizehnköpfiges Gremium vor, das sich sowohl aus Fachpersonen als auch aus Parteimitgliedern zusammensetzt. Gewählt werden sollen die Mitglieder dabei durch den Stadtrat. In der KSB-Kommission haben nur drei von neun Mitgliedern gegen diesen Vorschlag gestimmt; es dürfte sich dabei um die beiden SVP-Vertreter Patrick Widmer und Olivier Wächter sowie PRR-Stadtrat Daniel Suter handeln. Der PRR stört sich vor allem daran, dass auch Politiker Einsitz in die Sozialkommission nehmen sollen. Fraktionsvorsteher Pascal Bord geht aber nicht davon aus, dass der PRR das neue Modell deshalb heute im Grundsatz ablehnen wird.

Die politischen Realitäten im Bieler Stadtrat kennt natürlich auch Sozial- und Sicherheitsdirektor Beat Feurer. Stellt sich also die Frage, ob er heute Abend dennoch erneut aufbegehren und nebst der Meinung des Gemeinderats auch seine abweichende Haltung kundtun wird. Er warnte bereits, als der Vorschlag der KSB veröffentlicht wurde davor, dass seine Direktion massiv abgewertet würde: Werde die Kommission so eingeführt wie beantragt, werde seine Entscheidungsbefugnis auf den Bereich öffentliche Sicherheit reduziert. «Würde man mir da auch noch eine Kommission mit denselben Kompetenzen vorsetzen, würden meine Aufgaben auf den Besuch von Gemeinderatssitzungen, Apéros und Stadtratsdebatten reduziert», sagte Feurer.

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