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Nidau

Die Seewassernutzung ist jetzt ein 50-Millionen-Projekt

Gestern ist der Spatenstich für den Energieverbund Bielersee erfolgt. Während der langwierigen Planung wurde der mit Seewasser betriebene Wärmeverbund um einiges teurer.

Die Verwaltungsratsmitglieder des Energieverbunds Bielersee haben gestern ihren Willen zum Anpacken demonstriert. Yann Staffelbach

von Carmen Stalder

In Gummistiefeln stehen sie auf der Wiese, mit ihren Schaufeln lassen sie Erdklumpen durch die Luft fliegen: Gestern hat auf der Gwerdtmatte in Nidau der Spatenstich für den Energieverbund Bielersee (EVB) stattgefunden. Anwesend waren die Verwaltungsräte der im Herbst neu gegründeten Projektgesellschaft, darunter Sandra Hess (FDP). Die Nidauer Stadtpräsidentin hätte auf diesem Areal an der Dr. Schneiderstrasse und direkt neben der Expo-Brache wohl lieber den Spatenstich für Agglolac ausgeführt. Doch auch der neue Wärmeverbund ist ein sehnlich erwartetes Projekt, und dazu erst noch eines, das in die Tat umgesetzt wird.

Mit Wasser aus dem Bielersee sollen künftig grosse Teile von Nidau sowie das Gebiet westlich des Bieler Bahnhofs auf erneuerbare Weise geheizt und gekühlt werden. Das Projekt wird seit 2015 vorangetrieben und hat seither einige Stolpersteine überwunden (das BT berichtete). Der Verbund, an dem der Energie Service Biel (ESB) und die Stadt Nidau beteiligt sind, wird gemäss eigener Aussage nach seiner Fertigstellung zu den schweizweit grössten Energieverbünden gehören, die Seewasser als Energiequelle nutzen.


Grösserer Perimeter

Ursprünglich hatte das Projekt eine weitaus kleinere Dimension, man ging von einer Investition von knapp 15 Millionen Franken aus. Anfang 2019 war im Nidauer Stadtrat die Rede von 25 Millionen Franken, im Sommer desselben Jahres sprach der ESB bereits von 30 Millionen. Nun beziffert Martin Kamber, Marketingleiter beim ESB und Geschäftsführer des EVB, die Kosten für das Gesamtprojekt auf zirka 50 Millionen Franken. Kamber liefert auch gleich eine Erklärung für die massive Erhöhung: «Das Versorgungsgebiet ist grösser, als vor ein paar Jahren angedacht.»

Der ESB hat zehn Millionen Franken in die Gesellschaft investiert, weitere drei Millionen stammen von Nidau. Der Rest wird durch Darlehen finanziert. Zu Beginn der Planung gingen die Verantwortlichen davon aus, Agglolac an den Verbund anschliessen zu können. Dass das neue Seequartier vorerst gescheitert ist, bringe das Projekt aber nicht in Schieflage, versichert Kamber. «Die Kapazität für Agglolac haben wir zwar eingeplant, jedoch nicht einberechnet.» Heinz Binggeli, Präsident des Verwaltungsrates EVB und Direktor des ESB, fügt an: «Früher oder später wird hier gebaut – und dann sind wir bereit.»

Zu den wichtigsten Kunden gehören vorerst der Swiss Innovation Park und der Campus der Berner Fachhochschule. Da der Wärmeverbund eigentlich früher hätte in Betrieb gehen sollen, muss der Innovationspark auf eine provisorische Heizung zurückgreifen. Bei den für Herbst 2022 geplanten ersten Energielieferungen soll er der erste Kunde sein. Beim Campus gibt es entgegen früherer Befürchtungen keinen Zeitdruck mehr, die Leitungen rechtzeitig bereitzustellen, da er frühestens 2025 statt wie ursprünglich vorgesehen 2022 bezogen werden kann.


Spuren von früher

Im Endspurt vor dem Spatenstich musste Projektleiterin Katrin Fischer das Vorhaben noch einmal überarbeiten. Die Bauarbeiten auf der Gwerdtmatte – dort, wo gestern der Spatenstich für das Pumpwerk erfolgte – werden vom archäologischen Dienst begleitet. Bei Probebohrungen stiess dieser auf organisches Material, das auf frühere Siedlungen hinweist und sich womöglich bis in die Steinzeit datieren lässt.

Eigentlich hätte das Pumpwerk zwei Untergeschosse gehabt. Während des Aushubs, der in den nächsten Wochen beginnt, wären die Arbeiter mit grosser Sicherheit auf diese bedeutenden Funde gestossen – und der archäologische Dienst hätte sie in aufwendiger Arbeit sichern müssen. «Das hätte das Projekt extrem verteuert», sagt Fischer.

Folglich hat sie das Konzept derart angepasst, dass nur noch ein Untergeschoss gebaut wird. Die Projektleiterin hofft, dass dank dieser zusätzlichen Planungsrunde nicht doch noch ein Relikt aus alten Tagen zum Vorschein kommt. Das Risiko für Verzögerungen könne sie allerdings nicht ganz ausschliessen.

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